Überblick
Leistungsfähige Verkehrsknotenpunkte und -netze sind für einen hoch entwickelten Raum und seine Wirtschaft eine notwendige Voraussetzung. Die größte Vielfalt an Verkehrsträgern, zahlreiche Einzelstandorte und die größte Netzdichte sind im dicht besiedelten wirtschaftlichen Kernraum der EU zu beobachten. In peripheren Regionen ist der Verkehr meist auf wenige Standorte und Trassen beschränkt, das Netz ist dort weitmaschig.
Die Bedeutung von Verkehrsnetzen lässt sich an Fallbeispielen konkretisieren, zum Beispiel der Entwicklung im Raum Wien–Bratislava (s. 113.3); bis 1990 gab es dort am Eisernen Vorhang nur wenige grenzüberschreitende Verbindungen, heute besteht dagegen an der EU-Binnengrenze ein ausgebautes Verkehrsnetz verschiedener Träger.
Individueller Verkehr
Der individuelle Verkehr in Europa lässt sich anhand der Flächensignaturen zur Pkw-Dichte und anhand des Netzes von Fernstraßen bearbeiten. Bei der Pkw-Dichte zeigt sich ein Gegensatz zwischen zwei Räumen: West-, Nord-, Mittel- und Südeuropa auf der einen Seite und die neuen Mitgliedsländer der EU, Südost- und Osteuropa sowie die Türkei auf der anderen Seite. Ausnahmen stellen dabei nur Dänemark (vergleichsweise geringe Pkw-Dichte) und Tschechien sowie die baltischen Staaten Litauen und Estland (vergleichsweise hohe Pkw-Dichte) dar. Hintergründe liegen zum einen in der Geschichte – in den ehemaligen COMECON-Staaten war die Pkw-Dichte zum Zeitpunkt der politischen Wende 1990 deutlich geringer als in Westeuropa. Zum anderen machen sich der Stand der wirtschaftlichen Entwicklung und die Einkommen der Bevölkerung bemerkbar (s. 100.2). Auch beim Ausbau der Fernstraßen ist hinsichtlich Qualität (Autobahn / Schnellstraße bzw. sonstige Fernstraße) und Netzdichte im Wesentlichen der oben beschriebene Gegensatz zu beobachten.
Bahn-, Schiffs- und Flugverkehr
Die Karte zeigt als zentralen Verkehrsraum der EU einen Streifen, der sich von Südengland über Nordfrankreich, Paris und die Beneluxstaaten entlang der Rheinschiene südwärts erstreckt und auch die nordwestdeutschen Küstenstandorte Bremen und Hamburg umfasst. Dieser Raum entspricht Teilen der Blauen und der Gelben Banane in wirtschaftsgeographischen Raummodellen (s. 99.2). Im zentralen Verkehrsraum der EU liegen …
sechs Großflughäfen (darunter die vier größten des Kontinents; s. 45.3),
mehrere Drehkreuze des Seeverkehrs (darunter die vier größten des Kontinents; s. 34.2, 123.3)
der größte Binnenhafen Europas, Duisburg (s. 65.5),
zahlreiche Binnenwasserstraßen und
das dichteste Fernstraßen- sowie Eisenbahnnetz des Kontinents (v. a. das Rückgrat des Hochgeschwindigkeitsnetzes der Bahn, s. a. 129.2).
Aufwendige Bauwerke wie der 1994 eröffnete, 50 Kilometer lange Eurotunnel zwischen Frankreich und England unterstreichen die Bedeutung dieses Raums.
An den zentralen Verkehrsraum der EU schließen sich Hauptachsen in Richtung Südfrankreich (Rhôneschiene), Norditalien (s. 104.2; Alpentransit), Skandinavien (über Hamburg – Kopenhagen / Malmö), Osteuropa (über Hannover – Berlin – Warschau / Krakau) sowie Südosteuropa (über Stuttgart – München – Wien – Budapest) an.
Im Mittelmeerraum und am Schwarzen Meer zeigt sich eine Orientierung auf einzelne Standorte entlang der Küsten mit See- und Flughäfen, von denen aus Fernstraßen und Bahnlinien das jeweilige Hinterland erschließen. Erschwerte Bedingungen für die Verkehrserschließung ergeben sich bei peripherer Lage (z. B. in Nordskandinavien), für Inselstaaten (wie Island), bei einer großen Ausdehnung des jeweiligen Landes (z. B. Russland) oder bei gebirgigem Relief (z. B. Italien).
Konzepte der EU zur Verkehrsentwicklung in Europa
Im Bereich der Eisenbahnen liegt der Fokus auf der Entwicklung leistungsfähiger transeuropäischer Netze (TEN) für den Personen- und Güterverkehr. Das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz soll 2050 vollendet sein. Güterverkehr soll in großem Umfang von der Straße auf Bahn und Wasserstraßen verlagert werden.