Überblick
Das erste Erdgasfeld unter der Nordseeküste wurde 1958 bei Slochteren entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt waren die territorialen Ansprüche in der Nordsee noch weitgehend ungeklärt. Heute sind dagegen nationale Wirtschaftszonen ausgewiesen, die die Nutzungsrechte der Lagerstätten eindeutig regeln.
Zu den Fördergebieten
Die Förderung von Erdöl und Erdgas in der Nordsee begann um 1965 vor der britischen Küste. Mittlerweile ist fast der gesamte Raum mit Fördereinrichtungen und Pipelines überzogen, und die Nordsee ist eines der bedeutendsten Förderreviere der Erde.
Die Erschließung der Erdgas- und Erdölvorkommen erfolgte in den 1960er- und 1970er-Jahren innerhalb kurzer Zeit. Sie begann in den Flachmeerbereichen vor der niederländischen und englischen Küste (ab Mitte der 1960er-Jahre) und erfasste bald auch die weit mehr als 100 Meter tiefen Zonen am Schelfrand. Die meisten Förderfelder dieser Erschließungsphase sind heute erschöpft (s. Karte). Gegenwärtig sind in der Nordsee Förderstandorte aus der ersten Erschließungsphase neben solchen aus den 1980er- und 1990er-Jahren zu finden. Mittlerweile sind auch die Felder in der über 300 Meter tiefen Norwegischen Rinne in die Förderung einbezogen (Trollfeld, Fram).
In der Nordsee lagern über einem stark gestörten Grundgebirge (einschließlich des Rotliegenden und des Perm) weitgehend ungestörte Schichten vom Zechstein bis zur Gegenwart. Vor allem die Sedimentgesteine aus Trias, Jura und Kreide bilden mit ihren kleinen Hohlräumen geeignete Speichergesteine für Erdöl und Erdgas, die darin unter Druck stehend lagern. Der Lagerstättendruck wird bei der Förderung ausgenutzt, um Öl und Gas an die Oberfläche zu befördern.
Von der Bohrinsel zur Verarbeitung
Bohrinseln „wandern“ im jeweiligen Erkundungsgebiet. Von ihnen aus wird jeweils eine senkrechte Bohrung in sehr große Tiefen niedergebracht. In der Nordsee wird man im Durchschnitt bei jeder achten Bohrung fündig. Bis zu einer Wassertiefe von etwa 100 Metern können Bohrinseln auf „Stelzen“ errichtet werden. Es handelt sich dabei um schwimmfähige Plattformen, deren hydraulisch ausfahrbare Beine am Einsatzort bis auf den Meeresboden abgesenkt werden. Bei größeren Wassertiefen gelangen Halbtaucher zum Einsatz. Statt der „Stelzen“ verfügen diese über riesige Ballasttanks, die am Einsatzort geflutet werden. Mithilfe einer starken Verankerung und mit computergesteuerten Schiffschrauben bleiben diese Bohrinseln auch bei den in der Nordsee vorkommenden extremen Bedingungen (über 30 Meter hohe Wellen, Windgeschwindigkeiten bis 240 km/h) über dem Bohrloch.
Ist eine Erkundungsbohrung fündig, dann wird ortsfest eine Förderplattform errichtet. Um das Erdölfeld rationell zu erschließen, werden von dort aus nacheinander eine ganze Reihe unterschiedlich abgewinkelter Bohrungen niedergebracht. In einem Erdölfeld sind beispielsweise vier Förderplattformen mit zusammen mehr als 100 Bohrungen möglich.
Zum Abtransport von Erdöl und Erdgas sind Pipelines erforderlich. Wegen der starken Gezeitenunterschiede, erheblicher Strömungen und teils zerklüfteter Felsen am Meeresgrund ist ihre Verlegung sehr aufwendig. Eingesetzt werden eigens dafür gebaute Verlegeschiffe. Die mit Beton ummantelten Rohre werden an Bord zusammengeschweißt und über eine verstellbare Heckrampe auf den Meeresboden herabgelassen. Anschließend wird die Pipeline in einen Graben eingespült.
Die Standorte der Ölverarbeitung (Raffinerien, chemische Industrie) liegen vor allem dort, wo Pipelines auf das Festland treffen. Standorte im Binnenland (wie am Niederrhein) sind an das Pipelinenetz, aber auch das sonstige Verkehrsnetz angeschlossen.
Gas-Pipelines für den deutschen Markt
Erdgas hat am deutschen Strommix einen Anteil von 10,5 Prozent (vgl. 66.1). Mit der heimischen Förderung können etwa 12 Prozent des Inlandsbedarfs gedeckt werden, 88 Prozent stammen aus Importen, vor allem aus Russland (34 %), Norwegen (31 %) und den Niederlanden (19 %). Eine zentrale Rolle beim Transport von Nordsee-Erdgas spielen die Langstrecken-Pipelines quer durch das Nordseebecken. Der Anfang wurde 1977 mit der „Norpipe“ gemacht, die auf 441 Kilometer Länge das Ekofisk-Feld mit Emden verband. Es folgte 1993 die „Zeepipe“ zwischen dem Feld Sleipner A und Zeebrugge (Länge 806 Kilometer), die seit der Erschließung des Troll-Feldes zusätzliche Bedeutung für Deutschland erlangt hat. Hinzu kamen 1995 und 1999 die Erdgaspipelines Europipe I und Europipe II, welche die norwegischen Förderstätten mit Emden verbinden, die Norfrapipe nach Dünkirchen und die Interconnector-Pipeline zwischen Großbritannien und Zeebrugge (beide 1998).
Ausblick
Die geologische Erkundung der Nordsee ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass keine Neuentdeckungen von Lagerstätten mehr zu erwarten sind. Die Diagramme (s. Atlas) zeigen sowohl die Abnahme der Reserven als auch den deutlichen Rückgang der Fördermengen bei Erdöl seit Ende der 1990er-Jahre. Bei Erdgas ist die Situation unterschiedlich. Während Norwegen und die Niederlande steigende oder zumindest stabile Fördermengen zu verzeichnen haben, ist die Förderung in Großbritannien rückläufig.