Überblick
Kobe (1,5 Mio. Einwohner; Stand: 2015) liegt an einer tief ins Land ragenden Meeresbucht des Pazifischen Ozeans. In unmittelbarer Nachbarschaft liegen die Millionenstädte Kyoto und Osaka; die Metropolregion um die drei Städte erbringt rund ein Fünftel der japanischen Industrieproduktion. Die Hauptstadt Tokio ist sechs Autostunden entfernt, mit dem Shinkansen sind es vier Stunden.
Die extreme Landknappheit in japanischen Ballungsräumen, die auch in Kobe überall spürbar ist, und der ständig steigende Flächen- und Tiefwasserbedarf der expandierenden Hafenindustrien haben seit der Mitte der 1950er-Jahre verstärkt dazu geführt, dass seeseitig durch Aufschüttung Neuland gewonnen wurde. Die Japaner nennen dieses Aufschüttungsland „Umetate-chi“ (umetate = zuschütten und errichten, chi = Land, Erde). Diese Form der Landaufschüttung, die sich technisch von der Polderlandgewinnung der Niederländer an der Nordseeküste unterscheidet, ist großflächig erst dank modernster Technik möglich.
Charakteristisch für Japan ist die enge Verflechtung von Aufschüttungsflächen und leistungsfähigen Hafenanlagen. Das Fehlen von Ressourcen kompensiert der Inselstaat durch Rohstoffimporte, rationelle Hafenanlagen und unmittelbare Verarbeitung. Die Wirtschaftserfolge Japans verdanken sich daher nicht zuletzt der modernen Hafenentwicklung. Wie früh bereits der Funktionswandel vom handels- zum industrieorientierten Hafen eingesetzt hat, belegt Kobe, dessen zentraler Bereich sich heute als bis zu vier Kilometer breite und 16 Kilometer lange Bandstadt am Fuße des Rokkogebirges erstreckt. Mit wenigen Ausnahmen liegen die Industriestandorte, vor allem Stahlerzeugung, Maschinenbau, Schiffbau und chemische Industrie im Hafengebiet.
Geschichte und Entwicklung des Hafens
Kobe, um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch ein Fischerdorf, wurde 1867 für den Handel mit dem westlichen Ausland geöffnet. Die ausländischen Handelsniederlassungen bildeten den städtischen Mittelpunkt und beeinflussten den weiteren Ausbau. Osaka und Tokio konnten zunächst aufgrund der Nachteile ihrer Häfen – vor allem Untiefen und eine starke Sedimentation infolge der Lage an einer Deltaküste – nicht direkt von Hochseeschiffen angelaufen werden. Daher übernahmen Kobe für Osaka und Yokohama für Tokio den Güterumschlag.
An der Wende zum 20. Jahrhundert begann man in Kobe, den Hafenraum durch Eindeichung und Auffüllung der feuchten Küstensäume zu vergrößern, die Pieranlagen wuchsen dem tieferen Wasser entgegen. Hafenbecken und Kaizungen wurden gabelförmig ins Meer vorgetrieben. Dieses Bauprinzip wurde auch nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Errichtung der Maya-Kais ab 1959 verfolgt, die Kais dort wurden auf ideale Weise mit modernen Transport- und Umschlageinrichtungen versehen.
Während diese Hafenflächen unmittelbar an der Küste errichtet wurden, liegen heute mit Port Island, Rokko Island, der Flughafeninsel und einer neuen Insel südlich von Rokko Island vier Neulandflächen in vergleichsweise großer Entfernung vor der Küste; sie sind mit dem Festland durch Brücken verbunden.
Das nach Fertigstellung des ersten Bauabschnitts 443 Hektar große Port Island wurde 1981 eröffnet. Port Island liegt etwa drei Kilometer südlich von Sannomiya, dem Zentrum von Kobe, und ist sowohl durch eine Doppelbrücke, als auch durch den Portliner, einen unbemannten, computergesteuerten Zug, mit dem Festland verbunden. Der südliche, etwa 390 Hektar große Teil der künstlichen Insel wurde bis 1999 fertig gestellt.
Heute leben etwa 20 000 Menschen auf der künstlichen Insel. Port Island verbindet in gelungener Weise Wohnen und Arbeiten; es gibt dort Schulen und ein Krankenhaus, Einkaufsmöglichkeiten, einen Universitätscampus und Freizeiteinrichtungen. Port Island verfügt über moderne Containerterminals, die sehr kurze Liegezeiten ermöglichen. Darüber hinaus ist Kobe ein wichtiger Hafen für Kreuzfahrten (zwei Terminals).
Rokko Island ist 595 Hektar groß und wurde 1992 fertig gestellt. Dort leben heute rund 30 000 Menschen, die funktionale Gliederung der Insel ist Port Island vergleichbar (Funktionsmischung).
Die jüngste der künstlichen Inseln in der Bucht von Osaka ist die etwa 270 Hektar große Flughafeninsel südlich von Port Island, die zwischen 1999 und 2005 erbaut und Anfang 2006 in Betrieb genommen wurde.
Landgewinnung in Kobe
Die Gründe für die Gewinnung von Aufschüttungsland vor den Küsten Japans sind nicht nur in der allgemeinen Landknappheit und den damit einhergehenden Grundstückspreisen zu suchen. Ganz wesentliche Faktoren sind die für Industrieansiedlungen attraktiven Standorte in Tiefwasserhäfen, die relativ rasche und kostengünstige Bereitstellung größerer Gewerbe- und Industrieflächen mit Raumreserven, die relative Umweltfreundlichkeit solcher Standorte und mögliche Optimierungen der Verkehrsinfrastruktur. Voraussetzung der Landgewinnung sind günstige morphologische Bedingungen in geschützten Lagen von Buchten oder ruhigen Meeresarmen.
Auch Kobe war mangels Alternativen gezwungen, seinen Wirtschaftsraum seewärts auszuweiten, weist aber einige Eigenheiten auf. Während man in der Bucht von Tokio das Aufschüttungsmaterial durch Ausbaggerung und durch Verwendung von Schutt gewinnt, besteht in Kobe das Füllgut seit Beginn der 1950er-Jahre aus abgetragenem Material der Hinterlandberge. Millionen Kubikmeter davon werden aus dem Rokkogebirge mit modernster Technik zur Bucht transportiert: mit Kipplastern bis zu einem teilweise unterirdisch verlaufenden Förderband, schließlich mit Schiffen an den Bestimmungsort. Nur so lassen sich die nötigen Massen bewältigen und die Anwohner vor Staub und Lärm schützen.
Nach der Abtragung der Berge werden die eingeebneten Gebiete vielerorts als wertvolles Bauland für die Errichtung neuer Wohnviertel, aber auch für Industrieparks und als Universitätscampus genutzt.