Überblick
Mit den sehr hohen, geologisch jungen Anden im Westen, den ausgedehnten Ebenen mit ihren riesigen Stromsystemen im Landesinneren und den niedrigeren, geologisch alten Gebirgen im Osten bestehen in Bau und Oberflächengestalt große Ähnlichkeiten zu Nordamerika. Klima und Vegetation werden dagegen durch die Lage in den Tropen bestimmt (mit Ausnahme des Südens), hinzu treten Gegensätze auf der Ost- bzw. der Westseite der Anden sowie eine ausgeprägte Höhenstufung. Die Anden sind trotz ihrer Höhenlage der älteste Siedlungsraum, an ihrer Bevorzugung hat sich bis heute nichts geändert (s. beispielweise Kolumbien).
Einordnung und Vergleich
Eine führende Stellung in Südamerika und auch weltweit nimmt Brasilien ein. Das Land bildet mit China, Indien, Russland und Südafrika die Gruppe der BRICS-Staaten. Dies sind Schwellenländer mit hohen wirtschaftlichen Wachstumsraten, die in naher Zukunft zu den wirtschaftlich bedeutendsten Ländern der Erde aufschließen könnten.
Der Entwicklungsstand der Länder Südamerikas kann zum Beispiel mithilfe von Indikatoren wie dem HDI und dem BIP pro Kopf verglichen und eingeordnet werden. Das BNE pro Kopf (s. 274.2) liegt in den meisten Ländern etwas unter oder über dem Weltdurchschnitt und ist dem Russlands oder osteuropäischer Staaten vergleichbar. Nur Bolivien und Paraguay fallen mit deutlich unterdurchschnittlichen Werten ab. Das BNE pro Kopf liegt fast überall höher als in weiten Teilen Asiens und Afrikas. Allerdings muss hier beachtet werden, dass der Indikator als Durchschnittswert allein nichts über die Verteilung innerhalb eines Landes aussagt und daher zum Beispiel Einkommensgegensätze verschleiern kann. Daher sollte er zum Beispiel um Aussagen zur Armut ergänzt werden.
Nach dem HDI (s. 274.1) zu urteilen, bildet Brasilien zusammen mit Uruguay, Kolumbien, Venezuela, Ecuador und Peru eine Gruppe hoch entwickelter Länder in Südamerika. Argentinien und Chile zählen zu den sehr hoch entwickelten Ländern (wie auch die meisten europäischen Staaten), Guyana, Suriname, Bolivien und Paraguay dagegen zur Gruppe der Länder mit mittlerem Entwicklungsstand (wie viele Länder Ost- und Südostasiens, darunter Indien und China).
Rohstoffe und Energieressourcen
Südamerika ist ein rohstoffreicher Kontinent. Entlang der Anden werden vor allem Bunt- und Edelmetallerze gefördert. Im Osten des Kontinents werden große Lagerstätten von Eisenerz, Mangan und Bauxit ausgebeutet. Auch bei zahlreichen Agrarprodukten wie Soja, Kaffee, Ananas, Bananen, Rind- und Geflügelfleisch und in der Fischerei nehmen südamerikanische Länder Spitzenpositionen ein. Der Rohstoffreichtum und die Agrarorientierung äußern sich im Außenhandel. Chile zum Beispiel erwirtschaftet rund 80 Prozent seiner Exporterlöse mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln, in Ecuador sind es 90 Prozent und in Argentinien noch 50 Prozent. Diese Strukturen ähneln Ländern wie Australien.
Die Energieversorgung beruht vor allem auf der Nutzung der Wasserkraft zur Stromerzeugung und auf einheimischen Erdöl- und Erdgasvorkommen. Viele Länder Südamerikas haben diese in den letzten Jahrzehnten erkundet und erschlossen, einige sind sogar zu Exporteuren geworden (s. 264.1), auch wenn die Mengen nicht mit denen der Erdölstaaten Westasiens vergleichbar sind. Eine Ausnahme stellt diesbezüglich Venezuela dar.
Argentinien und Brasilien setzen auch auf die Kernkraft zur Stromerzeugung.
Siedlungsstrukturen, Wirtschaftszentren und Entwicklungstendenzen
Die Besiedlung der Staaten ohne Anteil an den Anden ist ausgesprochen küstenorientiert. Verkehrsgünstig am Atlantik liegen die großen brasilianischen Ballungsräume und Industriezentren São Paulo und Rio de Janeiro und die argentinische Metropole Buenos Aires, an der Pazifikküste stechen die chilenische Hauptstadt Santiago und die peruanische Hauptstadt Lima hervor. An den Küsten liegen auch die Häfen, über die zum Beispiel Agrarprodukte wie Bananen und Rohstoffe wie Eisen- oder Kupfererz exportiert werden.
Die wirtschaftlich stärksten Staaten Südamerikas sind Brasilien und Argentinien. Die Konzentrationspunkte der Industrie liegen in den Städten am Rio de la Plata, in Pôrto Alegre, Sao Paulo und Rio de Janeiro an der Ostküste, an der Westküste kann nur der Großraum Santiago konkurrieren. Die Industriestruktur ist an diesen Standorten weitgehend diversifiziert.
Auffällig ist, dass sich in fast allen Staaten Südamerikas die Industrie und damit auch die Arbeitsplätze auf wenige Zentren, oft gar nur auf die Hauptstadt-Agglomerationen konzentrieren (Primatstädte). Daraus resultieren erhebliche räumliche Disparitäten, die wiederum Auslöser von Migrationsbewegungen in den jeweiligen Ländern sind. Viele Menschen strömen auf der Suche nach Arbeitsplätzen und besseren Lebensbedingungen in die großen Städte. Zugleich sind aber auch, zum Beispiel in Brasilien, die noch nicht erschlossenen, dünn besiedelten Regionen im Landesinneren typische Wanderungsziele. Im Südosten Amazoniens ist die Erschließung solcher Gebiete am weitesten fortgeschritten. Als Leitlinie für ackerbauliche Nutzung, Holzwirtschaft und Rohstofferschließung erweisen sich der Amazonas und seine Nebenflüsse, neu gebaute Bahnlinien und die großen Straßen (Transamazonica). Von Süden her wurden die ehemals bewaldeten Ebenen in eine offene Landschaft umgewandelt, die von der extensive Rinderhaltung und dem Anbau von Soja dominiert werden.