Ahrtal - Flutkatastrophe

Deutschland - Umwelt und Naturgefahren
978-3-14-100900-2 | Seite 57 | Abb. 4| Maßstab 1 : 15000

Überblick

Am 14. und 15. Juli 2021 ereignete sich in mehreren Regionen Deutschlands, darunter im Ahrtal, die wohl folgenschwerste Naturkatastrophe der jüngeren deutschen Geschichte. Der Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz war von der Hochwasserkatastrophe infolge schweren Regenunwetters in besonderem Maße betroffen.

Protokoll der Flutkatastrophe

Das Tief „Bernd“ schob sich am 14./15. Juli 2021 aus westlicher Richtung kommend über die Niederlande, Belgien, Luxemburg und die deutschen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. In Rheinland-Pfalz waren insbesondere die Landkreise Ahrweiler, Vulkaneifel, Bitburg-Prüm und Trier-Saarburg betroffen. Grund waren die sehr warmen und feuchten Luftmassen, die ein östlich liegendes Hochdruckgebiet aus dem Mittelmeerraum heranführte und die sich über die kühleren atlantischen Luftmassen von Tief „Bernd“ schoben. Somit entstand Starkregen, der aufgrund der fast statischen Lage der Druckgebiete lange anhielt. Vom 14. auf den 15. Juli fielen in der nördlichen und östlichen Eifel innerhalb von nur 24 Stunden bis zu 200 Liter Niederschlag pro Quadratmeter, wobei der Großteil innerhalb von 10 bis 18 Stunden niederging. Zum Vergleich: Üblicherweise fällt im gesamten Monat Juli weniger Niederschlag als innerhalb dieser 24 Stunden. Der Starkregen ließ das Flüsschen Ahr extrem schnell anschwellen, führte zu Sturzfluten und massiven Überschwemmungen. Der tatsächliche Maximalstand des Ahr-Pegels Altenahr konnte erst im Nachhinein rekonstruiert werden, da er durch die Flut abgerissen wurde. Er wurde auf über 10 Meter festgesetzt (der bisher höchste gemessene Wasserstand betrug 3,71 m (02. Juni 2016).

Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) handelte es sich bei diesen intensiven Niederschlagsmengen innerhalb kürzester Zeit um ein Jahrhundertereignis. Die engen Täler der Ahr und ihrer Nebenbäche kanalisierten die Niederschlagsmassen schnell und ließen das Hochwasser fast ohne zeitliche Verzögerung entstehen. Darüber hinaus waren die Böden aufgrund erhöhter Niederschläge in den Vormonaten weitestgehend gesättigt und konnten folglich kein weiteres Wasser aufnehmen. Hinzu kamen die Effekte der starken Versiegelung im Talgrund und in den Flussauen aufgrund von Bebauung sowie einer intensiven touristischen Nutzung. Dadurch wurde das natürliche Treibgut der Flut (v. a. Baumstämme und Gestrüpp) durch PKW, Wohnwagen, Gas- und Öltanks und andere große Gegenstände angereichert, was an zahlreichen Brücken zu Dammbildungen und beim Bersten zu regelrechten Flutwellen führte. Die Kombination all dieser Parameter löste schließlich eine umfassende Katastrophe aus.

Folgen des Hochwasserereignisses

Rund 42 000 Menschen waren von der Flutkatastrophe im Ahrtal betroffen, 17 000 verloren ihr Zuhause bzw. waren von massiven Schäden betroffen, etwa 9 000 Gebäude wurden zerstört oder massiv beschädigt, so etwa auch Schulen und Krankenhäuser. Zudem kam es zu erheblichen Schäden an Straßen, Brücken sowie an der Gas-, Strom- und Wasserversorgung. 135 Menschen verloren im Ahrtal aufgrund der Flutkatastrophe ihr Leben, über 700 wurden verletzt. In ganz Deutschland starben über 180 Menschen infolge der Katastrophe. Bis dato (Stand Anfang 2023) gelten immer noch Personen als vermisst.

Rasch wurde mit dem Wiederaufbau begonnen, tausende Hilfskräfte sowie zehntausend freiwillige Helfer beteiligten sich unmittelbar nach der Katastrophe an der Beseitigung der Schäden. Bund und Länder stellten Milliarden Euro als Wiederaufbauhilfe bereit. Nach den unmittelbaren Rettungsmaßnahmen und Aufräumarbeiten ist der Wiederaufbau auch fast zwei Jahre nach der Katastrophe nach wie vor in Gange. Dabei kommt es oftmals zu Konflikten zwischen dem Wunsch nach Wiederherstellung der Gegebenheiten vor der Flut und einem effektiveren Hochwasserschutz, der zwangsläufig ein Umdenken u.a. bei der Nutzung und Versieglung des Talgrundes nach sich zieht.

Kritik

Nach der Hochwasserkatastrophe wurde Kritik laut, dass die Bevölkerung nicht ausreichend gewarnt wurde. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte den massiven Starkregen bereits Tage vorher prognostiziert und vor der Gefahr durch Hochwasser gewarnt. Die Kritik richtete sich folglich an Behörden und Medien, welche die Einwohner nicht genügend informiert hätten. Von Seiten der Behörden wurde diese Kritik überwiegend zurückgewiesen, während parlamentarische Untersuchungsausschüsse sich um Aufklärung bemühten und Ministerinnen und Minister politische Verantwortung übernahmen und zurücktraten. Das Ereignis war außerdem Auslöser für eine Diskussion um ein neues Warnsystem, das auch bei Zusammenbruch von Internet- und Mobilfunknetzen die Betroffenen erreicht, und für einen insgesamt besseren Katastrophenschutz.

Das Hochwasser des Juli 2021 übertraf alle bisherigen Hochwasser, die im Ahrtal von Pegeln gemessen wurden, um ein Vielfaches. Da solche Größenordnungen bisher unbekannt erschienen, wurde das Gefahrenlage im Vorfeld unterschätzt. Ein Blick in die Historie zeigt jedoch, dass sich vergleichbare katastrophale Hochwasser im Ahrtal bereits in den Jahren 1804 und 1910 ereignet haben – seinerzeit noch ohne Pegelmessungen und in ihrer genaueren Höhe erst jetzt rekonstruiert. In der Gefahrenabschätzung des Juli 2021 wurden diese Hochwasser jedoch nicht berücksichtigt.

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Diercke

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