Überblick
Die Polargebiete zählen zu den am spätesten erforschten Gebieten der Erde. Nach wenigen vereinzelten Vorstößen in der frühen Neuzeit setzte ihre systematische Erkundung erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. Einige dieser frühen Expeditionen, die unter hohen Risiken unternommen wurden und nicht wenigen Expeditionsteilnehmern das Leben kosteten, sind heute legendär. Im ausgehenden 19. und im frühen 20. Jahrhundert wurden Forschungsexpeditionen in die Arktis vor allem unternommen, um eine Passage zu finden, die den Seeweg zwischen Europa und Asien erheblich verkürzen sollte.
Die klassischen Arktisexpeditionen
Die in der Karte eingezeichneten klassischen Expeditionen sind: die Peary-Expedition von 1909, die den Nordpol vermutlich als erste erreicht hat – obwohl dies bis heute umstritten ist –, die erste geglückte Durchfahrt der Nordwestpassage durch den Norweger Amundsen mit dem Schiff Gjoä von 1903 bis 1906 sowie die Nordostpassage entlang der Küste Nordasiens zum Beringmeer durch den Schweden Nordenskjöld mit dem Schiff Vega in den Jahren 1878/79.
Der Geophysiker Alfred Wegener erforschte von 1929 bis 1931 Grönland. Dafür wurde die Überwinterungsstation Eismitte gebaut.
Hoheitsansprüche
Dass das Nordpolarmeer schon zu Zeiten des Kalten Krieges zu einer strategisch wichtigen Region geworden war, belegen die Fahrten des US-amerikanischen Atom-U-Boots Nautilus 1958, das unter dem Eis bis zum Nordpol gelangte. Nach Ende des Kalten Krieges sorgten im Sommer 2007 zwei russische Forschungs-U-Boote für Aufsehen, die 4 000 Meter unter der Wasseroberfläche am Nordpol eine russische Flagge hissten.
Bezüglich der Hoheitsansprüche in der Arktis vertraten Russland (bzw. die ehemalige Sowjetunion), Kanada und die USA ursprünglich das Sektorenprinzip mit einem territorialen Anspruch jeweils bis zum Nordpol.
Nach internationalem Recht ist im Arktisgebiet das Seerechtsüberabkommen der Vereinten Nationen anzuwenden. Innerhalb der 200-Seemeilen-Wirtschaftszone hat der jeweilige Küstenstaat das ausschließliche Nutzungsrecht (zum Beispiel hinsichtlich Fischerei und Bergbau). Die in der Karte rot abgegrenzten Gebiete liegen außerhalb dieser Zone. Dort gilt als entscheidendes Kriterium die Ausdehnung des Festlandssockels unter dem Meer. Es hat jeweils das Land das Nutzungsrecht (zum Beispiel Rohstoffabbau), zu dessen Festlandssockel das jeweilige Territorium gehört. Darin könnten Gründe für den russischen Vorstoß 2007 liegen. Am Grund des Nordpolarmeeres werden große Vorkommen an Erdöl, Erdgas, Diamanten, Edel- und Buntmetallerzen vermutet. Um diese Rohstoffe abbauen zu können, müsste es Russland gelingen, einen einwandfreien geologischen Nachweis zu liefern, dass das Polargebiet mit dem russischen Kontinentalsockel eine Einheit bildet. Andererseits gilt der Grundsatz, dass die fünf Anrainer als Mitglieder des Arktischen Rats bei der Ausbeutung von Rohstoffen im Nordpolargebiet kooperieren. Darüber hinaus herrscht ein Machtkampf um die Kontrolle neuer Handelswege, die durch den Klimawandel künftig befahrbar werden.
Grönland gehört seit 1721 zum dänischen Königreich. Es steht seit 1979 unter Selbstverwaltung. Spitzbergen (Svalbard) unterliegt seit 1925 gemäß dem internationalen Spitzbergen-Vertrag der Souveränität Norwegens. Auch muss Norwegen den anderen rund 40 Unterzeichnerstaaten des Vertrags die gleichen Nutzungsrechte einräumen, die es selbst hat. Deutschland hat daher freien Zugang zu Spitzbergen. Insbesondere Russland macht von den Nutzungsrechten Gebrauch und errichtete Siedlungen und Steinkohlenbergwerke.
Seit 1996 besteht der Arktische Rat. Mitglieder sind Dänemark, Finnland, Island, Kanada, Norwegen, Russland, Schweden und die USA. Hinzu kommen als ständige Teilnehmer sechs Organisationen, die die indigenen Völker vertreten. Ihnen ist ein Mitspracherecht eingeräumt. Der Arktische Rat dient als Forum des Interessensausgleichs (zum Beispiel hinsichtlich der Rohstoffförderung), hat ein Abkommen über Such- und Rettungseinsätze beschlossen und ermöglicht die gemeinsame wissenschaftliche Erforschung der Arktis.
MOSAiC-Expedition
Von September 2019 bis Oktober 2020 fand unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts die bisher größte internationale Expedition in die Arktis statt. In Anlehnung an die Expedition von Fridtjof Nansen 1893/1896, der mithilfe der natürlichen Eisdrift mit seinem Segelschiff Fram den geographischen Nordpol erreichen wollte, ließ man den deutschen Forschungseisbrecher Polarstern gezielt im Meereis einfrieren, um mithilfe der Drift die Zentralarktis erstmals im Winter zu erreichen. Hunderte Forschende aus 20 Staaten nahmen an der Expedition teil. Ziel des Projekts MOSAiC (Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate) war, den Einfluss der Arktis auf das globale Klima zu untersuchen, um daraus Rückschlüsse für den Klimawandel zu ziehen.