Deutschland - Nachhaltiger Siedlungsbau

Deutschland - Stadtökologie und nachhaltige Stadtentwicklung
978-3-14-100902-6 | Seite 82 | Abb. 1| Maßstab 1 : 7000000

Überblick

Gebäude verursachen bei ihrer Errichtung, Nutzung und Entsorgung erhebliche Umweltbelastungen. Aufgrund des beträchtlichen Rohstoff- und Energiebedarfs haben sie nicht nur Auswirkungen auf die lokale, sondern auch auf die globale Umwelt. Der nachhaltige Siedlungsbau, für den es in Deutschland inzwischen eine Vielzahl von Modellprojekten gibt, insbesondere in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, hat das Bestreben, zum Beispiel durch eine verbesserte Auswahl von Bauteilen bzw. Energieträgern und eine Minimierung des Energieverbrauchs Ressourcen zu schonen und Umweltbelastungen so stark wie möglich zu reduzieren.

Leitlinien

Zu den Leitideen des nachhaltigen Siedlungsbaus zählen unter anderem die Verlängerung der Nutzungsdauer, Baukonstruktionen und Gebäude, der Einsatz von Produkten und Baustoffen, die entweder wiederverwendbar sind oder sich gefahrlos in den technischen oder, soweit sinnvoll, in den natürlichen Stoffkreislauf zurückführen lassen, die Senkung des Ressourcenbedarfs beim Betrieb der Gebäude und der Einsatz nachhaltig erzeugter und nachwachsender Rohstoffe. Weitere wichtige Aspekte sind die Reduzierung von Transportaufwendungen durch Verwendung regionaler Baustoffe und -teile, die verstärkte Nutzung von Regen- oder Grauwasser zur Reduzierung des Trinkwasserverbrauchs sowie eine Minimierung des Flächenverbrauchs.

Modellprojekte

Seit mehreren Jahrzehnten werden in vielen Städten nachhaltige Stadtquartiere realisiert. Die Karte zeigt 42 Modellprojekte, die seit 1990 entstanden sind. Sie unterscheiden sich in ihrer Größe und ihren Nachhaltigkeitsansprüchen – von der Solararchitektur bis hin zum Bauen mit natürlichen Materialien.
Das „Stellwerk 60" in Köln-Nippes gilt als erfolgreiches Beispiel für eine autofreie Siedlung. In dem ab 2006 gebauten Quartier auf einem ehemaligen Eisenbahngelände leben rund 1 500 Menschen in etwa 450 Wohneinheiten. Im südlich der Freiburger Innenstadt gelegene „Quartier Vauban“ (s. 82.4) wurde der Autoverkehr nicht gänzlich ausgeschlossen, jedoch stark minimiert. Der Bau von Niedrigenergiehäusern war von Baubeginn Ende der 1990er-Jahre allerdings an verpflichtend. Inzwischen sind Passivhäuser, Nullenergiehäuser sowie Plusenergiehäuser hinzugekommen, zum Großteil mit Solar- und Photovoltaikanlagen. Neckarsulm in Baden-Württemberg leitete ebenfalls in den 1990er-Jahren eine Energiewende ein und betrat im Stadtteil Amorbach mit der solaren Wärmeerzeugung in Verbindung mit ökologischem Städtebau neue Wege. Der Anlass zum Bau der „Solar-City“ in Hannover-Kronsberg war die Expo 2000. Sie gilt als frühes Beispiel für eine solare Nahwärmeversorgung eines Quartiers. In „Sieben Linden“, eine sozial-ökologische Modellsiedlung in der altmärkischen Gemeinde Beetzendorf, gehören erneuerbare Energie, Strohballenhäuser, eine Pflanzenkläranlage und Komposttoiletten zum Alltag der kleinen Gemeinschaft. 2019/2020 wurde das Ökodorf als Lernort der UNESCO ausgezeichnet. Das neue Hamburger Quartier „Jenfelder Au“ steht für klimaneutrales Wohnen und eine nachhaltige Entwässerung: Regenwasser, Schwarzwasser (aus Toiletten) und Grauwasser (übriges Abwasser) werden getrennt gesammelt und genutzt. Das Regenwasser speist die zentral gelegenen Wasserflächen. Das Grauwasser wird gefiltert und ebenfalls der Teichanlage zugeführt. Aus dem Schwarzwasser wird Biogas gewonnen und zur Energieerzeugung genutzt.

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