Überblick
Der Emscher Landschaftspark, der sich von Duisburg bis Bergkamen über den Kernraum des Ruhrgebietes erstreckt, gilt heute als Beispiel für eine postindustrielle Kulturlandschaft, die gleichermaßen durch die traditionelle Industriekultur und die moderne Landschaftsentwicklung geprägt wurde. An Letzterer waren in den vergangenen zwei Jahrzenten außer dem Land Nordrhein-Westfalen, den Bezirksregierungen, der Emschergenossenschaft/Lippeverband und dem Regionalverband Ruhr 20 Städte und zwei Kreise des Ruhrgebiets beteiligt. 2004 ging der Emscher Landschaftspark offiziell in die Trägerschaft des Regionalverbands Ruhr über, der seitdem auf der Grundlage mehrerer Leitbilder und Strategien wie dem Masterplan „Emscher Landschaftspark 2010“, den Leitlinien „Position 2020+ Emscher Landschaftspark“ 2014 oder der Internationalen Gartenausstellung (IGA) Metropole Ruhr 2027 den weiteren Umbau koordiniert. 2017 wurde der Trägerschaftsvertrag zwischen dem Land NRW und dem Regionalverband Ruhr verlängert, womit sich der Regionalverband Ruhr für weitere zehn Jahre zur Pflege der 15 regional bedeutsamen Standorte innerhalb des Emscher Landschaftsparks verpflichtet hat. Bis 2022 wurden 460 Landschaftsprojekte umgesetzt.
Ein Fluss wurde zur Industriekloake
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war die knapp 100 Kilometer lange, in der Nähe von Dortmund entspringende Emscher noch ein artenreicher Nebenfluss des Rheins. Dies änderte sich abrupt mit Beginn der Industrialisierung. Mit dem Boom des Bergbaus und der Montanindustrie schossen zahlreiche Städte aus dem Boden. Die rasant anwachsende Bevölkerung deckte ihren Trinkwasserbedarf primär aus der Ruhr und ihren Nebenflüssen, während das Abwasser sowohl der Städte als auch der Zechen, Kokereien, Eisen-, Stahl- und Chemiebetriebe in die Emscher gelangte. Binnen weniger Jahrzehnte wurde der Fluss zum zentralen Abwassersammler der Region, zur „Cloaca maxima“ des Ruhrgebiets. Um die Mitte des 20. Jahrhunderts war die Emscher somit einer der schmutzigsten Industrieflüsse Europas und im ökologischen Sinne tot.
Wiedergewinnung von Landschaft
Erst der Niedergang des Bergbaus und von Teilen der Montanindustrie leitete ein Umdenken ein. In den 1990er-Jahren fiel der Startschuss für den Umbau des Emschersystems und die landschaftsplanerische Umgestaltung des Neuen Emschertals. Ein mächtiger, parallel zum Fluss verlaufender Kanal sollte das Abwasser unterirdisch zwei hochmodernen Kläranlagen in Bottrop und Dortmund zuführen. Parallel wurden die Emscher und ihre Nebenflüsse mit großem Aufwand renaturiert; der natürliche Wasserhaushalt in der hoch versiegelten Region wurde durch eine gezielte Ausweitung der Versickerungsflächen gestärkt. Seit Anfang des Jahres 2022 gilt die Emscher nun als abwasserfrei. Rund 5,5 Milliarden Euro wurden dafür investiert. Der Fluss hat sich wieder zu einem ökologisch intakten Fließgewässer entwickelt und wurde zugleich zum Herzstück einer rund 85 Kilometer langen, urbanen Parklandschaft, die zahlreiche Stadtteile und Städte verbindet und die unterschiedlichsten Bedürfnisse von Erholung, Arbeit und Wohnen integriert.
Integrierte Strategie der Stadterneuerung
Wichtige Handlungsschwerpunkte der „Position 2020+ Emscher Landschaftspark“ waren Klimaschutz, Klimaanpassung, integrierte Stadtentwicklung, Natur für alle Menschen und die Förderung der Produktivität (der Gestaltung und Nutzung) des Parks. Der Park dient heute für urbane Landwirtschaft, urbane Waldnutzung, Mobilität, Umweltbildung, Kunst und Kultur, Erholung, Freizeitwirtschaft, als Wohnraum und Firmensitz. Die einstigen Industriegebäude bilden dabei heute, neu inszeniert, eine attraktive Adresse für Wohnen, Arbeit und Freizeit.
Integraler Bestandteil des Landschaftsentwicklungskonzepts ist so auch die Erhaltung bedeutender Zeugnisse der Industriegeschichte. Alte Fördertürme, Hochöfen, Zechen und Produktionshallen wurden teils in Büro- und Gewerberäume umgebaut, teils aber auch, wie im Fall der „Jahrhunderthalle“ in Bochum, für Kunst und Kultur geöffnet. Um diese Zeugnisse auch touristisch zu erschließen, wurde die „Route der Industriekultur“ ins Leben gerufen, die heute Standorte mit industriekultureller Vergangenheit, darunter Museen, Siedlungen, Kunstprojekte und Aussichtspunkte, verbindet. Ein Herzstück im Wegesystem des Emscher Landschaftsparks ist der 230 Kilometer lange Emscher-Park-Radweg, der meist über stillgelegte Bahntrassen führt. Das Kanalsystem ermöglicht Fahrgastschifffahrt zwischen Duisburg im Westen und Dortmund im Osten.