Überblick
Die Karte zum Entwicklungsstand der Länder auf der Erde beruht auf dem vom Weltentwicklungsprogramm (UNDP) der Vereinten Nationen entwickelten Human Development Index (HDI), dem „Index der menschlichen Entwicklung“. Der HDI versucht anhand einer Reihe von Faktoren, den Lebensstandard in verschiedenen Ländern zu erfassen. Er wird seit 1990 jährlich im Weltentwicklungsbericht (Human Development Report, HDR) veröffentlicht.
Lebensbedingungen weltweit
Die Lebensbedingungen sind weltweit sehr verschieden. Der HDI-Report 2023/2024, der auf Daten des Jahres 2022 beruht, weist für 69 Staaten einen HDI > 0,800 und damit einen sehr hohen Entwicklungsstand aus („very high human development“). In die Gruppe der Staaten mit einem guten Entwicklungsstand („high human development“ / 0,800 > HDI > 0,699) fallen 49 Länder, in die Gruppe mit einem mittleren Entwicklungsstand („medium human development“ / 0,700 > HDI > 0,550) hingegen 42 Länder. In die letzte Kategorie mit einem niedrigen Entwicklungsstand („low human development“ / HDI < 0,550) fallen 33 Staaten.
Die Karte zeigt ein ausgeprägtes Entwicklungsgefälle zwischen den Ländern des Globalen Nordens (inkl. des „Nordens auf der Südhalbkugel“, also Chile, Argentinien und Uruguay in Südamerika, Südafrika und Botsuana in Afrika sowie Australien und Neuseeland in Ozeanien) und denen des Globalen Südens, also vielen Staaten Mittel- und Südamerikas, des subsaharischen Afrikas und West-, Zentral-, Süd- und Südostasiens. Auf dem afrikanischen Kontinent zählen nur wenige Staaten wie Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Botsuana und Südafrika zu den Ländern mit hohem Entwicklungsstand. Innerhalb Europas gibt es kaum noch Unterschiede, der einst deutliche Ost-West-Unterschied der 1990er- und 2000er-Jahre ist verschwunden. Lediglich einige osteuropäische (Moldau, Ukraine) und südosteuropäische Staaten (Albanien, Nordmakedonien und das EU-Mitglied Bulgarien) weisen einen hohen anstatt eines sehr hohen Entwicklungsstandes auf. In einer Zone ungefähr zwischen den Wendekreisen weisen nur einzelne Staaten einen sehr hohen Entwicklungsstand auf, darunter Costa Rica, Panama und etliche Inselstaaten der Karibik, die Staaten der Arabischen Halbinsel bis auf den Jemen, sowie in Südostasien Thailand, Malaysia, Singapur und Brunei Darussalam.
Lateinamerika ist im Vergleich zu Afrika und Asien die am besten entwickelte Weltregion, ein Mosaik hinsichtlich des erreichten Entwicklungsstands ist innerhalb Lateinamerikas dennoch deutlich erkennen. Es bestehen extreme Entwicklungsgegensätze zwischen wirtschaftlich aufstrebenden und politisch stabilen Staaten wie Costa Rica oder Panama und Staaten wie Haiti, Guatemala und Nicaragua, die lange von Bürgerkriegen erschüttert wurden und es z. T. noch werden. Große Staaten mit hohem oder sehr hohem Entwicklungsstand wie Brasilien bzw. Argentinien grenzen an Länder mit nur mittlerem Entwicklungsstand wie Venezuela und Bolivien.
Asien zeigt ein sehr heterogenes Bild mit scharfen Gegensätzen auch innerhalb der Teilregionen. Deutlich wird dies etwa in Westasien am Unterschied zwischen Pakistan und Afghanistan (niedriger), dem Iran (hohem), Irak (mittlerem) und Saudi-Arabien (sehr hohem Entwicklungsstand). Asien ist zugleich der Kontinent mit der größten Veränderungsdynamik, was sich etwa in der Entwicklung Südkoreas oder Malaysias während der letzten Jahrzehnte zeigt.
Die Berechnung des Human Development Index
Durch den Human Development Index sollen die Lebensbedingungen in einem Land erfasst und international vergleichbar gemacht werden. Er setzt sich aus drei Komponenten zusammen, die unterschiedliche Bereiche des wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsstandes erfassen:
1. Die mittlere Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) dient der Darstellung der Gesundheitsfürsorge und des Zugangs zu einer medizinischen Versorgung, etwa über Sozialversicherungsschutz oder kostenlos bereitgestellte Leistungen. Sie dient aber auch dazu, die Ernährungssituation in Hinblick auf Nahrungsmittelversorgung (s. 191.3) und Zugang zu sauberem Trinkwasser (s. 191.4), die Hygienebedingungen und soziale Faktoren wie die Absicherung im Alter abzubilden, da alle diese Faktoren letztlich Einfluss auf die Lebenserwartung haben. Der Indikator ist in der Einzelkarte 189.3 dargestellt.
2. Mit zwei Einzelindikatoren zur Schulbesuchsdauer wird der Entwicklungsstand bei der Bildung erfasst. Das Bildungsniveau steht, ebenso wie das Einkommen, für erworbene Kenntnisse und die Teilhabe am öffentlichen und politischen Leben. Überdies lässt es gewisse Rückschlüsse auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Sicherung von Kinderrechten zu. Dieser Indikator ist in der Einzelkarte 189.4 dargestellt.
3. Der materielle Lebensstandard, gemessen am Bruttonationaleinkommen (BNE) pro Kopf unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebenshaltungskosten (KKS) gibt den Stand der wirtschaftlichen Entwicklung wieder. Dieser Indikator ist in der Einzelkarte 188.2 dargestellt.
Das BNE pro Kopf ist der problematischste und umstrittenste Einzelindikator, denn der Durchschnittswert sagt wenig über die oft sehr ungleiche Verteilung innerhalb der Bevölkerung eines Landes aus. Durch das BNE pro Kopf wird eher das Ausmaß wirtschaftlicher Aktivitäten und der Zufluss von Einkommen vergleichbar gemacht als die reale Einkommenssituation. Das tatsächliche Einkommen wird beispielsweise auch durch den statistisch nicht erfassten informellen Sektor oder die Subsistenzwirtschaft beeinflusst. Zudem führt die schwierige Vergleichbarkeit von Preisen in den unterschiedlichen Staaten zu Abstrichen beim Aussagewert im weltweiten Vergleich, die hier aber durch die Berücksichtigung der Inlandspreise und die Anwendung des Logarithmus bei der Berechnung dieses Teilindizes gemildert sind.
Als kombinierter Index erfasst der HDI die Lebensbedingungen genauer als seine Einzelwerte, wie beispielsweise das Pro-Kopf-Einkommen, das die Weltbank in ihrem jährlich herausgegebenen Weltentwicklungsbericht (World Development Report) verwendet.