Überblick
Der Tourismus hat seit den 1960er-Jahren kontinuierlich und in starkem Maße zugenommen, mit einem weiteren deutlichen Wachstumssprung in den 2000er-Jahren. Gegenwärtig liegen die Wachstumsraten bei der Zahl internationaler Touristen bei durchschnittlich fünf Prozent pro Jahr. Ursächlich für diese Entwicklung waren eine ganze Reihe von Gründen, darunter vor allem der größere Wohlstand in den reichen Industrienationen, die Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur in den Zielländern, die exorbitante Ausweitung des gesamten Luftreiseverkehrs seit den 1960er-Jahren, durch die das Reisen, einstmals das Privileg einer kleinen Gesellschaftsschicht, einer großen Vielzahl von Menschen ermöglicht wurde, nicht zuletzt der starke Zuwachs im Geschäftsverkehr seit Beginn der Globalisierung.
Der Massentourismus ist eine historisch junge Erscheinung, die sich in den wenigen Jahrzehnten ihres Bestehens zu einem mächtigen Wirtschaftszweig entwickelt hat. Nach Angaben der Welttourismusorganisation UNWTO gab es im Jahr 2013 1,1 Mrd. internationale Touristen. Im Tourismusgeschäft werden inzwischen jährlich mehr als drei Billiarden Euro umgesetzt. Als Touristen definiert werden Personen, die zu Erholungs-, Geschäfts- oder sonstigen Zwecken an einen Ort außerhalb ihres gewöhnlichen Lebensumfelds reisen und sich dort für einen Zeitraum von mindestens 24 Stunden, maximal aber ein Jahr aufhalten. Das Wachstum im Tourismus soll nach Prognosen der UNWTO anhalten. Für das Jahr 2020 wird mit 1,4 Mrd internationalen Touristen gerechnet, für das Jahr 2030 mit 1,8 Mrd.
Der heutige Massentourismus ist in seinen Wirkungen ambivalent. Er hat einerseits dafür gesorgt, dass in einigen besonders strukturschwachen Regionen und Ländern neue Arbeitsplätze entstanden sind. Auf der anderen Seite ist er aus ökologischer Sicht nicht unbedenklich. Der Luftverkehr ist durch die Einführung von Chartermaschinen und „Billigfliegern“ auf den besonders frequentierten Reiserouten in erheblichem Maße ausgeweitet worden, viele der einstmals schönsten Küstenstriche haben sich durch unkontrollierte Bebauung in landschaftlich reizlose Bettenhochburgen verwandelt, in überdurchschnittlich trockenen Regionen, etwa dem Mittelmeerraum, verschlingen Luxus-Golfplätze den Wasserbedarf einer mittelgroßen Stadt, zum Schaden der heimischen Bevölkerung.
Tourismusformen
Im Tourismus lassen sich verschiedene Formen unterscheiden. Die grundsätzlichste Differenzierung ist diejenige zwischen dem Urlaubs- und dem Geschäftsreiseverkehr. Beide Formen sind stark von wirtschaftlichen und konjunkturellen Entwicklungen abhängig. So hat der Geschäftsreiseverkehr durch die Öffnung der internationalen Warenmärkte seit den frühen 1990er-Jahren in der Summe stark zugenommen, er unterliegt aber gewissen Schwankungen, da konjunkturelle Einbrüche im Bereich der Weltwirtschaft oder bei einzelnen Branchen viele Firmen dazu zwingen, Mehrausgaben für aufwändige Tagungen und dergleichen zu verringern. Auch auf Seiten des Privattourismus machen sich die ökonomischen Entwicklungen stark bemerkbar, da sich ein wirtschaftlicher Niedergang meist in rückläufigen Ausgaben für den Reiseverkehr niederschlägt.
Der Vorläufer des Tourismus im frühen 19. Jahrhundert war die Sommerfrische, der verlängerte Erholungsaufenthalt des privilegierten Bürgertums und der Aristokratie auf dem Lande oder an der See. Gegen Ende dieses Jahrhunderts setzte langsam auch der Wintertourismus in den Alpen ein (s. 116.1). Diese beiden klassischen Formen gibt es in modifizierter Form noch immer, allerdings haben sie durch eine konsequente Ausdifferenzierung des touristischen Angebots an Bedeutung verloren. Rückläufig ist der klassische Jahresfamilienurlaub, denn der Trend geht einerseits zu kürzeren, aber häufigeren Reisen zu verschiedenen Destinationen, zum anderen hat der Städte- und Kulturtourismus, auch dank gezielter Vermarktung, stark zugelegt.
In Ferienregionen, die nach wie vor auf den Familienurlaub setzen, ist das Beschäftigungs- und Unterhaltungsangebot in den letzten Jahren konsequent erweitert worden, sei es durch Sport- und Wellness-Angebote, angegliederte Freizeitparks, die Ausweisung spezieller Radsport- und Wanderstrecken oder durch kulturelle Informations- und Besichtigungsangebote in der Umgebung. Winterskigebiete werben heute mit dem Angebot diverser Trendsportarten und mit „Schneesicherheit“ durch Schneekanonen. Kreuzfahrten, jahrzehntelang ein regelrechtes Statussymbol, werden inzwischen von Hunderten Kreuzschiffen auch in erschwinglichen Preislagen angeboten. Dass Kreuzfahrtschiffe inzwischen in so großer Zahl auch äußerst abgelegene Erdregionen wie die Antarktis erreichen, dass die Umweltschützer schon Alarm schlagen, ist Ausdruck des allgemeinen Trends hin zum Abenteuer- oder Erlebnistourismus, der auch dem Safaritourismus eine neue Massenakzeptanz verschafft hat. Auch „exotische“ Ziele in Entwicklungsländern werden immer stärker für das touristische Massenangebot erschlossen.
Reiseziele weltweit
Die Übersicht über die Reisegebiete belegt, dass Europa nicht nur die meisten Touristen stellt, sondern dass es auch im Hinblick auf den Tourismus der mit Abstand am stärksten erschlossene Kontinent ist. Zu den touristischen Verdichtungsgebieten weltweit zählen überdies weite Teile der nordamerikanischen Pazifik- und Atlantikküste, die Karibischen Inseln, einige Küstengebiete und Metropolregionen in Ost- und Südostasien, die Malediven sowie Teile Australiens und Neuseelands. Von den mehr als 50 afrikanischen Ländern haben nur Marokko, Tunesien, Ägypten und Südafrika einige Regionen, die zu dieser Kategorie gehören (v. a. Küsten), während weite Teile des Kontinents für den Tourismus ebenso wenig erschlossen sind wie weite Gebiete Asiens und Südamerikas.
Zentren des Städtetourismus sind außer den europäischen und nordamerikanischen Metropolen überwiegend Städte, die entweder eine lange Geschichte haben oder – wie etwa Dubai oder Hongkong – erst in den letzten Jahrzehnten in Rekordzeit in den Rang von Weltstädten aufgestiegen sind. Angebote für den Erlebnis- und Abenteuerurlaub finden sich bevorzugt in Regionen, die wirtschaftlich schwach und touristisch wenig erschlossen sind, wodurch sich Relikte ihres einstigen Naturreichtums erhalten konnten. In einigen dieser Gebiete, etwa in Afrika, wird in jüngster Zeit verstärkt der Versuch unternommen, einen nachhaltigen Naturtourismus aufzubauen, der, anders als so häufig im Massentourismus, der Erhaltung der natürlichen Ressourcen dient und zugleich der ansässigen Bevölkerung eine neue Einnahmequelle beschert.