Erde - Wasserversorgung

Erde - Lebensbedingungen
978-3-14-100943-9 | Seite 191 | Abb. 4 | Maßstab 1 : 140000000

Überblick

Trinkwasser ist nach der Definition der EU-Trinkwasserrichtlinie „Wasser für den menschlichen Gebrauch“, das bestimmte, rechtlich vorgegebene Güteeigenschaften aufweisen muss. Die wichtigsten Anforderungen sind die Genusstauglichkeit und die Freiheit von Krankheitserregern und anderen gesundheitsschädigenden Stoffen. In der Neufassung der EU-Trinkwasserrichtlinie von 2020 ist der Zugang aller EU-Bürger zu Trinkwasser ein wesentlicher Bestandteil. Nur ein geringer Teil dieser knappen Ressource wird tatsächlich als Trinkwasser genutzt – allenfalls zwei bis drei Liter Wasser nimmt ein Mensch pro Tag zu sich –, eine weitaus größere Menge wird für die Zubereitung von Speisen und Getränken, für Wäsche und Reinigung sowie in Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft verbraucht. Für die Herstellung von einem Glas Apfelsaft beispielsweise werden etwa 190 Liter Wasser benötigt, bei einer Jeans sind es bereits 5000 Liter, bei einem Pkw können es sogar 450 000 Liter sein (sogenanntes „virtuelles Wasser“).

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen ist auch als Ziel 6 in den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen verankert (UN Sustainable Development Goals, SDGs).

Verteilung von Trinkwasser

Am günstigsten ist die Situation bei der Wasserversorgung in Europa (bis auf Polen), obwohl sich auch dort regional Probleme abzeichnen (s. 49.3), in Amerika (bis auf Nicaragua und Haiti), Nordasien, Westasien (bis auf den Jemen), in Ostasien (bis auf die Mongolei) und Australien/Neuseeland. Eine unzureichende Verfügbarkeit von Wasser gibt es derzeit in fast ganz Afrika sowie in vielen Staaten Süd- und Südostasiens und Ozeaniens. Betroffen sind grundsätzlich aber auch Regionen in China, Mexiko, Australien und den USA. Dabei gibt es rein rechnerisch auf der Erde genug Süßwasservorräte. Allein die durchschnittlichen Jahresniederschläge in Afrika könnten nach einer Studie des UN-Umweltprogramms den Wasserbedarf von 9 Mrd. Menschen decken. Das Problem ist, ähnlich wie bei den Nahrungsmitteln, in erster Linie eines der Verteilung.

Zum einen gibt es auf der Erde aride und semiaride Gebiete, in denen der Mangel an Wasser eine Folge der klimatischen und geografischen Gegebenheiten ist. Verschärft wird das Problem durch die starke Bevölkerungsentwicklung der letzten Jahre. In diesen Regionen haben oft mehr als 25 Prozent der Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Allerdings gibt es Länder, etwa auf der Arabischen Halbinsel, die ebenfalls unter ungünstigen Naturvoraussetzungen existieren, aber aufgrund ihres gesellschaftlichen Reichtums im Hinblick auf den Wassermangel Handlungsoptionen besitzen. In welchem Maße das Problem der unzureichenden Wasserversorgung eines der Armut ist, belegt der Umstand, dass nach UN-Angaben derzeit mehr als 1,5 Mrd. Menschen in Regionen leben, in denen Wasser durchaus in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht, in denen aber die notwendige Infrastruktur an Förderanlagen und Leitungsnetzen fehlt, um es der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Am schwersten betroffen von diesem Problem ist Afrika, auch in den immerfeuchten Tropen mit ganzjährig hohen Niederschlägen.

Trinkwasserversorgung

In anderen Regionen versuchen Regierungen, dem Wassermangel in den trockenen Landesregionen durch die Umleitung großer Flüsse abzuhelfen. In China führen im Rahmen des Süd-Nord-Wassertransferprojekt seit 2015 bis zu 1400 km lange Fernwasserkanäle Wasser aus dem Jangtsekiang nach Norden in die Große Ebene und nach Peking.

Nutznießer solcher Projekte ist vor allem die Landwirtschaft, deren Bewässerungsflächen sich in den letzten Jahrzehnten erheblich ausgeweitet haben. In Kalifornien entfallen 80 Prozent des Wasserverbrauchs auf die Landwirtschaft. In den Ländern des Mittelmeerraumes werden inzwischen zwei Drittel des Wassers von der Landwirtschaft verbraucht, weil sich die Bewässerungsflächen, insbesondere in Spanien und der Türkei, in den letzten 50 Jahren annähernd verdoppelt haben. Der hohe Wasserverbrauch resultiert aber nicht nur aus der größeren Anbaufläche, sondern auch aus veralteten Bewässerungsmethoden und aus der Kultivierung wenig angepasster, stark wasserbedürftiger Anbaufrüchte wie Reis, Baumwolle und Zuckerrohr.

Eine andere Methode, die Süßwasserreserven einer Region zu erhöhen, ist der Betrieb von Meerwasserentsalzungsanlagen, die in den Golfstaaten inzwischen einen Großteil des benötigten Trinkwassers liefern, aber auch in China, Spanien und Australien eine Rolle spielen. Die Anlagen haben allerdings zwei großen Nachteile: Zum einen sind sie in der Errichtung teuer, zum anderen ist ihr Betrieb immer noch sehr energieintensiv.

Zugang zu Toiletten oder Latrinen

Eines der im Jahr 2000 beschlossenen Milleniums-Entwicklungsziele (MDGs) war, dass bis 2015 drei Viertel der Weltbevölkerung nicht mehr ungeschützt im Freien ihr Geschäft verrichten müssen. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Nach wie vor sind davon fast 700 Millionen Menschen betroffen. Weitere 1,4 Milliarden Menschen haben lediglich ein einfaches Erdloch für ihre Bedürfnisse zur Verfügung. 2,1 Milliarden Menschen benutzen Latrinen, die aber das Grundwasser wegen fehlender Kanalisation verunreinigen. Um auf diese Problematik hinzuweisen, wird seit dem Jahr 2013 am 19. November von den Vereinten Nationen der Welttoilettentag ausgerufen. Betroffen ist vor allem die ärmere Bevölkerung auf dem Land sowie in den Slums der Städte. In vielen Ländern, wie zum Beispiel Benin, Burkina Faso, Indien und Nepal, verrichten laut Unicef 95 Prozent der ärmsten Menschen ihre Notdurft im Freien. Die Menschen gehen statt auf eine Toilette hinter Büsche, Bahngleise und alte Schuppen – ohne danach ihre Hände waschen zu können. Allein in Indien haben rund 310 Millionen Menschen noch nicht mal eine Latrine zur Verfügung, fast ein Viertel der Bevölkerung. Ohne Toiletten steigt die Gefahr zu erkranken. Durch Durchfallerkrankungen sterben mehr Kinder als an Aids, Tuberkulose und Malaria zusammen. Fast immer sind sie durch verschmutztes Wasser oder mangelnde Hygiene verursacht. Neben Durchfallerkrankungen kommt es auch zu Wurm-, Haut- und Augenerkrankungen. Wird die Notdurft im Freien verrichtet oder in einer Sickergrube, so gelangen die Fäkalien außerdem ins Grundwasser oder in Flüsse und Seen – und somit auch in das Wasser, das zum Waschen, Kochen und Trinken verwendet wird. Zudem kommt es in den betroffenen Ländern regelmäßig zu sexuellen Übergriffen auf Frauen und Mädchen, wenn diese versuchen, ungestört ihre Notdurft zu verrichten.

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Diercke

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