Überblick
Bei der landwirtschaftlichen Nutzung Europas lassen sich fünf räumliche Haupttypen unterscheiden, für die bestimmte Leitpflanzen mit ihren jeweiligen ökologischen Ansprüchen charakteristisch sind.
Zone des borealen Nadelwalds
Die Zone des borealen Nadelwalds in Nordeuropa wird fast ausschließlich forstwirtschaftlich genutzt. Die Waldnutzung ist an zahlreichen Standorten die Grundlage ganzer Produktionszweige wie der Holz-, Möbel-, Papier- oder Zelluloseindustrie. Die nördliche Anbaugrenze des Getreides folgt grob dem Polarkreis, zeigt aber an der norwegischen Küste eine klimatisch bedingte Ausbuchtung nach Norden, die sich dem Einfluss des Golfstroms verdankt. In den Skanden und dem Ural weist sie hingegen aufgrund der Höhenlage eine Ausbuchtung nach Süden auf.
Die ackerbauliche Nutzung in dieser Zone ist nördlich des 60. Breitengrades nur noch inselhaft und von lokaler Bedeutung. Sie konzentriert sich auf den Küstensaum und die unmittelbare Umgebung von Flussläufen. Ein wichtiger Grund dafür sind die Böden. So finden sich entlang der Dwina gute Auenböden, während im Landesinneren Finnlands Moorböden mit ungünstigen Eigenschaften dominieren. Das Beispiel Nordeuropa zeigt, dass die natürliche Anbaugrenze von der Rentabilitätsgrenze erheblich abweichen kann.
Zone des Dauergrünlands
Zusammenhängendes Dauergrünland mit Wiesen und Weiden findet sich vor allem im maritimen Nordwesten des Kontinents mit seinen milden, feuchten Wintern und den kühlen, gleichfalls feuchten Sommern. Es ist dort die Basis der Rinderhaltung und der Milcherzeugung. Die höchsten Grünlandanteile von rund 70 Prozent werden in Irland erreicht.
Auch die höheren Lagen der Gebirge sind als Gebiete mit einem erhöhten Grünlandanteil zu erkennen, etwa in den Alpen. Das Vorkommen von Dauergrünland in den Gebirgen ist abhängig vom Relief und der Höhenlage; daneben gibt es in diesen Regionen meist hohe Waldanteile. Beispiele dafür liefern das Französische Zentralmassiv, das Dinarische Gebirge, die Gebirgszüge auf der Iberischen Halbinsel, der Taurus und der Kaukasus.
Die tatsächliche Anbaugrenze liegt aus Rentabilitätsgründen meist deutlich niedriger als die ökologische Höhengrenze des Ackerbaus. Sie wird in den Hochgebirgen durch das Auftreten von Dauergrünland oder Wald markiert.
Die Niederungen an Narew und Bug in Ostpolen sind ein Beispiel dafür, dass die landschaftsökologischen Gegebenheiten (ausgedehnte Moorböden mit hohen Grundwasserständen bzw. Überflutungen) eine Nutzung als Grünland begründen; in Mitteleuropa trifft dies in vergleichbarer Weise auf die Auen an den Unterläufen der großen Flüsse zu (zum Beispiel Elbe, Weser, Rhein).
Zone des Roggen- und Kartoffelanbaus
Eine Zone zusammenhängenden Ackerbaus mit Roggen, Gerste und Kartoffeln als Hauptprodukten bestimmt die Agrarlandschaft Nordosteuropas. Neben dem Feldbau gibt es hier vielerorts auch eine intensive Viehhaltung, insbesondere von Schweinen und Rindern. Klimatisch grenzt sich diese Zone vom borealen Nadelwald im Norden und dem Dauergrünland im Westen ab.
Roggen ist nicht nur die frosthärteste Getreideart, sondern auch diejenige mit dem geringsten Anspruch an Boden und Klima; Roggen verträgt beispielsweise kühle Sommer und auch Trockenheit. Die Anbaufläche geht dennoch insgesamt zurück, weil der Weizenanbau durch die Züchtung neuer Sorten immer stärker nach Norden vordringt. Der Weizen ersetzt Roggen und andere Getreide, weil mit ihm hohe Erträge, Preise und Erlöse erzielt werden können.
Gerste wird in Europa überwiegend als Futtermittel und zur Bierherstellung angebaut. Sie hat eine kurze Vegetationszeit und stellt hohe Ansprüche an den Boden.
Die Kartoffel hat sich aufgrund ihrer hohen Mengenerträge im mittleren und nördlichen Europa in den letzten Jahrhunderten zum Grundnahrungsmittel entwickelt. Sie ist in Bezug auf das Klima sehr anpassungsfähig und akzeptiert kühle und luftfeuchte Witterung. In den Alpen gedeiht sie bis in Höhenlagen von 1500 bis 2000 Metern.
Zahlreiche Standorte im Tiefland mit schlechten Böden und in den höheren Lagen der Mittelgebirge weisen zusammenhängende Waldgebiete auf.
Zone des Weizen- und Zuckerrübenanbaus
Die Weizen-Zuckerrüben-Zone ist wie diejenige des Roggen- und Kartoffelanbaus durch einen vielfältigen Anbau geprägt, der Futterpflanzen einschließt und dadurch eine intensive Viehhaltung ermöglicht. Im Unterschied zur vorgenannten Zone liegen hier jedoch deutlich bessere Böden vor. In Osteuropa kommt noch ein besonders günstiges Klima hinzu (regelhafte Nord-Süd-Abfolge der Anbauzonen).
Das Leitgetreide Weizen stellt im Unterschied zum Roggen höhere Ansprüche an das Klima und den Boden; Letzterer muss humusreich und kalkhaltig sein, bevorzugt handelt es sich um Lössböden und Schwarzerde. Wichtige Voraussetzungen für gute Erträge sind milde Winter, ausreichende Niederschläge zur Hauptwachstumszeit und eine sommerliche Trockenzeit zur Reife. Die Weizenerträge hängen von der Intensität der Bewirtschaftung ab, etwa vom Düngereinsatz und der Bewässerung. Die Standortansprüche der Zuckerrübe ähneln denen des Weizens stark, weshalb Zuckerrüben und Weizen häufig gemeinsam auftreten. Ausnahmen von dieser Regel sind einige Standorte etwa östlich der Wolga und im Norden Afrikas. Beste Wachstumsbedingungen hat die Zuckerrübe bei sehr guten, lockeren Böden im milden, maritimen Klima mit hoher Luftfeuchtigkeit; gegen Ende der Wachstumszeit benötigt sie eine hohe Sonneneinstrahlung.
Nach Süden und Osten tritt der großflächige Anbau von Körnermais und von Sonnenblumen zur Ölgewinnung zum Weizenanbau hinzu. Die Sonnenblume benötigt warme Klimate, um ausreifen zu können. Mais ist eine wärmeliebende Kurztagspflanze und benötigt 130 bis 150 frostfreie Tage.
Die Weizen-Zuckerrüben-Zone ist fast waldfrei. Im Süden geht sie in die Zone des mittelmeerischen Anbaus über, östlich der Wolga dagegen liegt ihr südlicher Rand in der Nähe der Trockengrenze des Ackerbaus. Im Übergangsbereich zur Zone der Halbwüsten und Wüsten liegen häufig Gebiete, die für die Viehhaltung genutzt werden.
Zone des mittelmeerischen Anbaus
Der mittelmeerische Anbau zeichnet sich durch eine Vielfalt wärmeliebender Nutzpflanzen aus, seine Schwerpunkte sind der Obst- und Gemüseanbau und Sonderkulturen. Traditionell wird der mittelmeerische Anbau durch die Verbreitung des Olivenbaums definiert, der als subtropische Pflanze eine mittlere Jahrestemperatur von 15 °C bis 22 °C und eine jährliche Niederschlagsmenge zwischen 500 und 700 Millimetern benötigt. Da der Olivenbaum sehr frostempfindlich ist, liegt seine Anbaugrenze bereits im Süden Frankreichs.
Eine zweite Gruppe von Leitpflanzen bilden die Agrumen oder Zitrusfrüchte, die ähnlich hohe Wärmeansprüche wie der Olivenbaum stellen, jedoch bei ihrem Feuchtigkeitsbedarf von 1200 bis 2000 Millimetern Jahresniederschlag vielerorts nur mit künstlicher Bewässerungangebaut werden können. Bei Gemüse haben die Tomaten, Paprika und Gurken eine besondere Stellung. Auch die wichtigsteReisanbauregion Europas, Norditalien, befindet sich in dieser Zone. Eine der bedeutendsten Obstpflanzen der Erde ist die Weinrebe. Sie benötigt eine Jahresmitteltemperatur von nur 10 °C bis 12 °C – weshalb sie auch bis weit über die Grenzen dieser Zone in Deutschland, Österreich und Frankreich zu finden ist –, eine Vegetationszeit von 180 bis 200 Tagen und mindestens 19 °C während der Reife.
Korkeichen werden in Europa vor allem in Portugal und Spanien angebaut, weitere Plantagen finden sich in Marokko, Tunesien und Algerien.
Der Tabakanbau, den es in früheren Jahrhunderten auch in Deutschland noch in größerem Umfang gab, ist noch immer im gesamten mediterranen Raum von Portugal bis zur Ägäis zu finden. Von wirtschaftlicher Bedeutung ist er allerdings nur in Griechenland, Italien sowie in Bulgarien. Auch Sojabohnen und Baumwolle werden in Europa im internationalen Vergleich nur in geringen Mengen angebaut, in Italien allerdings mit zuletzt ansteigender Tendenz; andere größere Sojaproduzenten sind Russland und die Ukraine. Die Baumwolle hat auf europäischem Gebiet einzig in Griechenland eine nennenswertewirtschaftliche Bedeutung, in Spanien werden lediglich geringe Mengen kultiviert. Ausschließlich südlich des Mittelmeeres findet sich der Anbau von Dattelpalmen. Die pflanzliche Erzeugung in der gesamten Mittelmeerregion wird durch die Haltung vor allem von Schafen, aber auch von Rindern, Schweinen und Ziegen ergänzt.
Ein gutes Beispiel für die vollständige Lösung der Landwirtschaft von naturräumlichen Faktoren ist der weitflächige kommerzielle Tomatenanbau nördlich der Alpen. Aufgrund der klimatischen Bedingungen können Tomaten in dieser Region nur unter Glas kultiviert werden. In den letzten Jahrzehnten haben vor allem die Niederlande und Belgien auf diesem Gebiet ein hohes Produktionsniveau erreicht.