Überblick
Der Begriff Migration bezeichnet Personen, die ihr Land freiwillig oder unfreiwillig länger als ein Jahr verlassen. Gründe können die Hoffnung auf einen Job und ein besseres Leben sein (s. 192.1), aber auch Krieg, Verfolgung und Hunger.
Migration in Zahlen
Nach Angaben der Vereinten Nationen gab es 2024 weltweit rund 304 Millionen Menschen, die ihr Land freiwillig oder unfreiwillig für mehr als ein Jahr verlassen, gegenüber 176 Millionen im Jahr 2000. Dies entspricht einem Anteil von 3,7 Prozent der Weltbevölkerung und einer Steigerung um fast das Doppelte in einem Vierteljahrhundert (plus 73 Prozent). Die meisten Migrierten in einem einzelnen Land leben in den USA (2024: 52 Millionen), nach Kontinenten in Europa und Asien (94 bzw. 92 Millionen). In Deutschland lebten 2023 rund 24,9 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, davon 16,1 Mio. Zugewanderte mit eigener Migrationserfahrung und 8,8 Mio. Nachkommen ohne eigene Migrationserfahrung). Zusammen entsprach dies einem Anteil von 29,8 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Die größten drei Gruppen machten hier Menschen aus der Türkei (11,7 %), Polen (8,8 %) und Russland (5,4 Prozent) aus, gefolgt von Kasachstan (5,3 %), Syrien (5,1 %), Rumänien (4,6 %) und der Ukraine (4,2 %).
Ursachen für Flucht oder unfreiwillige Migration sind zum einen die zahlreichen Verfolgungssituationen: Verfolgung aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen bis hin zur existenzbedrohenden Unterdrückung von Frauen. Weitere Fluchtgründe sind Kriegs- und Bürgerkriegssituationen sowie Hungersnöte. Zwei weitere immer wichtiger werdende Gründe sind Umweltzerstörung und Klimawandel, die das Überleben in betroffenen Regionen immer schwieriger machen.
Die Rolle der Grenzen
Vor allem wohlhabende Zielländer der Migration, wie z. B. Deutschland, bringen zunehmend ihre direkten Nachbarn, die als Transitländer dienen (z. B. Österreich), dazu, illegale Migration auf ihrem Territorium zu stoppen. Auf diese Weise wird Migrationskontrolle immer weiter verlagert, im Falle der EU in die Staaten an der Peripherie, also den Außengrenzen des Schengen-Raums (z. B. Griechenland oder Italien). Gleichzeitig werden Entwicklungs- und Finanzhilfen für verschuldete Regierungen oft davon abhängig gemacht, dass sie sogenannten Rückführungsabkommen zustimmen und die Migrationskontrolle – etwa durch Aufnahmeeinrichtungen, Razzien und Abschiebungen – auf ihrem Territorium verschärfen. Mexiko zum Beispiel hat seit 2001 die Überwachung seiner Südgrenze intensiviert. Dort werden jährlich etwa 250 000 Migrierende aus Mittel- und Südamerika auf dem Weg in die USA abgefangen und abgeschoben. Die nur wenige hundert Kilometer lange mexikanische Südgrenze ist dabei deutlich besser zu überwachen als die 3 200 Kilometer lange Grenze zwischen Mexiko und den USA. Somit haben die USA als Migrationszielland ein hohes Interesse am Schutz der Südgrenze des Transitlandes Mexiko.
In Europa besteht seit 2004 die „Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache“ der EU-Mitgliedstaaten, kurz Frontex. Ihre Aufgabe ist die aktive Sicherung der EU-Außengrenzen. Staaten wie Libyen, Algerien, Marokko, Mauretanien und der Türkei kommt dabei eine Wächterfunktion vor den Toren Europas zu. Die vorgelagerte Überwachung und die immer effizienteren Abwehrmaßnahmen führen dazu, dass die Fluchtwege länger und gefährlicher werden und die Zahl der Opfer steigt, beispielsweise bei gefährlichen Bootspassagen im Mittelmeer.
„Illegale“
Allein aus Europa werden jedes Jahr Zehntausende migrierte Menschen abgeschoben. Viele Flüchtlinge und Migrierte müssen dabei fast völlig rechtlos in Lagern leben oder sich als Illegale durchschlagen.
Weltweit sind schätzungsweise 30 bis 50 Millionen Menschen von diesem Schicksal betroffen; in Deutschland wird die Zahl der „Illegalen“ auf mehrere hunderttausend bis eine Million Menschen geschätzt. Die meisten von ihnen sind Migrierte, deren gültiges Visum abgelaufen ist, abgelehnte Flüchtlinge, Familienangehörige ohne Besuchserlaubnis oder ehemalige Studenten, die nach Ablauf ihres Studentenvisums nicht ausgereist sind. Selbst wenn illegal in einem Land lebenden Menschen auf prekärem Niveau beruflich und sozial integriert sind, schützt sie dies nicht vor der Gefahr entdeckt und abgeschoben zu werden.
Regionale Verteilung der Fluchtmigration
Bürgerkriege, bewaffnete Konflikte und Menschenrechtsverletzungen sind Beispiele für Ursachen, die internationale Flüchtlingsbewegungen auslösen können. Sie sind auf der Karte mit roten Pfeilen markiert. Herausragende Herkunftsregionen sind der Nahe Osten (insbesondere Syrien und Irak), Zentralafrika, sowie Afghanistan und Myanmar. Das Herkunftsland der meisten Flüchtlinge war 2024 jedoch Venezuela, die meisten Binnenflüchtlinge hatte der Sudan. Zwei Drittel aller Flüchtlinge weltweit stammten 2024 aus nur acht Ländern: Venezuela, Afghanistan, Syrien, Ukraine, Südsudan, Sudan, Myanmar und die Demokratische Republik Kongo.
Die Karte zeigt, dass die meisten Flüchtlinge aus diesen Krisengebieten in Nachbarländern untergebracht sind (siehe Pfeile) oder im Land selbst verbleiben (siehe blaue Kreise).
Die größten Aufnahmeländer waren 2024 der Iran (3,8 Millionen), die USA (3,6 Millionen), die Türkei (3,3 Millionen) und Deutschland (3,1 Millionen).
Wie die pinkfarbenen Kreise auf der Karte zeigen, verbleibt eine sehr große Zahl von Flüchtlingen im Herkunftsland selbst. Dies ist beispielsweise im Sudan, in Syrien, in der D. R. Kongo und in Kolumbien der Fall. Dass die Zahl der Binnenflüchtlinge in Kolumbien so groß ist, liegt am jahrzehntelangen Bürgerkrieg im Land.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Februar 2022 wurde rund ein Drittel der Bevölkerung zur Flucht gezwungen (Stand März 2023). Mehr als 6,1 Mio. Menschen leben mittlerweile als Flüchtlinge in anderen europäischen Staaten, der Großteil von ihnen sind Frauen und Kinder. Die meisten flohen nach Polen. Dazu kommen rund 4,2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, die im eigenen Land auf der Flucht sind.