Überblick
Der Jangtsekiang ist der längste Strom Chinas und nach Nil und Amazonas der drittlängste Strom weltweit. Er entspringt im Hochland von Tibet. Die Stadt Yibin bildet einen markanten Punkt am Lauf des Jangtsekiang (s. 184/185). Oberhalb der Stadt durchfließt der Fluss auf rund 3600 Kilometern Länge Hochgebirgsland und überwindet dabei einen Höhenunterschied von 4200 Metern. Auf einer Höhe von 250 Metern über dem Meeresspiegel verlässt er bei Yibin das Gebirge und erreicht das Rote Becken, eine der am intensivsten genutzten und am dichtesten besiedelten Regionen Chinas. Von Yibin bis zu seiner Mündung in das Ostchinesische Meer ist der Jangtsekiang auf rund 2800 Kilometern Länge schiffbar.
Das Drei-Schluchten-Projekt
Östlich der Millionenstadt Chongjing bilden die Gebirge Daba Shan und Fangdou Shan einen bis zu 3000 Meter hohen Gebirgsriegel. Dieser wird vom Jangtsekiang in einem 200 Kilometer langen, tief eingeschnittenen und weithin schluchtartigen Tal durchbrochen. Dessen engste Abschnitte sind die „Drei Schluchten“ (Qutang-, Wu- und Xiling-Schlucht). Sie gaben dem Drei-Schluchten-Projekt, bestehend aus der Staumauer Sanxia, dem Stausee oberhalb der Staumauer, zwei Wasserkraftwerken, einem Schiffshebewerk und einer Schleusentreppe, seinen Namen.
Der Sanxia-Staudamm des Drei-Schluchten-Projekts liegt auf halber Strecke der Xiling-Schlucht, etwa 40 Kilometer vor dem Austritt des Jangtsekiang aus dem Gebirge in die dicht besiedelte Große Ebene bei Yichang. Nach dem Baubeginn 1993 wurde zunächst ein Umleitungskanal für den Jangtsekiang errichtet, sodass ab 1997 an der Staumauer selbst gebaut werden konnte. 2003 wurde mit der ersten Teilflutung begonnen, 2008 schließlich der Staudamm selbst fertiggestellt. Die Staumauer ist 2300 Meter lang und 185 Meter hoch. Der Stausee ist 660 Kilometer lang und im Mittel 1,1 Kilometer breit (dies entspricht der doppelten Breite des Jangtsekiang vor dem Aufstau). Der Wasserspiegel des Stausees erreicht 175 Meter über dem Meeresspiegel und liegt damit 100 Meter über dem Wasserspiegel des Flusses unterhalb der Staumauer. Die einzelnen Bauwerke und weitere Maße sind in der Nebenskizze zur Karte dargestellt.
Drei Hauptziele werden mit dem umstrittenen Projekt verfolgt:
• Energiegewinnung in Wasserkraftwerken (18 000 MW; damit auch Reduzierung von Emissionen im Vergleich zur Erzeugung der entsprechenden Menge an Strom in Kohlekraftwerken),
• Hochwasserschutz und Abflussregulierungen für die Hälfte des jährlichen Gesamtabflusses,
• Verbesserung der Schiffbarkeit.
Der Staudammbau erweist sich über die direkten Ziele hinaus als Schlüsselprojekt einer weitergehenden umfassenden Regionalerschließung Sichuans. Zwischen Chongqing und dem Staudamm gab es vor dessen Bau keine einzige Brücke, 2006 schon mehr als 20. Über die enorm hohe Eisenbahnbrücke bei Wanzhou erhält das Rote Becken erstmals eine direkte Bahnverbindung nach Osten. Hinzu kommen neue Straßen, Autobahnen und Wohnbauten.
Der Aufstau und seine Folgen
Das Füllen des Stausees führt an den steilen Hängen von Xiling-, Wu- und Qutang-Schlucht nur zu einer begrenzten Verbreiterung der Wasserfläche; oberhalb der Schluchten ist die Breitenzunahme wegen der dort geringeren Stauhöhe ebenfalls begrenzt. Die Oberfläche des Stausees beträgt rund 1100 Quadratkilometer, für das Projekt wurden rund 630 Quadratkilometer Land überflutet.
Der Drei-Schluchten-Damm war von Beginn an in China umstritten und auch Anlass internationaler Proteste. Projektgegner schätzen die Gefahr eines Dammbruchs als nicht unerheblich ein und erinnern an die Katastrophe von 1975 in der Provinz Henan, bei der 230 000 Menschen ums Leben kamen, als zwei in den 1950er-Jahren gebaute Staudämme barsten. Der hohe finanzielle Aufwand (Baukosten 75 Mrd. US-$) wird ebenso kritisch eingeschätzt wie die immensen ökologischen Auswirkungen.
Für das Projekt mussten 1,3 Millionen Menschen umgesiedelt werden; die neuen Siedlungen entstanden meist nahe zu den aufgegebenen Orten oberhalb des neuen Stausees (s. Karte). Die Bereitstellung neuer Wohnungen und Siedlungen war allerdings nur ein Teilaspekt, denn die Umsiedlung war mit tief greifenden sozioökonomischen Veränderungen für die Menschen verbunden. Dies führte auch zu sozialen Spannungen. Verluste an Land (siehe oben) und an kulturellen Gütern, zum Beispiel Tempeln, schlagen ebenfalls negativ zu Buche.
Seit Beginn des Baus sind ökologische Veränderungen und Schäden zu beobachten, die sich durch die Intensivierung der Landnutzung im letzten Jahrzehnt noch verstärkt haben. Vielerorts werden Bodenerosion und Hangrutschungen als Folge von Entwaldung beobachtet. Dies erhöht die Sedimentfracht des Jangtsekiang. Da die Fließgeschwindigkeit oberhalb des Damms niedriger ist als vor dem Bau, werden dort nun große Mengen an Schwebstoffen abgelagert, die ursprünglich im Unterlauf des Jangtsekiang, also in der Großen Ebene und im Mündungsdelta bei Shanghai, sedimentiert wurden. Dort steigt daher zum Beispiel das Erosions- und Überschwemmungsrisiko. Dabei ist die Situation noch relativ günstig, weil es in der Staumauer tief gelegene Durchlässe für sedimentführendes Wasser gibt. Mit der veränderten Sedimentierung verändern sich insbesondere im Bereich der Schluchten und am Unterlauf die ökologischen Bedingungen, mit negativen Auswirkungen auf die Biodiversität. Als Problem gilt die Wasserverschmutzung, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zunehmenden wirtschaftlichen Nutzung der Region. Da die Wasserqualität des Jangtsekiang für den Süd-Nord-Wassertransfer (s. 188.3) besonders bedeutsam ist, hat der chinesische Staat in Kläranlagen und Mülldeponien investiert.