Überblick
Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist Nordrhein-Westfalen mit 794 Mrd. Euro (2022) das mit Abstand wirtschaftsstärkste Bundesland. Es stellt 20,5 Prozent des gesamtdeutschen BIP und zugleich 21,6 % der gesamtdeutschen Bevölkerung. Das Rheinisch-Westfälische Industriegebiet zählt zu den bedeutendsten Industrie- und Dienstleistungsregionen Europas. Vor allem die sogenannte „Rheinschiene“ mit den beiden Zentren Köln und Düsseldorf entwickelt sich sehr dynamisch. Allerdings belegt das Bundesland beim BIP pro Kopf mit 44 000 Euro Platz 7 bzw. beim BIP pro Erwerbstätigen mit 81 600 Euro Platz 8 im Bundesländer-Ranking und liegt damit relativ betrachtet eher im Mittelfeld als an der Spitze.
Dies liegt in erster Linie an der Ende der 1960er-Jahre einsetzenden Krise in der Bergbau- und Montanindustrie, die das Bundesland in einen grundlegenden Strukturwandel von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft stürzte. Der Strukturwandel ist noch immer nicht vollständig bewältigt, die dazu notwendige Zusammenarbeit von Industrie, Dienstleistungen und Wissenschaft kommt aber gut voran. Außerdem verfügt Nordrhein-Westfalen über eine enorme Standortgunst, denn von hier aus können im Radius von 250 Kilometern (2 Autofahrstunden) annähernd 10 Prozent der EU-Bevölkerung erreicht werden. Die zentrale Lage in Europa, die hervorragende Infrastruktur, qualifizierte Arbeitskräfte und die Verfügbarkeit großer und gut erschlossener Gewerbeflächen sind daher die entscheidende Voraussetzungen für das Gelingen des Strukturwandels in Nordrhein-Westfalen.
Erwerbstätigkeit und Beschäftigung
Die Erwerbstätigkeit in der Industrie (einschließlich Baugewerbe) hat sich zwischen 1970 und 2024 mehr als halbiert, von 53,8 auf 21,4 Prozent. 2024 waren nur noch 2,1 Millionen Erwerbstätige in diesem Wirtschaftssektor beschäftigt, gegenüber knapp 7,2 Mio. Erwerbstägigen in den Dienstleistungen und nur 77 000 in der Landwirtschaft. Von den rund 9,4 Mio. Erwerbstätigen 2024 waren knapp 2,1 Mio. Selbstständige und gut 7,3 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Davon arbeiteten 17 % im Gesundheits- und Sozialwesen inklusive Heimen, rund 14 % im Einzel- und Großhandel, 11,5 % im Finanz- und Immobilienwesen sowie im wissenschaftlich-technischen Dienstleistungsbereich, 11 % in der Metall-, Stahl- und Elektroindustrie (einschließlich Automobilindustrie), 5,7 % in der öffentlichen Verwaltung, 5,7 % im Bereich Verkehr und Logistik, 5,2 % im Baugewerbe, 4,2 % im Bildungswesen, 3,6 % im IT- und Kommunikationsbereich, 3,6 % in der Herstellung von Vorleistungsgütern insbesondere aus der Kunststoff- und Chemiebranche, 3,2 % in der Herstellung von häuslich konsumierten Verbrauchsgütern insbesondere der Nahrungs- und Genussmittelbranche sowie 2,6 % im Gastgewerbe und Tourismus. 2024 waren überdies rund 750 000 Personen in Nordrhein-Westfalen arbeitslos, was einer Arbeitslosenquote von 7,5 % und Platz 6 unter den Bundesländern entsprach (Bundesdurchschnitt rund 6 %).
Industrie
Der Maschinenbau war 2023 mit 198 900 (sozialversicherungspflichtig) Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 53,8 Mrd. Euro der stärkste Industriezweig in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von der Chemieindustrie mit 103 000 Beschäftigten und 49,6 Mrd. Euro Jahresumsatz, der Metallindustrie mit 100 900 Beschäftigten und 46,6 Mrd. Euro Jahresumsatz, der Nahrungs- und Genussmittelindustrie mit 112 000 Beschäftigten und 45,9 Mrd. Euro Jahresumsatz, der Herstellung von Metallerzeugnissen mit 172 100 Beschäftigten und 37,1 Mrd. Euro Jahresumsatz, der Automobilindustrie mit 68 100 Beschäftigten und 32,8 Mrd. Euro Jahresumsatz, der Elektroindustrie mit 90 700 Beschäftigten und 24,8 Mrd. Euro Jahresumsatz, der Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren mit 79 100 Beschäftigten und 17,6 Mrd. Euro Jahresumsatz. der Herstellung von Glas, Glaswaren und Keramik mit 32 900 Beschäftigten und 9,7 Mrd. Euro Jahresumsatz sowie der Papierindustrie mit 26 900 Beschäftigten und 8,6 Mrd. Euro Jahresumsatz.
Im Maschinenbau werden knapp ein Fünftel des gesamten Umsatzes der Branche in Deutschland erwirtschaftet, was den durchschnittlichen Anteilen Nordrhein-Westfalens an gesamtdeutschen Summen entspricht. In der Chemieindustrie sind es hingegen und ein Drittel aller Umsätze – ihre räumlichen Schwerpunkte liegen im Ruhrgebiet und entlang des Rheins zwischen Wesseling/Niederkassel und Rheinberg/Oberhausen. Innerhalb der Elektroindustrie spielt die Mikrosystemtechnik eine besondere Rolle, die besonders in Dortmund vertreten ist. Weiterhin überdurchschnittlich vertreten ist in Nordrhein-Westfalen die Herstellung hochwertiger Möbel und Küchen in Ostwestfalen und im Sauerland mit direkt und indirekt ca. 200 000 Arbeitsplätzen, die Herstellung von Gebäudeelektrik, Leuchten, elektrischen Schaltern und Steckdosen sowie Tür- und Sicherheitstechnik in Südwestfalen, die Herstellung von Sanitärarmaturen (gesamtdeutscher Anteil mehr als 60 %) und einzelne Unternehmen der spezialisierten und hochwertigen Bekleidungs- und Textilindustrie an den traditionellen Standorten Ostwestfalen (Bielefeld) und Niederrhein (Mönchengladbach). Knapp 1000 Betriebe gehören darüber hinaus zur Nahrungs- und Genussmittelindustrie, darunter bedeutende Hersteller wie die Dr. August Oetker KG in Bielefeld, Haribo (ehemals in Bonn) oder Katjes in Emmerich. Die Region Aachen ist ebenfalls als Standort für ihre traditionelle Süßwarenindustrie (Printen) bekannt, auch Unternehmen der Elektro- und Glasindustrie und des Maschinenbaus finden sich dort.
Die bis nach Niedersachsen reichende Region Ostwestfalen-Lippe im Nordosten war lange Zeit landwirtschaftlich geprägt. In den letzten Jahrzehnten ließen sich dort IT-Unternehmen, Medienkonzerne (Gütersloh) und – wie bereits erwähnt – große Betriebe der Möbel-, Haushaltsgeräte- und Nahrungsmittelindustrie nieder.
Eine weitere Industrieregion mit langer Geschichte ist das Siegerland in Südwestfalen. Eisenerzbergbau und Hüttenindustrie sind dort inzwischen dem Maschinenbau und der Metallwarenherstellung gewichen. Im Raum Düsseldorf/Neuss und Bonn/Troisdorf ist außerdem die Rüstungsindustrie vertreten.
Bergbau und Energie
Die Montanindustrie hat ihre einstige wirtschaftliche Bedeutung für die Region eingebüßt. Ende 2018 wurde daher die hochgradig subventionierte Steinkohlenförderung im Ruhrgebiet und damit auch in Deutschland komplett eingestellt.
Der Braunkohlentagebau im Rheinischen Braunkohlerevier am Nordwestrand des Rheinischen Schiefergebirges wird hingegen weiterhin betrieben. Zu den dortigen Großtagebaurevieren gehören die Tagebaue Garzweiler, Hambach und Inden. Spätestens 2038 sollen diese aus Klimaschutzgründen stillgelegt werden. Während die Braunkohle mit rund einem Drittel weiterhin der Energieträger Nummer 1 für die Stromproduktion an Rhein und Ruhr ist, hat in den 10 Jahren zwischen 2014 und 2023 die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien um 88 % zugenommen, ihr Anteil betrug 2023 26 % gegenüber nur gut 8 % 2014 (s. 33.2). Es bleibt abzuwarten, wie Nordrhein-Westfalen den Anteil fossiler Energieträger (Braunkohle, Erdgas, Steinkohle) an der Stromproduktion von immerhin noch knapp 72 % im Jahr 2023 zukünftig ersetzen kann.
Dienstleistungen und Verkehr
Im Jahr 2024 waren fast 7,7 Mio. Erwerbstätige im Dienstleistungssektor beschäftigt – mehr als doppelt so viele wie 1970. Hier ist besonders die Medienbranche hervorzuheben, die über mehrere Standorte im Bundesland verfügt (u. a. Köln und Gütersloh). Auch im Forschungssektor spielt Nordrhein-Westfalen eine führende Rolle. Neben 70 Hochschulen gibt es dort zwölf Max-Planck-Institute. Von Bedeutung ist weiterhin die Finanz- und Versicherungsbranche mit den Standorten Düsseldorf, Köln und Dortmund. In Bonn sind zwei bedeutende Global Player der Kommunikationsbranche angesiedelt (DHL/Post, Telekom).
Eines der dichtesten Autobahn-, Schienen- und Wasserverkehrsnetze Europas sorgt für die notwendigen Personen- und Gütertransportleistungen. Gerade jedoch das Straßennetz, insbesondere die zahlreichen Rheinbrücken, und das Schienennetz weisen jedoch einen großen Sanierungs- und Ausbaustau auf, der auch dadurch bedingt ist, dass die bestehenden Netze weitestgehend zwischen den 1950er- und 1980er-Jahren gebaut wurden. Große internationale Flughäfen gibt es in Köln (Köln/Bonn) und Düsseldorf. Beide Städte sind neben Dortmund und Essen auch wichtige Messestandorte. In Duisburg befindet sich der größte Binnenhafen Europas (s. 19.2), die Häfen Köln und Düsseldorf/Neuss und Köln zählen zu den größten am Rhein. Die Rheinhäfen mit einem Umfeld von 150 Millionen Einwohnern haben zugleich dazu beigetragen, dass Nordrhein-Westfalen mit rund 28 000 Unternehmen und weit über 600 000 Beschäftigten die führende Logistikregion in Europa ist.