Ruanda - Projekte der Landesentwicklung

Afrika - Facetten der Nachhaltigkeit
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Überblick

Ruanda hat in den letzten Jahren einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung erfahren. Anders als in vielen anderen Entwicklungsstaaten war die Haupttriebkraft dabei aber nicht zunächst das verarbeitende Gewerbe, sondern direkt der Dienstleistungssektor. Ein solches Auslassen einzelner Stufen im Laufe eines Entwicklungsprozesses wird auch als „Leapfrogging“ bezeichnet.

Völkermord in Ruanda

Die Geschichte Ruandas ist von wiederkehrenden Konflikten zwischen den Volksgruppen der Hutu und Tutsi geprägt. Diese eskalierten 1994 und führten zu einem Völkermord an der Tutsi-Minderheit, dem nach Schätzungen bis zu eine Million Menschen innerhalb von 100 Tagen zum Opfer fielen. Der Genozid und seine Folgen hatten und haben eine prägende Wirkung auf Ruanda und warfen die Entwicklung des Landes erheblich zurück. Im Index der menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen (HDI) von 2022 belegt das Land Rang 165 von 191 Staaten.

Wirtschaftliche Entwicklung

Dennoch hat Ruanda nach 1994 in den meisten Jahren ein jährliches BIP-Wachstum von mehr als 6 Prozent verzeichnet und sich wirtschaftlich von der Landwirtschaft hin zum Dienstleistungssektor verlagert. Der Anteil der Dienstleistungen am BIP ist von 29 Prozent 1994 auf über 51 Prozent im Jahr 2017 gestiegen, während der Anteil der Industrie von 21 Prozent 1994 auf etwa 18 Prozent im Jahr 2017 gesunken ist. Investitionen in „moderne“ Dienstleistungen (wie Tourismus, Finanzen und Immobilien) gingen einher mit solchen in „grundlegende“ Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung, was sich in der Karte anhand der zahlreichen Hochschulen und Krankenhäuser sowie deren infrastruktureller Erschließung (unter anderem mit dem Einsatz von Drohnen) widerspiegelt.

Kigali als internationales Drehkreuz

Die Umwandlung von Kigali in ein internationales Drehkreuz verschiedener Art – Verkehr, Finanzen, Tourismus und Informationstechnologie – soll Ruanda an die am schnellsten wachsenden Sektoren der Weltwirtschaft anbinden. Seit der Fertigstellung des Kigali Covention Centre im Jahr 2016 für über 300 Millionen US-Dollar zählt Ruandas Hauptstadt zu den beliebtesten Austragungsorten des Kontinents für Tagungen und Kongresse. Im Jahr 2016 war Kigali Gastgeber der gleichen Anzahl wichtiger Treffen wie Mumbai, Basel, Philadelphia und Nanjing. Begünstigt wurde dies durch den Ausbau der nationalen Fluggesellschaft RwandAir, die 2002 den Betrieb aufnahm und heute Strecken zu über 20 Städten innerhalb und außerhalb Afrikas betreibt.

Abhängigkeit vom Ökotourismus

Besonders aber der Tourismus wurde dank einer 2001 verabschiedeten Tourismusstrategie zu einer immer wichtigeren Devisenquelle. Im Mittelpunkt stand dabei die Förderung des Gorillatourismus, historisch gesehen Ruandas bedeutendster Touristenattraktion. Von 800 Berggorillas weltweit leben mehr als die Hälfte in Ruanda. Um die Gorillas sehen zu dürfen, benötigen ausländische Besucher eine Genehmigung. Die Kosten für diese wurden schrittweise erhöht und erreichten 2017 die 1 500 US-Dollar-Marke.

Die Regierung ist sich der Abhängigkeit vom Ökotourismus bewusst und investiert mit Aufforstungsprojekten und dem Ausbau erneuerbarer Energien in das grüne Image des Landes. Für Aufsehen sorgte 2008 der Erlass eines Plastiktüten-Verbots, welches Einfuhr, Herstellung und Gebrauch von Plastiktüten unter Strafe stellt. Neben Geldstrafen drohen bis zu einem Jahr Gefängnis.

Anhaltende Probleme

Die Folgen des Völkermordes zu bewältigen, bleibt eine der großen Herausforderungen für Ruanda. Weitere sind die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie, die Armut in den ländlichen Gebieten, eine hohe Bevölkerungsdichte, die Auswirkungen des Klimawandels sowie ein großer Bedarf an Arbeitsplätzen bei gleichzeitigem Mangel an Fachkräften. Denn eine der Hauptschwierigkeiten beim Leapfrogging besteht darin, dass die internationalen Dienstleistungssektoren zunehmend Standards und Prozesse eingeführt haben, die ruandische Ausbildungsinstitute noch nicht bieten. Das rasche Wachstum der Branchen hat der einheimischen Bevölkerung wenig Spielraum gelassen, die erforderlichen Fähigkeiten zu erwerben. Selbst dort, wo durch Investitionen in diesen Sektoren viele Arbeitsplätze geschaffen werden, werden diese nicht von Ruanderinnen und Ruandern besetzt.

Auch das Müllproblem ist durch das Verbot von Plastiktüten nicht behoben. Weil die Bevölkerung rasant wächst, viele in die Städte drängen und auch Wirtschaft stetig wächst, wird mehr Müll produziert. Während in Kigali 2012 noch 180 Tonnen Müll pro Tag eingesammelt wurden, waren es 2016 bereits über 500 Tonnen am Tag.

Lösungsansätze für diese Herausforderungen soll das Modellprojekt „Green City Kigali“ aufzeigen. Mit internationaler Unterstützung entsteht auf 600 Hektar Land in Ruandas Hauptstadt ein neuer, grüner Stadtteil. Mehrstöckige Häuser sollen Platz für rund 30 000 Haushalte bieten, bezahlbar für Menschen aus den unteren bis mittleren Einkommensklassen. Die klimafreundlichen Häuser werden aus nachhaltigen Materialien gebaut, inklusive einer strukturierten Abfallentsorgung. Fertiggestellt soll der Stadtteil circa 16 000 Arbeitsplätze bieten.

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Diercke

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