Südamerika - Wirtschaft und Umwelt

Südamerika - Wirtschaft und Umwelt
978-3-14-100944-6 | Seite 162 | Abb. 1 | Maßstab 1 : 16000000

Überblick

Mit den sehr hohen, geologisch jungen Anden im Westen, den ausgedehnten Ebenen mit ihren riesigen Stromsystemen im Landesinneren und den geologisch alten und deshalb niedrigeren, da erodierten Gebirgen im Osten bestehen in Bau und Oberflächengestalt Südamerikas große Ähnlichkeiten zu Nordamerika. Klima und Vegetation werden dagegen durch die Lage in den Tropen bestimmt (mit Ausnahme des südlichen Südamerikas), hinzu treten Gegensätze auf der Ost- bzw. der Westseite der Anden sowie eine ausgeprägte Höhenstufung. Die Anden sind trotz ihrer Höhenlage der älteste Siedlungsraum, an ihrer Bevorzugung hat sich bis heute nichts geändert (s. beispielweise Kolumbien).

Einordnung und Vergleich

Eine führende Stellung in Südamerika und auch weltweit nimmt Brasilien ein. Das Land bildet mit China, Indien, Russland und Südafrika die namensgebende Gruppe der umfassenderen BRICS-Staatengruppe. Dies sind Schwellenländer mit hohen wirtschaftlichen Wachstumsraten, die in naher Zukunft zu den wirtschaftlich bedeutendsten Ländern der Erde aufschließen könnten.

Der Entwicklungsstand der Länder Südamerikas kann zum Beispiel mithilfe von Indikatoren wie dem HDI und dem Bruttonationaleinkommen (BNE) verglichen und eingeordnet werden. Das BNE pro Kopf (s. 188.2) lag 2023 in den meisten Ländern Südamerikas etwas unter oder über dem Weltdurchschnitt und ist damit ungefähr mit jenem in Indien oder China vergleichbar, jedoch deutlich höher als in weiten Teilen Afrikas und im südöstlichen, südlichen und zentralen Asien. Allerdings muss hier beachtet werden, dass dieser Indikator als Durchschnittswert allein keine Aussage über die Einkommensverteilung innerhalb eines Landes zulässt und große Einkommensgegensätze möglicherweise verschleiern kann. Daher sollte er zum Beispiel um die Betrachtung der Armutsverteilung ergänzt werden (s. 189.1). Hier zeigen sich deutliche Abweichungen, da der Anteil armer Menschen an der Gesamtbevölkerung in Venezuela und Peru 2024 bei über einem Drittel lag und in Kolumbien immer noch über dem Weltdurchschnitt von 9 %. Dies deutet in Verbindung mit dem nur leicht vom Weltdurchschnitt nach unten abweichenden Pro-Kopf-Einkommen 2023 in diesen Staaten auf eine sehr ungleiche Einkommensverteilung hin („viele reiche, viele arme Menschen“).

Nach dem HDI (s. 188.1) zu urteilen, zählten Chile, Argentinien und Uruguay 2022 zur Gruppe der sehr hoch entwickelten Länder (wie auch fast alle europäischen Staaten), während die meisten anderen Staaten Südamerikas der Gruppe hoch entwickelter Länder zuzurechnen sind (wie auch China, Iran, Südafrika, einige Staaten im Norden Afrikas sowie Mexiko und Indonesien). Venezuela, Suriname und Bolivien waren hingegen 2022 als einzige Länder Südamerikas der Staatengruppe mit mittlerem Entwicklungsstand zuzurechnen (wie Indien und einige Staaten des südlichen Afrikas).

Rohstoffe und Energieressourcen

Südamerika ist ein rohstoffreicher Kontinent. Entlang der Anden werden vor allem Bunt- und Edelmetallerze gefördert, während im Osten des Kontinents große Lagerstätten von Eisenerz, Mangan und Bauxit ausgebeutet werden. Auch bei zahlreichen Agrarprodukten wie Soja, Kaffee, Ananas, Bananen, Rind- und Geflügelfleisch und in der Fischerei nehmen südamerikanische Länder Spitzenpositionen ein. Der Rohstoffreichtum und die Agrarorientierung äußern sich im Außenhandel. Chile zum Beispiel erwirtschaftet über 80 Prozent seiner Exporterlöse mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln, in Ecuador sind es rund 90 Prozent und in Argentinien noch 50 Prozent, wobei dort der überwiegende Teil auf Nahrungsmittel entfällt. Die große Bedeutung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen für den Export und die Wirtschaft dieser Länder ähnelt Ländern wie Australien.

Die Energieversorgung beruht vor allem auf der Nutzung der Wasserkraft zur Stromerzeugung und auf einheimischen Erdöl- und Erdgasvorkommen. Viele Länder Südamerikas haben diese in den letzten Jahrzehnten erkundet und erschlossen, einige sind sogar zu Exporteuren geworden (s. 180.2), auch wenn die Mengen nicht mit denen der Erdölstaaten Westasiens vergleichbar sind. Eine Ausnahme stellt diesbezüglich Venezuela dar, das zu den Ländern mit den weltweit größten Erdölreserven zählt. Auch im Nachbarland Guyana wurden seit den 2010er-Jahren ergiebige Erdölvorkommen entdeckt, die dem Land zu einem enormen Wirtschaftswachstum verholfen haben.

Argentinien und Brasilien setzen zudem bei der Stromerzeugung auf die Kernkraft.

Siedlungsstrukturen, Wirtschaftszentren und Entwicklungstendenzen

Die Besiedlung der Staaten ohne Anteil an den Anden ist ausgesprochen küstenorientiert. Verkehrsgünstig am Atlantik liegen die großen brasilianischen Ballungsräume und Industriezentren São Paulo und Rio de Janeiro und die argentinische Metropole Buenos Aires, an der Pazifikküste stechen die chilenische Hauptstadt Santiago und die peruanische Hauptstadt Lima hervor. An den Küsten liegen auch die Häfen, über die zum Beispiel Agrarprodukte wie Bananen oder Soja und Rohstoffe wie Eisen- oder Kupfererz exportiert werden (z. B. Santos in Brasilien).

Die wirtschaftlich stärksten Staaten Südamerikas sind Brasilien und Argentinien. Die Konzentrationspunkte der Industrie liegen in den Städten am Rio de la Plata, in Pôrto Alegre, São Paulo und Rio de Janeiro an der Ostküste, an der Westküste können nur die Großräume Santiago und Lima konkurrieren. Die Industriestruktur ist an diesen Standorten weitgehend diversifiziert.

Auffällig ist, dass sich in fast allen Staaten Südamerikas die Industrie und damit auch die Arbeitsplätze auf wenige Zentren, oft gar nur auf die Hauptstadt-Agglomerationen konzentrieren (Primatstädte). Daraus resultieren erhebliche räumliche Disparitäten, die wiederum Auslöser von Migrationsbewegungen in den jeweiligen Ländern sind. Viele Menschen strömen auf der Suche nach Arbeitsplätzen und besseren Lebensbedingungen in die großen Städte. Zugleich sind aber auch, zum Beispiel in Brasilien, die noch nicht erschlossenen, dünn besiedelten Regionen im Landesinneren typische Wanderungsziele. Im Südosten Amazoniens ist die Erschließung solcher Gebiete am weitesten fortgeschritten (Bundesstaaten Maranhão, Pará, Mato Grosso). Als Leitlinie für die initiale Erschließung von Ackerland, Holzwirtschaft und Rohstoffen erweisen sich der Amazonas und seine Nebenflüsse, neu gebaute Bahnlinien und die großen Straßen (Transamazônica). Von Süden her wurden die ehemals bewaldeten Ebenen in eine offene Landschaft umgewandelt, die von der extensive Rinderhaltung und dem Anbau von Soja dominiert werden (vgl. 142.1).

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