Südostasien - Wirtschaft 2023

Südostasien - Wirtschaft
978-3-14-100900-2 | Seite 206 | Abb. 1| Maßstab 1 : 16000000

Überblick

Der Wirtschaftsraum Südostasien ist sehr kleinteilig und von vielen Inseln und Halbinseln geprägt. Der Anteil an Wasserflächen ist sehr hoch. Durch die Landschaftsstruktur mit Gebirgen und Vulkanen bleibt nur wenig Raum, um die Flächen trotz guter klimatischer Bedingungen landwirtschaftlich oder industriell zu nutzen.

Entwicklung

Über Jahrhunderte wurde die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Länder Südostasiens von europäischen, später auch US-amerikanischen Kolonialinteressen dominiert. Eine eigenständige nationale Entwicklung begann für die Staaten der Region erst nach ihrer Entlassung in die Unabhängigkeit nach 1945. Zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts und der politischen Stabilität gründeten Thailand, Indonesien, Malaysia, die Philippinen und Singapur 1967 die Association of Southeast Asian Nations (ASEAN), der später auch Vietnam, Kambodscha, Laos, Myanmar und Brunei beitraten. Timor-Leste ist als einziges Land Südostasiens noch kein Mitglied der ASEAN, hat aber 2011 die Aufnahme beantragt und 2022 einen Beobachterstatus erhalten. Die ASEAN die ihr Tätigkeitsfeld im Laufe der Zeit auch auf die Bereiche Sicherheits-, Kultur- und Umweltpolitik ausdehnte und 2009 die Gründung eines Wirtschaftsraums nach europäischem Vorbild beschloss, gilt heute als eines der erfolgreichsten Staatenbündnisse der Welt. Mit dem Inkrafttreten des Freihandelsabkommens RCEP 2022 sind neben den ASEAN-Staaten auch die Länder China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland wirtschaftlich verbunden.

Allerdings ist die Transformation der früheren Entwicklungsländer in moderne Industrienationen nicht überall in gleichem Maße geglückt. Ungeachtet vieler Fortschritte und Erfolge ist Südostasien ein sehr heterogener Wirtschaftsraum, wie der jährlich erscheinende Human Development Index (HDI) belegt. Demnach zählten 2021 Singapur (Rang 12) und Brunei (Rang 47) zu den Ländern mit „sehr hoher“ menschlicher Entwicklung – Singapur liegt noch vor Frankreich –, während Myanmar (Rang 147) zu den am wenigsten entwickelten Staaten der Erde gerechnet wird; die anderen ASEAN-Länder decken im HDI-Ranking die gesamte Bandbreite im Mittelfeld ab.

Wirtschaftliche Schwerpunkte nach Ländern

Singapur verfügt über eine hoch industrialisierte Wirtschaft, die durch internationale Vernetzung und steuerliche Anreize stark auf den Weltmarkt ausgerichtet ist. Zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen zählen die Elektronikbranche, gefolgt von der Biotechnologie, der Chemie, der Erdöl verarbeitenden Industrie und der Telekommunikation. Auch der Tourismus hat an internationaler Bedeutung gewonnen. In einigen Dienstleistungsbereichen, insbesondere bei Transport, Logistik und Finanzen, gilt Singapur über Südostasien hinaus als Drehscheibe von internationalem Rang. Perspektivisch erstrebt der flächenmäßig kleinste Staat Südostasiens eine Führungsposition in ausgewählten Spitzentechnologien wie der IT-, Bio- und Gentechnologie.

Die Wirtschaft Bruneis, gelegen im Nordwesten Borneos, ist fast vollständig auf die Produktion von Erdöl und Erdgas ausgerichtet. Die Einnahmen in diesem Sektor machen mehr als 90 Prozent der Exporteinkünfte aus und tragen zu rund zwei Dritteln zum BIP bei. Mehr als die Hälfte der einheimischen Erwerbsbevölkerung ist im öffentlichen Dienst tätig, in dem eine Überbeschäftigung vorliegt. Handwerkliche Tätigkeiten werden überwiegend von Arbeitsimmigranten aus den Philippinen, Thailand, Indonesien usw. übernommen. Arbeitsintensive Industrien sind in Brunei nach dem Niedergang der Textilindustrie nicht mehr vorhanden. Die Lebensmittel für die einheimische Bevölkerung werden zum überwiegenden Teil importiert.

Das durch den langjährigen Krieg schwer zerstörte Vietnam hat ab Ende der 1980er-Jahre einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung mit starken Wachstumsraten erlebt. Zu den wichtigsten Exportgütern zählen Produkte der Elektrotechnik, der Textil- und Bekleidungsindustrie, Maschinen sowie Nahrungsmittel (Fisch, Meeresfrüchte, Nüsse, Kaffee, Tee, Reis, Bananen usw.). Das wachsende Volkseinkommen ist allerdings zwischen Stadt und Land sehr ungleich verteilt. So konzentriert sich im Großraum Ho-Chi-Minh-Stadt rund ein Viertel der Wirtschaftskraft des gesamten Landes, während in den ländlichen Regionen, in denen rund 60 Prozent der Bevölkerung leben, nur etwa 20 Prozent des Volkseinkommens erwirtschaftet werden. Ein zweites wirtschaftliches Zentrum bildet die Hauptstadt Hanoi.

Malaysia hat sich dank eines anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs vom Rohstofflieferanten zu einem Industriestandort mit mittleren Durchschnittseinkommen entwickelt. Im Human Development Index belegt es Rang 62 (2021) und ist damit das drittplatzierte ASEAN-Land nach Singapur und Brunei. Die Wirtschaft ist stark exportorientiert: Malaysia liefert zum Beispiel Mikrochips und Solarzellen in die ganze Welt. Einen zweiten Schwerpunkt bilden Rohstoffe wie Erdöl und Palmöl. Die Exporte des staatseigenen Erdölkonzerns tragen zu den Staatseinnahmen bei. Die Palmölproduktion wird auf Kosten der Regenwälder betrieben. Zugleich gehört das Land zu den weltgrößten Kautschuk-Produzenten. So wird der globale Bedarf an Latex-Handschuhen von Malaysia abgedeckt, der infolge der Corona-Pandemie einen Boom erlebte.

Myanmar wurde noch bis 2010 von einer Militärregierung geführt, durch die das Land lange Zeit international isoliert war. Obwohl Myanmar dank ausgedehnter landwirtschaftlicher Nutzflächen und beachtlicher Vorräte an Erdgas, Hölzern, Edelsteinen, Kupfer und anderen Rohstoffen über ein enormes Potenzial verfügt, zählt es zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Korruption, Schmuggel und Schattenwirtschaft stellen ein großes Problem dar. Nach dem Inkrafttreten der Verfassung 2011 und der Aufhebung der EU-Sanktionen (mit Ausnahme des Waffenembargos) konnte sich das Land über demokratische Elemente entwickeln. In einem Putsch 2021 riss das Militär wieder die Staatsgewalt an sich.

Indonesien hat in den letzten Jahren einen starken ökonomischen Aufschwung erlebt. Das Land ist reich an Rohstoffen wie Erdgas, Öl, Zinn, Nickel, Kupfer, Bauxit und Gold, überdies ist es weltgrößter Exporteur von Kraftwerkskohle. Ein dominierender Faktor in der indonesischen Wirtschaft ist die Landwirtschaft. Das Land besitzt reiche Holzvorkommen, die hauptsächlich durch illegale Rodungen des Regenwaldes für den Export geschlagen werden und exportiert Agrarprodukte wie Palmöl, Kautschuk, Kakao, Tee, Kaffee und Tabak. Zugunsten der Palmölproduktion werden große Flächen des Regenwaldes geopfert. Weitere wichtige Industriezweige sind die Textil-, Bekleidungs- und Schuhindustrie, die Elektronikbranche sowie die Möbelherstellung. Die Metropolregion Jakarta ist ein Dienstleistungszentrum von internationalem Rang. Die Hauptstadt hat mit vielen Problemen zu kämpfen, weshalb die Planstadt Nusantara auf Borneo diese Funktion übernehmen soll.

Wichtigster Wirtschaftssektor in Thailand sind die Dienstleistungen mit einem Anteil von 57 Prozent am BIP, dicht gefolgt vom industriellen Sektor mit 35 Prozent; auf die Landwirtschaft entfallen 8 Prozent (Stand 2021). Wichtigste Exportgüter des Landes sind Automobile und Automobilteile, elektrische und elektronische Geräte, Maschinen und Geräte sowie chemische und landwirtschaftliche Produkte, insbesondere Kautschuk, Reis, Bananen, Ananas und Meeresfrüchte. Der Tourismus hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt und nimmt einen Anteil von etwa 20 Prozent am BIP ein. 2020 hatte der Tourismus durch die Corona-Pandemie Einbußen von 10 Prozent zu verzeichnen.

Wie in anderen ASEAN-Staaten weist auch die Wirtschaft der Philippinen eine für Schwellen- und Entwicklungsländer typische Zweiteilung auf: Auf der einen Seite gibt es eine moderne Elektronik-Industrie (z. B. Halbleiter und elektronische Bauteile) und einen boomenden Dienstleistungssektor (die Philippinen gelten inzwischen als weltweit größte Outsourcing-Destination für Callcenter vor Indien), auf der anderen Seite lebt ein großer Teil der Landbevölkerung noch immer von der Subsistenzlandwirtschaft. Das Land, das mit seinen Tausenden Inseln zahlreiche artenreiche Ökosysteme beherbergt, setzt verstärkt auf den Tourismus. Die Tourismusbranche ist nicht so bedeutend wie in Thailand, aber sie expandiert seit Jahren und beständig, erlitt mit der Corona-Pandemie aber auch einen extremen Einbruch. Um die Wirtschaft wiederzubeleben, setzt die Regierung auf Nachhaltigkeit, wie beim Ausbau der Infrastruktur und der erneuerbaren Energien.

Obgleich Kambodscha seine Armutsquote in den vergangenen Jahren deutlich senken konnte, gehört es noch immer zu den am wenigsten entwickelten Ländern (HDI-Rang 146) der Welt. Mängel der Infrastruktur, hohe Energiekosten, die Korruption und ein niedriges Ausbildungsniveau hemmen die wirtschaftliche Entwicklung. Die wichtigsten Industrieprodukte sind Textilien, Reiseartikel und Schuhe. China tritt als wichtiger Investor und Exportpartner auf. Produktionsstätten elektronischer Geräte und Fahrzeugteile werden errichtet und Reis, Maniok und Früchte exportiert.

Laos teilt mit Kambodscha sowohl einen niedrigen HDI-Rang, hier von 140, als auch die Probleme mit Infrastruktur und Korruption, treibt die Modernisierung seiner Wirtschaft aber entschlossener voran und konnte zuletzt ermutigende Wachstumsraten zwischen sieben und neun Prozent pro Jahr erzielen. Wichtigste Motoren der ökonomischen Entwicklung waren der Bergbau (Gold, Kupfer, Eisenerz), die Elektrizitätsgewinnung aus Wasserkraft, die Landwirtschaft (vorwiegend in der Mekongebene), der Holzwirtschaft und der zunehmende Tourismus. Energie wird aus der Wasserkraft gewonnen, der Strom exportiert. Ein neues Braunkohlekraftwerk ist im Norden errichtet worden. Mithilfe chinesischer Investoren gibt es vereinzelt Wind- und Sonnenenergienutzung.

Timor-Leste ist als einziges Land Südostasiens nicht Mitglied der ASEAN, hat aber 2011 die Aufnahme beantragt und 2022 den Beobachterstatus erhalten. Ein großer Teil der Beschäftigten lebt noch immer von der landwirtschaftlichen Subsistenzwirtschaft. Das wichtigste Exportgut ist mit etwa 70 Prozent am BIP das Erdöl. Landschaftliche Produkte sind der Kaffee, gefolgt von Vanille, Kakao und Erdnüssen. Der Tourismus bietet aufgrund der landschaftlichen Schönheit Osttimors ein bislang noch kaum ausgeschöpftes Potenzial, das die aktuelle Regierung fördern will.

Ziele wirtschaftlicher Entwicklung

Um sich noch stärker in die globalen Lieferketten einfügen zu können, haben die Staaten mehrere regionale und überregionale Freihandelsabkommen geschlossen. Das weltgrößte Abkommen trat 2022 mit der RCEP in Kraft. Südostasien ist verstärkt das Ziel für die aus China abwandernde Industrie.

Schlagworte


Diercke

PDF-Datei
Südostasien - Wirtschaft
Den didaktischen Kommentar zur Karte "Südostasien - Wirtschaft" herunterladen.
PDF-Datei
Ost- und Südostasien - Staaten
Die Kopierkarte "Ost- und Südostasien - Staaten" herunterladen.
PDF-Datei
Südostasien - Physische Übersicht
Die Kopierkarte "Südostasien - Physische Übersicht" herunterladen.