Überblick
Der Kampf mit dem Wasser ist seit jeher eine große Herausforderung für die Niederlande. Die zentralen und östlichen Landesteile erreichen zwar verbreitet Höhen von 10 bis 100 Metern über dem Meeresspiegel, doch nordwestlich der Linie Groningen–Zwolle–Utrecht–Breda würde die Landschaft bei jedem normalen Tidehochwasser weitflächig unter Wasser stehen, wenn es keine Deiche und Schöpfwerke geben würde. Fast alle hier gelegenen Gebiete, die mehr als ein Drittel der Staatsfläche ausmachen und auf denen rund zwei Drittel der niederländischen Bevölkerung leben, befinden sich nur ganz knapp über oder sogar unterhalb des Meeresspiegels. Als überflutungssicher gelten Flächen, die mehr als sieben Meter über dem Meeresspiegel liegen. Der Tiefstwert wird in dem bei Rotterdam gelegenen Dorf Nieuwerkerk aan den IJssel mit 6,74 Metern unter dem Meeresspiegel erreicht.Polder und Polderentwässerung
Permanent von Überflutung bedroht sind vor allem die ausgedehnten Polderflächen, die im Laufe der Jahrhunderte entlang der niederländischen Küste entstanden und zu denen auch die gesamte Provinz Flevoland im Süden des Ijsselmeers zählt. Polder, an der deutschen Nordseeküste auch als Koog bezeichnet, sind Salzmarschen, die vor allem zum Zweck der landwirtschaftlichen Nutzbarmachung entwässert wurden. Sie wurden vom Meer durch einen Deich mit eingebauten Schleusen („Sielen”) abgetrennt, durch die das Wasser aus den Entwässerungskanälen bei Ebbe zum Meer ausfließen konnte.
Die Aufgabe, das Wasser aus den Entwässerungsgräben in einen höher gelegenen Ablaufkanal zu pumpen, übernehmen heute nur noch selten die klassischen Windmühlen, sondern leistungskräftige Pump- oder Schöpfwerke. Diese erzeugen nicht unerhebliche Kosten, denn gemeinsam ist allen Poldern, dass ihr Grundwasserstand konstant künstlich reguliert werden muss. In den Niederlanden gibt es rund 4 000 Polder, die rund 10 Prozent der Landesfläche ausmachen. Aus diesen größtenteils unterhalb des Meeresspiegels liegenden Gebieten müssen jährlich 2,3 Mrd. Kubikmeter Wasser abgeschöpft werden, was einer täglichen Gesamtabfuhr von mehr als 6 Kubikkilometern Wasser entspricht. Diese Zahlen dürften sich bei weiter steigendem Meeresspiegel noch erhöhen. Um das Wassermanagement kümmern sich 21 Wasserbehörden.
Weitere Entwässerungsflächen
Die Entwässerungsflächen sind nicht auf die Polder beschränkt, sie sind um ein Vielfaches größer. Aus diesem Grund gibt es – abgesehen von den überflutungssicheren Landesflächen im Süden und Osten – im ganzen Land Pumpwerke, die im Dauerbetrieb arbeiten, um die Entwässerung des Landes sicherzustellen. Eine besonders starke Konzentration ist in den südlichen Niederlanden sowie entlang der großen Flüsse zu verzeichnen, denn die Hochwassergefährdung geht nicht nur von der Nordsee, sondern auch von Rhein; Maas und den Nebenflüssen aus.
Die Hochwassergefährdung an Flüssen ist wesentlich durch Menschen verursacht. Die Flussauen in den Niederlanden wurden schon früh durch Deiche begrenzt. Dadurch konnten die Ströme aber nur noch innerhalb der Deichgrenzen sedimentieren, wodurch ihre Sohlen immer höher wuchsen; im Westen des Landes liegen sie heute überall über dem Niveau des Umlands. Nach der Flutkatastrophe von 1953 wurden die Deiche um drei Meter erhöht. Verstärkt wurde die Hochwassergefahr in jüngster Zeit durch die Beschneidung vieler Flussauen, etwa am Oberlauf des Rheins, und durch Flächenversiegelung. Weil das Flusswasser nicht mehr ausweichen kann, fließt es weitgehend ungebremst stromabwärts. Die massive Häufung von Flusshochwassern seit den 1990er-Jahren geht nicht nur, aber zweifellos auch auf solche baulichen Eingriffe zurück.