Vom NS-Gau zum Saarstaat
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schien sich die Geschichte zu wiederholen: Auf Beschluss der Alliierten wurde das Saarland abermals von Deutschland abgetrennt und erneut dem Einflussbereich Frankreichs zugeschlagen. Jedoch ging es nicht mehr nur um das von Kohle und Stahl geprägte Industrierevier zwischen Saarlouis und Homburg. Und so wuchs ein deutlich nach Norden erweitertes Gebiet dem französischen Wirtschafts- und Währungsraum an, das im Wesentlichen den Grenzen des heutigen Bundeslandes entsprach. Unter politischem Aspekt gewann das Saarland dagegen erheblich an Unabhängigkeit. Als Schutzgebiet (Protektorat) Frankreichs sollte es ab 1947 sogar über ein begrenztes Maß an staatlicher Eigenständigkeit verfügen.
Unter eigener Flagge
Die bedingte Selbstständigkeit des jungen Saarstaates bezeugten Personalausweis, Flagge und Hymne sowie nicht zuletzt die Entsendung einer eigenen Fußballmannschaft zu den Weltmeisterschaftsspielen von 1954. Auch durfte die Bevölkerung mit Inkrafttreten der saarländischen Verfassung im Dezember 1947 wieder eine Regierung wählen. Gerade aber vor dem Hintergrund der gewährten Freiheiten machte sich die Verweigerung wichtiger Grundrechte, vor allem die nur eingeschränkte Meinungsfreiheit, umso schmerzhafter bemerkbar. Denn nach den Erfahrungen der NS-Diktatur misstraute die französische Regierung der jungen saarländischen Demokratie – sie war nur unter „pädagogischem Vorbehalt“ (Zitat des Historikers Armin Heinen) gewährt.
Zweite „Saarabstimmung“ (1955)
Aufgrund dieses Spannungsverhältnisses und angesichts des „Wirtschaftswunders“ in der Bundesrepublik fiel es der saarländischen Regierung immer schwerer, die Abhängigkeit von Frankreich gegen die prodeutsche Opposition zu verteidigen. Als Ausweg bot sich die Europäisierung des Saarlandes an, wie sie 1954 schließlich zwischen dem französischen Ministerpräsidenten und Konrad Adenauer vereinbart wurde (Europäisches Saarstatut). Zuvor aber sollte die Bevölkerung über die Pläne entscheiden, das Saarland künftig als außerstaatliches (supranationales) Gebiet der Westeuropäischen Union zu unterstellen: Mit 67,7 Prozent sprach sich eine klare Mehrheit der Stimmberechtigten nach einer beispiellosen Wahlschlacht im Oktober 1955 gegen diese Lösung aus. Doch war das Nein zu Europa eigentlich ein Ja zu Deutschland.