Überblick
Während 1950 noch rund 70 Prozent aller Menschen weltweit auf dem Land lebten, gab es 2006 erstmals in der Menschheitsgeschichte eine ebenso hohe Stadt- wie Landbevölkerung. Und dieser Trend zur Verstädterung setzte sich seitdem ungebrochen fort: 2023 lebten bereits 57 Prozent aller Menschen (4,65 Milliarden) in Städten, 2050 werden Stadtmenschen nach aktuellen Prognosen einen Anteil von 67 Prozent an der Weltbevölkerung haben.
Mega-Städte
Im Jahre 2005 wurden weltweit erstmals 20 sogenannte Megacities mit einer Bevölkerung von über 10 Mio. Menschen registriert. Bis 2025 ist die Zahl dieser Riesenstädte bereits auf 44 angewachsen. Mit 25 Mega-Städten liegen 57 % von ihnen in Asien (9 in Südasien, 4 in Südostasien, 1 in Westasien und 11 in Ostasien; s. 106.1), 21 % in Amerika (3 in Nordamerika, 1 in Mittelamerika, 5 in Südamerika) und jeweils 11 % in Europa (inkl. Istanbul) und Afrika (jeweils 5). Der bevölkerungskleinste Kontinent, Australien und Ozeanien, weist keine Mega-Stadt auf, verfügt aber mit dem australischen Sydney und Melbourne und ihren jeweils 5,2 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern immerhin über zwei bedeutende Metropolregionen. Insgesamt leben 2025 schätzungsweise rund 700 Millionen Menschen in Mega-Städten und damit knapp 9 % der Weltbevölkerung.
Die größte Mega-„Stadt“ ist das Perlflussdelta in China, wo in den vergangenen 40-50 Jahren mehrere Millionenstädte zu einem polyzentrischen „Mega-Ballungsraum“ mit einer Bevölkerung von 74 Millionen zusammengewachsen sind (s. 107.2). Ähnlich wie das Perlflussdelta ist auch der deutsche Rhein-Ruhr-Ballungsraum eine „echte“ polyzentrische Mega-Stadt (mit jedoch lediglich knapp 10 Mio. Menschen), in der es mehrere gleichwertige und ähnlich große Städte gibt, die meist eine gewisse Funktionsteilung untereinander entwickelt haben (so auch im Perlflussdelta). Als zweitgrößte Mega-Stadt gilt der Ballungsraum Tokio, in dem aktuell 37 Millionen Menschen leben, gefolgt von Delhi (34 Millionen) und Shanghai (30,5 Millionen). Wie auf dem Kartenbild gut zu sehen, befinden sich fast alle Megacities, die zwischen 2010 und 2025 ein deutlich überproportionales Wachstum verzeichneten, in Schwellenländern und Ländern des Globalen Südens, wo der Druck auf die Städte durch das Ineinanderfallen von Stadt-Land-Gefälle und Bevölkerungswachstum besonders hoch ist. Das wiederum führt dazu, dass immer mehr Menschen unter Bedingungen leben müssen, die sich durch extreme Armut, bedrückende Wohnverhältnisse, katastrophale hygienische Defizite und einen allgemeinen Mangel an Perspektiven auszeichnen.
Ein Merkmal insbesondere strukturschwacher Länder (aber nicht nur dieser) ist die Ausbildung von Primatstädten, einem urbanen Zentrum von überragender nationaler Bedeutung, das oft, aber keineswegs immer, mit der Hauptstadt identisch ist. Primatstädte zeichnen sich durch ein überdurchschnittliches Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum, zentrale Hauptstadt- und Handelsfunktionen und eine überregionale kulturelle Ausstrahlung aus. Überdies gibt es innerhalb des nationalen Städtesystems keine weiteren Städte von vergleichbarer Bedeutung – Primatstädte sind daher meist doppelt oder mehrfach so groß wie die nächsten Städte in der nationalen Bevölkerungsrangfolge. Dieses Phänomen lässt sich in jüngster Zeit vor allem in vielen afrikanischen Ländern wie Senegal, Liberia, Somalia oder Tschad beobachten, aber auch alte europäische Hauptstädte wie London und Paris haben wesentliche Züge einer solchen Primatstadt.