Überblick
Deutschlands mit Abstand meist verkaufte Blume, die Rose, stammt vor allem aus Kenia. Am Naivashasee, dem größten Blumenanbaugebiet Afrikas, werden zwei Drittel aller verkauften Rosen in Deutschland produziert. Die Region bietet hinsichtlich Lichtverhältnissen und Temperaturen zwar Standortvorteile, birgt allerdings auch einige Schattenseiten. Der Rosenanbau erfolgt unter enormem Wasserverbrauch – in einem Land mit Wasserknappheit. Durch die Expansion der Blumenfarmen kam es zu einer starken Verschmutzung des Naivashasees und zu Seespiegelschwankungen. Die dortige Zuwanderung und starkes Bevölkerungswachstum verschärfen die Problematik.
Anbaubedingungen
Der rund 180 Quadratkilometer große Naivashasee bietet mit einem konstant warmen Klima, nahegelegenen Geothermiefeldern und großen Süßwasserreserven optimale Bedingungen für einen ganzjährigen Rosenanbau, insbesondere in Folientreibhäusern. Der internationale Flughafen von Nairobi befindet sich nur 90 Kilometer entfernt, sodass angesichts der geringen Energie- und Transportkosten mit dem gleichen Kapital in Kenia sechs Hektar Rosen angebaut werden können, während es in den Niederlanden, einem der wichtigsten Blumenexporteure Europas, nur zwei wären. Inzwischen gibt es am Naivashasee mehr als 50 riesige Blumenfarmen mit rund 100 000 Arbeitsplätzen.
Soziale und ökologische Folgen
Rosen bestehen zu etwa 80 bis 90 Prozent aus Wasser und benötigen für ihren Anbau täglich etwa 60 Kubikmeter Wasser pro Hektar. Das natürlich verfügbare Wasser in der Naivasha-Region kann diesen Bedarf nicht mehr decken, die unkontrollierte Wasserentnahme führt zu Seespiegelschwankungen. In Kombination mit dem hohen Einsatz von Pestiziden sowie Pflanzenschutz- und Düngemitteln und angesichts der Farmgrößen zu seltenen Abwasserreinigungsanlagen führt dies zu einer Eutrophierung des Sees und damit zur Zerstörung der Lebensgrundlage der dort heimischen Tiere und Menschen (Fischfang).
Die Bewohner können ohnehin nur bedingt von den zahlreichen Arbeitsplätzen profitieren. Durch die starke Binnenmigration sind am Seeufer zahlreiche informelle Siedlungen entstanden. Es kommt zu Nutzungskonflikten zwischen der Bewässerungslandwirtschaft, der kommunalen Wasserversorgung und zunehmend auch mit dem Tourismussektor, der vor allem am nahegelegen Hell’s Gate National Park eine wichtige Einkommensquelle darstellt. Mit der Bevölkerungszahl stieg auch der Holzbedarf. Die Abholzung der bewaldeten Hänge – und damit von weiterem Lebensraum – war die Folge und resultierte zudem in erosionsbedingten Sedimenteinspülungen in den See.
Generell sind die Arbeitsbedingungen auf den Farmen oft prekär und gesundheitsgefährdend. Viele Arbeiterinnen und Arbeiter werden schlecht bezahlt, haben keine Festverträge und können sich deshalb keine dauerhafte Existenz aufbauen. Bei ihrer Arbeit sind sie Chemikalien ausgesetzt, die für den Anbau der Rosen in Monokultur unabdingbar sind. Entsprechende Schutzmaßnahmen sind dringend erforderlich, werden aber nur selten eingehalten.
Fair-Trade-Rosen
Aus diesem Grund haben Mitte der 1990er-Jahre Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, Blumenhändler und -produzenten verschiedene Programme begründet, deren Ziel die Verbesserung der Umwelt- und Sozialstandards in der weltweiten Blumenproduktion ist. Um dies zu erreichen, arbeiten sie unter anderem mit dem Instrument der Zertifizierung. Blumenfarmen, die nachweislich bestimmte Kriterien erfüllen, dürfen ihre Ware mit einem Gütesiegel versehen. Die Kriterien betreffen zum Beispiel folgende Kernpunkte: keine Kinder- und Zwangsarbeit, existenzsichernde Löhne, Gewerkschaftsfreiheit, Gesundheitsschutz, Verzicht auf hochgiftige Pestizide sowie verantwortungsvoller Umgang mit natürlichen Ressourcen.
Auf den Verkauf von Fair-Trade-Rosen spezialisiert hat sich beispielsweise die im Jahr 2000 gegründete Wildfire Flowers Farm (siehe Preisbeispiel) – mit Erfolg: Die Anzahl der Beschäftigten stieg von 300 auf über 600. Parallel dazu wurde auch die Anbaufläche von 17 Hektar auf fast 40 Hektar vergrößert. Dadurch konnte auch die Produktpalette erweitert werden. Zu dem anfänglichen Anbau von Sommerblumen kamen die für Ostafrika üblichen Rosen hinzu.
Trotz teilweise berechtigter Kritik an der Transparenz und Komplexität der Fair-Trade-Siegel können die Zertifizierungen wie diese zu einer ökologisch verträglicheren und sozial gerechteren Blumenerzeugung beitragen und in Kombination mit weiteren Maßnahmen – vor allem einem effektiveren Wassermanagement – für mehr Nachhaltigkeit beim Rosenanbau am Naivashasee sorgen.