Überblick
Die Grenzregion zwischen Chile, Bolivien und Argentinien zeichnet sich durch eine Vielfalt an Rohstoffvorkommen aus. In jüngster Zeit hat sich die Region zu einem Lithium-Dreieck entwickelt, in dem rund 70 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen lagern.Bergbau in der Region
Mineralische Rohstoffe spielen seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle in der Wirtschaftsstruktur Boliviens, Chiles und Argentiniens. In der Kolonialzeit wurde in Potosí im heutigen Bolivien die größte Silbermine der Welt ausgebeutet. Chiles Wirtschaft basiert bis heute auf seinen umfangreichen Kupfervorkommen, bereits 1860 stammten 40 Prozent des weltweit gehandelten Kupfers aus Chile. Im Norden des Landes wurde zudem in großem Ausmaß Salpeter abgebaut, welches sich unter den extrem ariden Bedingungen der Atacama-Wüste gebildet hatte. Salpeter diente nicht nur der Herstellung von Schießpulver, sondern ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch als wertvoller Dünger. Der lukrative Salpeterabbau in der fast menschenleeren ariden Grenzregion zwischen Chile, Bolivien und Peru wurde zum Streitfall, der 1879 bis 1883 im Salpeterkrieg gipfelte. Peru musste dabei einen Teil seines Südens an Chile abgeben, Bolivien verlor mit seiner Provinz Antofagasta den Zugang zum Meer. In Chile trug die Salpeterindustrie nach dem gewonnenen Krieg mit über 50 Prozent zum Exportvolumen bei und erreichte ihren Höhepunkt 1912 bis 1914, bevor sie mit der Entwicklung von künstlich hergestelltem Salpeter zusammenbrach und der Abbau von Kupfer wieder mehr an Bedeutung gewann. In Chuquicamata, der größten Kupfermine der Welt, wurde 1915 bis 2019 Kupfer im Tagebau gewonnen. Bei einer Teufe von rund 1 100 Metern konnte der Tagebaubetrieb wirtschaftlich nicht fortgesetzt werden, heute erfolgt er im Tiefbau-Verfahren. Die bis zu 15 000 Menschen der Bergbausiedlung Chuquicamata wurden aufgrund der hohen Arsenbelastung bereits 2004 bis 2007 in das rund 15 Kilometer entfernte Calama umgesiedelt.
Noch heute machen Rohstoffe zwei Drittel der Exporte Chiles aus, neben Kupfer und Lithium werden Eisen, Nitrate, Edelmetalle und Molybdän abgebaut. In Bolivien entfallen rund drei Viertel der Exporte auf mineralische Rohstoffe. Dagegen spielen mineralische Rohstoffe in Argentiniens Exporten gegenüber agrarischen Rohstoffen bisher eine untergeordnete Rolle, aber wie in Chile gewinnt der Abbau von Lithium auch in Argentinien immer mehr an Bedeutung.
Bedeutung von Lithium
Im Zuge des weltweiten Trends zur Elektromobilität und dem Ausstieg aus fossilen Energiequellen erlebt Lithium in den letzten Jahren einen regelrechten Boom. Gegenüber konventionellen Nickel-Batterien sind Lithium-Batterien leichter und langlebiger. Das Leichtmetall Lithium findet Verwendung in aufladbaren Akkus von Smartphones, Tablets und Laptops und vor allem in den Akkus von Elektrofahrzeugen. Für eine einzelne Elektroauto-Batterie werden rund zehn Kilogramm Lithium benötigt. Lithium ist im 21. Jahrhundert der mineralische Rohstoff mit den höchsten Zuwachsraten. Zwischen 2000 und 2020 wurde die weltweite Produktion um 582 Prozent gesteigert, alleine in den Jahren zwischen 2016 und 2020 stieg sie um 122 Prozent. Und das Wachstum wird sich fortsetzen: Nach Angaben der Deutschen Rohstoffagentur DERA soll die Nachfrage nach Lithium bis 2040 das 5,9-Fache von 2018 betragen.
Lithium kommt zum einen in Festgestein, zum anderen in Solen, salzhaltigen Lagunen, vor. 2020 wurden weltweit 185 850 Tonnen Lithium angebaut (s. 281.3). Größter Produzent ist Australien mit 47,6 Prozent der Weltproduktion, gefolgt von Chile mit 26,8 Prozent; Argentinien nimmt nach China Platz vier ein (6,8 % der Weltproduktion).
Lithium-Dreieck
In der Grenzregion zwischen Chile, Argentinien und Bolivien lagern rund 70 Prozent der weltweit bekannten Lithium-Vorkommen. Chile produzierte 2020 rund 50 000 Tonnen Lithium und verfügt über abbaubare Reserven von 9,2 Millionen Tonnen. Argentinien förderte 2020 rund 12 500 Tonnen Lithium, strebt aber in den nächsten Jahren eine sukzessive Steigerung der Produktion an. Zahlreiche Projekte mit ausländischen Beteiligungen aus den USA, China, Frankreich, Südkorea und England befinden sich derzeit im Bau oder sind in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. Bolivien besitzt mit rund 21 Millionen Tonnen die weltweit größten Lithiumressourcen, konnte aber bisher aufgrund der kaum vorhandenen Infrastruktur und fehlender Fachkräfte mit keiner bedeutenden Lithiumproduktion beginnen (s. Lithiumgewinnung in Südamerika, 246.1).
Während Lithium im derzeitig führenden Weltmarktproduzenten Australien über bergmännische Methoden aus lithiumhaltigen Gesteinen wie Spodumen und Petalit gewonnen wird, wird das Lithium in den andinen Hochebenen aus Salztonebenen (sogenannten Salaren) extrahiert. Salare sind trockengefallene Seen in Senken, wie sie in semiariden bis ariden Gebieten häufig auftreten. Bei der Lithiumgewinnung aus Salaren wird die lithiumhaltige Salzlake aus dem porösen Untergrund gepumpt und in große Becken geleitet. Mithilfe von Sonnenenergie verdampft das Wasser, sodass sich verschiedene Salz einschließlich Lithium an der Oberfläche ablagern. In einem weiteren Schritt wird das Lithium von den anderen Salzen getrennt. Im Vergleich zur bergmännischen Gewinnung hat die Gewinnung von Lithium aus Salzlaken einen deutlichen Kostenvorteil, die Kosten belaufen sich auf rund die Hälfte. Zwar ist die Gewinnung von Lithium aus Salaren technisch einfach und kostengünstig, doch birgt sie Probleme für die Umwelt und den Menschen. Das Abpumpen des Wassers aus den Salaren beeinträchtigt deren Größe und Form und es besteht die Gefahr der kompletten Austrocknung, mit entsprechenden negativen Folgen für Flora und Fauna. Zudem benötigt der Lithiumabbau große Mengen an Frischwasser. Die Entnahme des Grundwassers birgt die Gefahr des Absinkens des Grundwasserspiegels. Im Lithium-Dreieck leben rund 100 000 indigene Kollas und etwa 50 000 Atacameños, die von der Lithiumproduktion direkt oder indirekt betroffen sind. Das Absenken des Grundwassers, aber auch die Anlage der Infrastruktur für die Lithiumgewinnung einschließlich der Nutzung schweren Geräts und des Baus von Zubringerstraßen beeinträchtigen den Wirtschafts- und Lebensraum der Indigenen.