Überblick
Die Inga-Katarakte sind eine Serie von Stromschnellen des afrikanischen Flusses Kongo und in ihrer Gesamtheit auch als Livingstonefälle bekannt. Ihr enormes Energiepotenzial wird bislang nur von zwei vergleichsweise kleinen Wasserkraftwerken genutzt. Daher soll ein geplantes Megadamm-Projekt eine Schlüsselrolle für die Entwicklung der Demokratischen Republik Kongo spielen.Inga 1 und 2
Die Idee einer wirtschaftlichen Nutzung der Stromschnellen des Kongos wurde mit zunehmender Industrialisierung der Demokratischen Republik Kongo im 20. Jahrhundert interessant. Noch heute haben weniger als zehn Prozent der rund 86 Millionen Menschen umfassenden Bevölkerung Zugang zu Strom – der durchschnittliche jährliche Stromverbrauch pro Kopf ist in Deutschland fast 70 Mal höher. Auch vor diesem Hintergrund wurden die beiden heute bestehenden Staudämme Inga 1 und Inga 2 unter anderem mit Mitteln aus dem Europäischen Entwicklungsfonds finanziert. Inga 1 (Kapazität: 350 Megawatt) ging 1972 in Betrieb, rund zehn Jahre später folgte Inga 2 (Kapazität: 1 420 Megawatt).
Der Strom fließt zumeist durch eine Hochspannungsleitung nach Katanga im Süden des Landes, wo er teils den industriellen Bergbau versorgt, teils nach Südafrika exportiert wird. Für Kongos nahe Hauptstadt Kinshasa mit einer Bevölkerung von 11 Millionen Menschen bleibt kaum etwas übrig.
Trotz der Instandhaltung der Wasserkraftwerke mit Unterstützung der Weltbank und neu installierten Maschinen konnte jedoch weder Inga 1 noch Inga 2 die angestrebte Kapazität erreichen. Ein Grund war ihre zunehmende Verschlammung.
Strom für den halben Kontinent
Daher existiert seit mehr als 40 Jahren die Idee eines Mega-Staudammbaus am Unterlauf des Kongo-Flusses. Ein Netz von Staudämmen namens Grand Inga soll den Kongo-Fluss vollständig stauen und den halben Kontinent mit Elektrizität beliefern. Das Mega-Projekt sieht insgesamt bis zu acht Staustufen vor, deren Wasserkraftanlagen zusammengerechnet eine Kapazität von rund 44 Gigawatt hätten und um die 80 Milliarden US-Dollar kosten würden.
Aufgrund dieser enormen Kosten sind allerdings die Planungen für einen dritten Staudamm in direkter Nähe zu Inga 1 und Inga 2 seit der Jahrtausendwende schon wesentlich weiter fortgeschritten (nicht in der Karte abgebildet). Dieser soll zwischen 12 und 24 Milliarden US-Dollar Kosten und zumindest über eine Gesamtleistung von 4,8 Gigawatt verfügen. Erste Vereinbarungen gab es bereits, das südliche Afrika sollte mehr als die Hälfte des erzeugten Stroms kaufen und so den Bau mitfinanzieren. Doch nachdem sich die Weltbank 2016 aufgrund fehlender Machbarkeitsstudien und Vertragsverletzungen seitens der kongolesischen Regierung aus der Finanzierung zurückzog, gilt auch diese Finanzierung als ungesichert.
Kritik an dem Mega-Projekt
Als sicher gilt jedoch, dass jegliche Damm-Projekte mit massiven sozialen und ökologischen Folgen einhergehen würden. Die Zivilgesellschaft und lokale Bevölkerung wurde kaum an den Planungsprozessen beteiligt, gleichzeitig würde eine Realisierung aber mit einer Zwangsumsiedlung von tausenden landwirtschaftlichen Haushalten einhergehen. Zudem haben sich Großprojekte in der D. R. Kongo in der Vergangenheit als politisch sehr problematisch herausgestellt, da diese besonders anfällig für Korruption sind. Auch Arbeitsplätze würden durch den Bau nur verhältnismäßig wenige entstehen: Schätzungen gehen von nicht mehr als 6 000 aus, was angesichts der großflächigen Zerstörung von Lebens- und Kulturraum nicht viel ist.
Hinzu kommt, dass die Wasserkraftwerke für die nationale Stromversorgung nicht zwangsläufig nötig sind – zumal ein maßgeblicher Anteil ohnehin ins Ausland fließen würde. Die DR Kongo verfügt über große Potenziale für Photovoltaik und Windenergie.
Auch für die Biodiversität und Artenvielfalt entlang des Flusses könnten solche Mega-Projekte kritisch werden: Welche Folgen die Absenkung des Flussbettes und eine Verringerung der Fließgeschwindigkeit haben würden, ist unklar. Entsprechende Studien gibt es kaum.