Europa - Wetterlagen - Schönwetterlage

Europa - Wetter und Klimaänderungen
978-3-14-100919-4 | Seite 68 | Abb. 1 | Massstab 1 : 48000000

Überblick

Die Wettersituation über Europa wird im Wesentlichen von der Lage der Frontalzonen und der Verteilung der durch die Westwinddrift gesteuerten Drucksysteme (Hoch- und Tiefdruckgebiete) bestimmt. Die Definition einer Grosswetterlage (GWT) geht auf den deutschen Meteorologen Franz Baur zurück. Er bezeichnete als Grosswetterlage „die mittlere Luftdruckverteilung eines Grossraumes, mindestens von der Grösse Europas, während eines mehrtägigen Zeitraumes, in welchem gewisse Züge aufeinanderfolgender Wetterlagen gleichbleiben.“ (vgl. Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (Hg.), 2010: Katalog der Grosswetterlagen Europas 1881 – 2009, PIK-Report 119). Grosswetterlagen können demnach in lokalere Wetterlagen unterteilt werden, worauf hier jedoch nicht eingegangen wird. Die Begriffe werden nachfolgend der Einfachheit halber synonym verwendet. Je nach Literatur wird für den europäischen Raum eine Vielzahl an wiederkehrenden Grosswetterlagen ausgewiesen. In Karte 68.1 werden sechs typische Wetterlagen detaillierter betrachtet.

Südföhnlage (Oktober):

Südlagen treten gehäuft im Frühjahr und im Spätherbst auf. Bei dieser Wetterlage herrscht über Ost- und Südosteuropa idealtypisch hoher Luftdruck, während ein von Westen näherndes Tiefdruckgebiet zu tieferem Luftdruck über West- und Nordwesteuropa führt. Die dadurch entstehende Ausgleichsströmung von Süd-Südost nach Nord-Nordwest führt im Alpenraum zu Föhneffekten, in diesem Fall zu Südföhn (vgl. Karte 25.4 und 25.5). Die anströmende Luft wird an die Alpensüdseite gedrückt, was zu einem kleinräumigen Hochdruckgebiet über Norditalien führt. Der typisch gekrümmte Isobarenverlauf zwischen Luv- und Leeseite beidseits der Alpen wird umgangssprachlich als Föhnknie bezeichnet (vgl. Karte 24.3). Mit näherkommender Zyklone von Westen her verstärkt sich der Föhneffekt noch etwas im Vorfeld der herannahenden Kaltfront, man spricht von präfrontaler Südströmung oder präfrontalem Föhn. Sobald Ausläufer der Kaltfront den Alpenraum erreichen, kommt der Südföhn von West nach Ost innert kurzer Zeit zum Erliegen, die typischen Wolkenstrukturen des Föhns auf der Leeseite des Alpenkamms (Föhnlinsen) lösen sich auf und werden zunehmend durch Regenwolken abgelöst. Föhneffekte können auch in den Mittelgebirgen Deutschlands nachgewiesen werden.

Westwindlage (Februar):

Westwindlagen treten an rund 27 % der Tage im Jahr auf (vgl. Karte 69.5). Es ist damit die häufigste Grosswetterlage über Mitteleuropa, die während allen Jahreszeiten auftritt, gehäuft jedoch in den Wintermonaten sowie im Juli und August. Westwindlagen werden grossräumig durch das Islandtief über dem Nordatlantik und das Azorenhoch im Süden geprägt. Dazwischen bildet sich eine markante Westwindzone (zonale Zirkulationsform) aus, die sich vom Nordatlantik bis nach Mitteleuropa erstreckt und an den parallelliegenden Isobaren (Linien gleichen Drucks) erkennbar ist. Darin eingelagert entwickeln sich entlang des Polarfrontjets dynamische Tiefdruckwirbel aus, die Richtung Europa driften (vgl. Karte 69.3 und 69.4). Je näher die Isobaren beieinander liegen, desto grösser ist der Luftdruckgradient (Verhältnis Druckdifferenz zu gegebener Strecke) und damit die zu erwartende Windgeschwindigkeit. Die Wetterkarte zeigt das charakteristische Islandtief mit Kern nahe der Ostküste Islands und einen Ausläufer des Azorenhochs über der Iberischen Halbinsel, der bis in den Alpenraum reicht. Die Westwindzone erstreckt sich von den Britischen Inseln über Norddeutschland hinweg und bringt bei mässigem (4 Beaufort (Bft), Station in Irland) bis starkem Westwind (6 Beaufort (Bft), Wetterstation in Belgien) verhältnismässig milde Temperaturen bis nach Osteuropa. Während in Königsberg mit 4 °C positive Werte erreicht werden, liegen die Temperaturen sowohl nördlich (Oslo) wie auch südlich (Genf) tiefer. Die zügige Westwindströmung führt in rascher Abfolge kleinere (dynamische) Tiefdruckgebiete mit sich, Warm- und Kaltfronten wechseln sich ab, der Wettercharakter bleibt über Tage wechselhaft. Starker West- bis Nordwestwind kann im Zusammenspiel mit den Gezeiten zu Sturmfluten an der Nordseeküste führen. Über dem Alpenraum ist das Wetter hochdruckbestimmt, schwachwindig und der Himmel nahezu wolkenlos (Wetterstationen Genf und Venedig).

Staulage nördlich der Alpen (Mai):

Staulagen nördlich der Alpen bzw. Nordlagen führen in den Monaten April bis Juni häufig zu Kaltluftvorstössen bis weit in den Süden Europas, womit die frühsommerliche Erwärmung Kontinentaleuropas immer wieder unterbrochen wird. Die als „Eisheilige“ bezeichneten Tage sind auf das regelmässig wiederkehrende Vordringen kalter Luftmassen im Mai zurückzuführen, wobei das Hoch auch westlich der Britischen Inseln und das Tief über dem Ostseeraum liegen kann. Staulagen können teils zu anhaltenden Niederschlägen entlang der Alpennordseite führen. Die Intensität der Niederschläge, die im Winter den erwünschten Schnee für Tourismusorte bringen, nimmt mit zunehmender Distanz vom Alpenkamm gegen Norden hin ab und die Bewölkung ist in der Regel bereits über dem Jura aufgelockert. Die Wettersituation zeigt eine Hochdruckzone über Nordeuropa mit grösserem Kern über Skandinavien und kleinerem über Nordrussland. Ein gealtertes, schwach ausgeprägtes Tief ist über Polen zu erkennen, dessen langgezogene Kaltfront sich typischerweise an den Alpenbogen gelegt hat. Die Alpen mit ihrer Barrierewirkung verzögern den südwärts gerichteten Kaltluftvorstoss und es kommt infolge der Staulage zu entsprechenden Niederschlägen. Auf der Alpensüdseite stellt sich eine Nordföhnlage mit trockenadiabatischer Erwärmung der talwärts gerichteten Luftströmung ein, während die Kaltluft den Alpenbogen westlich und östlich umfliessen kann; entlang des französischen Rhonetals mündet sie schliesslich als Mistral in den Golfe du Lion bzw. tritt im weiteren zeitlichen Verlauf als Bora an der ostadriatischen Küste auf. Der über dem westlichen Mittelmeer herrschende Tiefdruck begünstigt zudem mit dem weiteren Vordringen der Kaltfront die Leezyklogenese (Bildung eines Tiefs im Lee eines Orogens) über dem Golf von Genua. Das daraus resultierende Genuatief kann innerhalb von wenigen Stunden entstehen und später durch die Feuchtigkeitsaufnahme über dem Mittelmeer zu teils ergiebigen Niederschlägen in den Ostalpen führen. Die weit nach Norden vorgedrungene Warmfront über Osteuropa und Russland beschert der Region besonders milde Temperaturen für die Jahreszeit (Moskau 22 °C), während über der Nord- und Ostsee zügige Ostwinde kühle Temperaturen nach Mitteleuropa bringen (Berlin und Kopenhagen 5 °C). In Genf ist eine leichte Bisentendenz auszumachen (vgl. auch Bisenlage).

Bisenlage (Dezember):

Nordostlagen werden in der Schweiz traditionell Bisenlagen genannt (vgl. Karte 25.4 und 25.5) und treten zu allen Jahreszeiten auf. Charakteristisch sind trockene, kontinentale Luftmassen aus östlich-nordöstlicher Richtung, die zwischen Alpenkamm und Jura kanalisiert und aufgrund der horizontalen Einengung des Schweizer Mittellands gegen Westen hin beschleunigt werden. Verantwortlich für Bisenlagen sind hoher Luftdruck über Nord- oder Osteuropa und tiefer Druck im Bereich der Iberischen Halbinsel oder des westlichen Mittelmeerraums. Bisenlagen stellen sich oftmals nach dem Durchgang von markanten Kaltfronten ein. Insbesondere im Winterhalbjahr tritt die Bise häufig als beissend kalter Wind auf, während sie im Hochsommer warme bis heisse Kontinentalluft heranführen kann. Eine regelmässige Begleiterscheinung zur kalten Jahreszeit stellt die Bildung einer Hochnebelschicht (Stratuswolken) über dem Mittelland aber auch über Süddeutschland dar, welche sich infolge der negativen Strahlungsbilanz, hervorgerufen durch den tiefen Sonnenstand und die längeren Nächte, meist nicht aufzulösen vermag. Kommt Mitteleuropa nachfolgend unter Hochdruckeinfluss, erwärmt sich als Folge der Subsidenz (grossräumig absinkende Luftmassen bei gleichzeitiger Erwärmung) meist die über dem Hochnebel liegende Luftschicht, während unterhalb die schwere, kalte Luft liegen bleibt. Solche Inversionslagen sind sehr stabil und können über viele Tage anhalten. In der Wetterkarte ist das markante Hoch mit einem Kerndruck von über 1055 Hektopascal (hPa) über Russland zu erkennen. Es handelt sich jahreszeitbedingt um einen westlichen Ausläufer des zumeist beständigen Kältehochs über Sibirien und der Mongolei. Entsprechend tief ist die Temperatur in Moskau mit -28 °C, welche deutlich unter dem langjährigen Mittelwert liegt. An seiner Südwestflanke strömen kalte Luftmassen nach Westen und bescheren weiten Teilen Europas tiefe Temperaturen und Winde aus östlicher Richtung. Selbst an der französischen Atlantikküste liegen die Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt (vgl. Wetterstation Brest 1 °C). Im Schweizer Mittelland dreht der Wind infolge der orographischen Erhebungen von Jura und Alpen in Bodennähe auf Nordost und wird zur Bise (vgl. Wetterstation Genf). Kleine Tiefdruckgebiete liegen westlich von Portugal und über dem westlichen Mittelmeer. Ihr Einfluss ist lokal beschränkt und bringt dem Süden der Iberischen Halbinsel im Wesentlichen eine geschlossene Wolkendecke (vgl. Wetterstationen Lissabon und Almeria).

Gewitterlage (Juni):

Geringe Druckunterschiede über West- und Mitteleuropa werden als flache Druckverteilung bezeichnet, die in den Sommermonaten aufgrund der Sonneneinstrahlung und der dadurch verursachten thermischen Konvektion (vertikale Luftbewegung) die Bildung von Gewittern begünstigt. Daher werden solche Wetterlagen auch als Gewitterlagen bezeichnet. Flache Druckverteilungen sind auf Wetterkarten anhand des verhältnismässig grossen Abstands zwischen den einzelnen Isobaren erkennbar, Druckkerne sind wenig ausgeprägt. Bedingt durch die geringen Druckunterschiede herrschen grossräumig meist schwachwindige bis windstille Verhältnisse, wodurch sich bei entsprechender Sonneneinstrahlung die thermische Konvektion besonders ausprägen und bei genügend labiler Schichtung und vorhandener Feuchtigkeit zu lokalen Wärmegewittern führen kann. Auch eine herannahende Kaltfront führt zu Vertikalhebungen und insbesondere in den Sommermonaten häufig zu Frontgewittern. Die Situation in der Wetterkarte zeigt eine flache Druckverteilung über weiten Teilen Europas. Die meisten Wetterstationen in Mittel- und Südeuropa melden wolkenlosen Himmel bei schwachwindigen Verhältnissen. Von Westen her nähert sich eine schwache Kaltfront, die zu einem kleinen Tief über der Nordsee gehört. Im Vorfeld der Front sickert feuchte Luft ein und es kommt zu konvektiver Bewölkung (Wetterstationen Valencia und Ostende). Kommt die Kaltfront weiter nach Osten voran, ist mit Gewittern über Mitteleuropa zu rechnen.

Schönwetterlage (August):

Mit Schönwetterlagen sind in der Regel Hochdrucklagen über Mitteleuropa und dem Alpenraum gemeint, obwohl „schönes“ (wolkenloses) Wetter nicht ausschliesslich mit hohem Luftdruck korreliert. Je nach Jahreszeit und Lage des Jetstreams (vgl. Karte 69.3) sind die Auswirkungen auf die lokale Wettersituation unterschiedlich. Während Hochdrucklagen im Hochsommer meist überdurchschnittliche Temperaturen bei wolkenarmem bis wolkenlosem Himmel mit sich bringen, kann die gleiche Wetterlage im Winter infolge der negativen Strahlungsbilanz die Bildung von Inversionslagen mit Hochnebel und damit tiefen Bodentemperaturen begünstigen (vgl. Bisenlage). In den Herbstmonaten treten stabile Hochdrucklagen (Omegalagen) gehäuft auf, was sich hinter dem Begriff „Altweibersommer“, dem europäischen Äquivalent zum nordamerikanischen „Indian Summer“, verbirgt. Die Druckverteilung in der Wetterkarte zeigt ein Hochdruckgebiet mit Kern über der Ostsee und eine Zone tieferen Drucks nördlich der Britischen Inseln. Die zum schwachen Tief gehörende Kaltfront erstreckt sich südwärts bis zu den Kanaren. Insgesamt ist das Wetter über Ost- und Mitteleuropa hochdruckbestimmt, obwohl gesamthaft betrachtet die Druckunterschiede eher gering sind. Die meisten Wetterstationen in Mitteleuropa melden wolkenlosen Himmel (z. B. Venedig, Ostende und Berlin), während weiter östlich teils geschlossene Wolkenbedeckungen gemeldet werden (z. B. Königsberg). Aufgrund der Jahreszeit (Sonneneinstrahlung) und des eher schwach ausgeprägten Hochdruckgebiets ist anzunehmen, dass es sich dabei um konvektive Bewölkung handelt. Schwächt sich das Hoch in den folgenden Tagen ab und rückt die Kaltfront etwas weiter nach Osten voran, sickert kühlere Luft in die unteren Atmosphärenschichten ein und es ist mit Gewittern über Mitteleuropa und der Schweiz zu rechnen (vgl. Gewitterlage).

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Diercke

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