Überblick
Shannon liegt im agrarisch geprägten Westen der Republik Irland, 220 Kilometer von der Hauptstadt Dublin und 25 Kilometer von der Provinzhauptstadt Limerick entfernt. 1939 wurde hier ein speziell für den transatlantischen Flugverkehr ausgerichteter Flughafen in Betrieb genommen, der 1947 zum ersten „Duty-free Airport“ weltweit wurde. Ab 1958 kam dann ein Industriepark in der 1959 gegründeten, weltweit als erste angesehenen Freihandelszone hinzu, der in unmittelbarer Nachbarschaft Flughafen Shannon errichtet wurde. Ein weiterer Industriepark in der Free Zone East folgte einige Jahre später.
Ein wichtiges Ziel bei der Anlage des Industrieparks war es, die Zukunft des Flughafens zu sichern, der durch die immer grössere Reichweite moderner Flugzeuge seine einstige Bedeutung als Stützpunkt für Transatlantikflüge immer stärker verlor. Die Erhaltung war umso wichtiger, als die irische Wirtschaftsförderungsagentur das raumplanerische Ziel verfolgte, die ökonomische Entwicklung speziell im agrarischen Westen, der „Peripherie in der Peripherie“, durch gezielte Regionalpolitik voranzutreiben.
Wachstum
Bereits in der ersten Dekade entstanden in der Shannon Free Zone etwa 4 000 Arbeitsplätze. Nach einem kurzen Einbruch und konjunkturellen Schwankungen legte die Zahl der Beschäftigten ab Mitte der 1980er-Jahre weiter zu, in der grössten Boom-Phase unmittelbar vor der Jahrtausendwende stieg sie auf weit über 7 000. Ab 2009 machten sich die globale Finanzkrise und die Eurokrise bemerkbar. Heute bieten 170 Unternehmen rund 8 000 Arbeitsplätze.
Die Anziehungskraft der Shannon Free Zone mit ihren Industrieparks äusserte sich auch darin, dass ab 1960 unmittelbar angrenzend eine neue Stadt nach dem Konzept der britischen „New Towns“ entstand. Während in der Frühphase des Wachstumspols noch Pendler überwogen, wuchs Shannon Town so schnell, dass die Zahl seiner Einwohner schon Mitte der 1970er-Jahre die der Beschäftigten überschritt. Mitte der 1990er-Jahre stagnierte das Stadtwachstum, weil das nahe gelegene Limerick für viele leitende Angestellte attraktiver wurde, doch ab Mitte der 2000er-Jahre legte die Einwohnerzahl auf heute 10 000 wieder zu.
Internationaler Standort
Irland als wenig industrialisiertem Land war in der Gründungsphase daran gelegen, mit dem Industriepark und dem Standortvorteil einer Freihandelszone (in der Importe und Exporte zollfrei blieben), Know-how aus dem Ausland anzuziehen. Die Flughafennähe lockte zunächst Unternehmen aus den Bereichen Maschinenbau und Feinmechanik, Elektronik und Luftfahrttechnik an. Im Lauf der Jahre kamen Software- und Computerfirmen, Logistik- und Medienunternehmen und andere Dienstleister hinzu.
Auffallend ist, dass sich die Betriebe nur zum Teil in irischem Besitz befinden; überwiegend handelt es sich um Unternehmen mit Hauptsitz im restlichen Europa bzw. in Nordamerika. Wichtige Gründe für deren Standortwahl war zumeist, dass sie mit dem Standort Shannon einen zollfreien Zugang zum europäischen Markt erhielten, dass sie von den Vorteilen der Freihandelszone profitieren konnten und nicht zuletzt, dass Englisch gesprochen wird. Hinzu kam die für Unternehmen sehr vorteilhafte Steuergesetzgebung in Irland.
Entwicklungspol
Free Zone und Shannon Town wurden als regionaler Entwicklungspol zur Förderung des irischen Westens gegründet. Diese Intention konnte nur erfolgreich sein, weil der Standort auch aus unternehmerischer Sicht Vorteile bot: eine für ausländische Firmen günstige Verkehrslage am Flughafen, Steuerbefreiungen und staatliche Wirtschaftsförderung bzw. Subventionen sowie ein gut ausgebildetes Arbeitskräftepotenzial, das durch die Anlage von Shannon Town in der Region gehalten werden konnte oder hierhin umsiedelte.
Daneben bot der Industriepark vor allem kleineren und mittelständischen Unternehmen eine Reihe von Vorteilen, etwa durch Mietfabriken und eine gute infrastrukturelle Erschliessung (Verkehrsanbindung, Energieversorgung, Abfallentsorgung). Auch spielte die Realisierung von ökonomischen Effekten, die sonst nur in Grossbetrieben möglich sind, eine Rolle, z. B. durch Einrichtungen zur gemeinsamen Nutzung wie Kantinen oder Lehrwerkstätten.
Die Shannon Free Zone hat als Entwicklungspol aber auch eine globale Bedeutung: Bereits in den 1960er Jahren unterstützen Mitarbeiter die Gründung weiterer Freihandelszonen in einigen Staaten Südostasiens (z. B. Taiwan und Malaysia). Dies war auch deshalb möglich, weil Irland als politisch neutrales und erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Grossbritannien „entkolonialisiertes Land“ ein hohes Ansehen in den vielen neuen Staaten Afrikas, Asiens und Ozeaniens besass. Diese Wahrnehmung reichte sogar bis in sozialistisch-kommunistisch ausgerichtete Staaten hinein. So besuchte eine chinesische Delegation unter der Führung des späteren Staatspräsidenten Jiang Zemin die Freihandelszone Shannon in den 1980er Jahren und studierte dort ausführlich deren Grundlagen und Konzepte. Nach ihrer Rückkehr eröffnete wenig später die erste chinesische Sonderwirtschaftszone in Shenzhen. Ebenso nahmen die Weltbank und andere internationale Organisationen die Idee der Freihandelszone grundsätzlich auf und verbreiteten sie im Rahmen von Programmen zur Entwicklungszusammenarbeit. Insofern ist die Freihandelszone von Shannon bedeutsam für die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Staaten jenseits der „klassischen“ Industrieländer und für den Prozess der Globalisierung generell.