Kaliforniens Wasserversorgung in Gefahr? Fallbeispiel: Yosemite Nationalpark
Autor:
Björn Richter Redakteur für Katographie, Westermann Schulbuchverlag
In den vergangenen Monaten wurde in den Medien immer wieder von Trockenheit, Dürre und Waldbränden in Kalifornien berichtet. Bisher galt die bis zu 4000 m hohe Sierra Nevada als zuverlässiger Regenfänger im Luv der pazifischen Windsysteme und als Wasserspeicher in Form von Schnee. Nur dadurch konnte sich die intensive Bewässerungslandwirtschaft im Kalifornischen Längstal entwickeln. Mitten in der Sierra Nevada liegt der weltbekannte Yosemite Nationalpark, dessen anthropogen weitgehend unbeeinflusste Wasserführung vor diesem Hintergrund beispielhaft untersucht werden soll.
Der Yosemite Nationalpark wurde vor 125 Jahren gegründet, ist mit 3081 km2 größer als das Saarland und als zentrales Gebiet der Sierra Nevada Teil des Wasserspeichers für eine der produktivsten Agrarregionen der Welt: das Kalifornische Längstal. Ein hoch technisiertes Bewässerungssystem mit zahlreichen Stauseen, Bewässerungskanälen und Wasserleitungen versorgt diese Region sowie die umliegenden städtischen Zentren mit Wasser aus den Bergen der Sierra Nevada. Im vorliegenden Unterrichtsbeispiel untersuchen die Schüler u. a. die jahreszeitliche und langjährige Veränderung der Wasserführung des Merced River, der den Yosemite Nationalpark entwässert. Das Beispiel basiert auf Materialien und Daten der National- Park-Service-Webseite (s. Kasten), wurde aber vor dem Hintergrund der lang anhaltenden Dürre in Kalifornien weiterentwickelt.
Das Thema im Unterricht
Voraussetzungen
M1 - M7 können auf dem Arbeitsblatt gefunden werden.
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Einstieg
Berichten Sie den Schülern von der extremen Trockenheit, verbunden mit Waldbränden und Wassermangel, in den Jahren 2014 und 2015 in Kalifornien. Sie können dazu auch einige Zeitungsschlagzeilen anschreiben (z. B. „Kalifornien muss sparen – am Wasser“, „Kalifornien sehnt sich nach Wasser“, „Trockenheit, Feuer und Tod – Kalifornien im Griff der Dürre“). Daraus ergibt sich die Frage nach den Ursachen, die im Folgenden am Beispiel des Yosemite Nationalparks näher untersucht werden sollen.
Schritt 1: Wasser aus dem Yosemite Nationalpark
Nach einer kurzen topographischen Orientierung (Aufgabe 1a) untersuchen die Schüler die Wasserführung im Merced River, der das Yosemite Valley, den touristischen Kernbereich des Nationalparks, durchfließt und früher glazial geformt hat. Dabei stellen sie gemeinsam klimatische und umweltbezogene Einflussfaktoren zusammen, welche die Abflussmenge am Oberlauf des Merced River bestimmen könnten (Aufgabe 1b). Dazu verwenden sie die Karte zum Yosemite (M1 ➞ Höhenstruktur, Relief und Vegetationsbedeckung) sowie die Kalifornien- Übersichtskarten zur Landwirtschaft (M2 ➞ Lage) und zur Wasserwirtschaft (M3 ➞ Niederschläge, Wasserspeicher und -transport). Bei der Auswertung der Karten lässt sich der Diercke Weltatlas digital gut einsetzen, indem die Schüler beispielsweise den Zusammenhang zwischen Relief und Gewässernetz isoliert betrachten.
Schritt 2: Abflussdiagramme erzeugen
Nun zeichnen sechs Schülergruppen anhand der Daten in M4 jeweils einen Jahresgang für die Wasserführung im Merced River aus den Jahren 2009–2018 als Liniendiagramm (Aufgabe 2a). Dabei sollte die Y-Achse zur besseren Vergleichbarkeit bis 140 m3/s, dem Maximum in diesem Zeitraum, skaliert sein. Eine weitere, besonders leistungsstarke Gruppe kann die Werte aus M4 in einem Diagramm für alle Jahre zusammenstellen. Das sollte dann folgendermaßen aussehen:
Schritt 3: Ergebnisse analysieren
Die Graphen werden im Unterrichtsgespräch gegenübergestellt und miteinander verglichen (Aufgabe 2b). Dabei ist das Diagramm der siebten Gruppe besonders hilfreich. Wesentliches Ergebnis der unterrichtlichen Betrachtung ist der „Stream Flow Peak“ zwischen Mai und Juni, der die restlichen Monatswerte im Jahr um ein Vielfaches übersteigt, sowie der markante Rückgang der Wasserführung zwischen 2011 und 2014.
Schritt 4: Schnee als Wasserspeicher
Die Ursachen für diese Ergebnisse können nun mittels Vernetzung von M2–M5 von den Schülern erarbeitet werden (Aufgabe 3). Aus der Landwirtschafts- und der Wasserwirtschaftskarte zu Kalifornien (M2, M3) kann die regionale Niederschlagsverteilung mit Blick auf Küstennähe, Höhe über NN und Nord-/ Süd-Gradient erarbeitet werden, wobei die Ebenen-Auslichtung im Diercke Weltatlas digital erneut den Blick der Schüler auf genau diese Inhalte und die Lage des Nationalparks in Kalifornien fokussiert.
Die Niederschlagsdiagramme von Sacramento (M3) und Yosemite Valley (M5) geben darüber hinaus Aufschluss über den Jahresgang des Niederschlags und hier insbesondere die Hauptniederschlagsmonate November bis März. Die Schüler erkennen, dass diese Phase nicht mit der höchsten Wasserführung im Merced River deckungsgleich ist, die recht unabhängig vom Abflussniveau für alle Jahre zwischen 2013 und 2018 zwischen März und Juni liegt. Erklärt werden kann dies durch die vorübergehende Speicherung von Niederschlag in Form von Schnee und Eis in höheren Lagen, der bzw. das durch ansteigende Temperaturen zeitlich versetzt im späten Frühling wieder abfließt. Dazu passt, dass der Nationalpark laut Wasserwirtschaftskarte (M3) vollständig im Bereich mit „mehr als 20 Tagen Schneefall im Jahr“ liegt.
Schritt 5: Snow Drought
Die Fotocollage mit der Schneebedeckung 2013–2018 im Yosemite Nationalpark rund um den markanten Half Dome (M6) verbildlicht die „Schneedürre“ (Snow Drought) der vergangenen Jahre. Wichtige Hintergründe dazu erfahren die Schüler aus dem Artikel der britischen Tageszeitung The Guardian (M7), der die Bedeutung des Schneefalls für die Wasserversorgung in Kalifornien ausführlich darstellt und in einen klimahistorischen Kontext einordnet. Unterstützt wird dies durch die in Diagramm M8 erkennbaren Abweichungen in der Wasserführung des Merced Rivers vom langjährigen Mittel 1960 –2018. Hier zeigen sich mehrere Niedrigabflussphasen, die auf ähnliche klimatische Bedingungen hinweisen, wie sie 2014/2015 gegeben waren (vgl. M7). (Aufgabe 4–6)
Die Diercke Atlanten bieten einige großformatige Karten mit Beimaterial zu bedeutenden Nationalparks der USA, die auf unterschiedliche Weise spektakuläre geologische Formationen aufweisen und zum UNESCO-Welterbe der Menschheit zählen: – der durch Flusserosion entstandene Grand Canyon Nationalpark in Arizona – der vulkanisch geprägte und weltweit erste Yellowstone Nationalpark in Wyoming (Diercke Regionalatlas Angloamerika, S. 13.2, 13.3, 13.4; ♦ Diercke International Atlas, S. 144.1, 144.2, 145.3) – der glazial geprägte Yosemite Nationalpark in Kalifornien . Die Karten zeichnen sich durch ein hohes Motivationspotenzial für Schüler aus. Mit ihnen lassen sich Nutzungskonflikte zwischen Naturschutz und Tourismus, einem Kernthema des Geographieunterrichts, behandeln und Nationalparks als historische Idee zum Landschaftsschutz im Sinne einer nachhaltigen Ressourcenschonung kennenlernen. Darüber hinaus können in diesen von Besiedlung und anthropogenen Einflüssen freien Räumen Klimavariabilität und Klimaveränderungen sehr gut abgelesen werden. Auf der Webseite des US-National Park Service finden sich unter http://www.nps.gov/teachers/index.htm interessante, an Lehrkräfte gerichtete Unterrichtsvorschläge und -materialien, die sich im bilingualen Erdkundeunterricht optimal einsetzen lassen, aber auch für den deutschsprachigen Unterricht ohne größeren Aufwand nutzbar sind.