Standort von internationalen Organisationen und Konferenzen
Die Schweiz hat bis heute mit 25 internationalen Organisationen ein Sitzabkommen abgeschlossen. Davon befinden sich 22 in Genf, zwei in Bern und eine in Basel. Zudem ist die Schweiz auch Sitz von rund 250 Nichtregierungsorganisationen, die bei den Vereinten Nationen einen beratenden Status haben. Auch diese Organisationen befinden sich zu einem grossen Teil in Genf und damit in räumlicher Nähe zu den Vereinten Nationen. Eine Auswahl der Organisationen ist in der Karte eingezeichnet.
UNO-Organisationen, z. T. Sonderorganisationen:
International Bureau of Education, United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO (IBE)) = Internationales Büro für Bildung, Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur
International Labour Organization (ILO) = Internationale Arbeitsorganisation
International Telecommunication Union (ITU) = Internationale Fernmeldeunion
United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) = Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen
United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) = Europäische Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen
Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR) = Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte
United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) = Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen
United Nations International Children's Emergency Fund (UNICEF), Regional Office for Europe and Central Asia = Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, Regionalbüro für Europa und Zentralasien
United Nations Office at Geneva (UN) = Büro der Vereinten Nationen in Genf
Joint United Nations Programme on HIV/AIDS (UNAIDS) = Gemeinsames Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids
World Health Organization (WHO) = Weltgesundheitsorganisation
World Intellectual Property Organization (WIPO) = Weltorganisation für geistiges Eigentum
World Meteorological Union (WMO) = Weltorganisation für Meteorologie
Sonstige internationale Organisationen:
Conseil européen pour la recherche nucléaire (CERN) = Europäische Organisation für Kernforschung
International Air Transport Association (IATA) = Internationale Luftverkehrsvereinigung
International Committee of the Red Cross (ICRC) = Internationales Komitee vom Roten Kreuz
International Electrotechnical Commission (IEC) = Internationale Elektrotechnische Kommission
International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (IFRC) = Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften
International Civil Defence Organisation (ICDO) = Internationale Organisation für Zivilschutz/Zivilverteidigung
International Organization for Migration (IOM) = Internationale Organisation für Migration
International Organization for Standardization (ISO) = Internationale Organisation für Standardisierung
International Trade Centre (ITC) = Internationales Handelszentrum
World Council of Church (WCC) = Ökumenischer Rat der Kirchen
World Trade Organization (WTO) = Welthandelsorganisation
Die internationalen Organisationen konzentrieren sich im nördlichen Genf sowie in den sich direkt anschliessenden Vororten Le Grand-Saconnex und Pregny-Chambésy. Von diesem Bereich aus sind alle wichtigsten Verkehrsträger optimal erreichbar, nämlich der Hauptbahnhof, der internationale Flughafen Genf-Cointrin und die Autobahn. Trotz der verkehrsgünstigen Lage gehört dieses Quartier jedoch zu den ruhigeren in der Agglomeration Genf. Die unmittelbare Nähe des Sees, die zahlreichen Park- und Grünanlagen sowie die fehlenden Industrien liessen diesen Stadtteil schon früh zu einer bevorzugten Wohnlage werden.
Die Bedeutung der Internationalität kann auch aus der Anzahl der bei internationalen Organisationen Beschäftigten (Grösse der Signaturen) abgelesen werden. Sie machen zwar nur 8 % der Arbeitsplätze aus, zusammen mit den ebenfalls international geprägten Bereichen Verkehr, Banken und Informationstechnik steigt der Anteil jedoch auf über 30 %.
Die zahlreichen internationalen Organisationen bringen auch einen entsprechenden Tagungstourismus mit sich. Genf ist das weltweit aktivste Zentrum der multilateralen Diplomatie. An den jährlich über 2 700 Konferenzen und Sitzungen nehmen insgesamt rund 200 000 Delegierte aus allen Kontinenten teil. Dies schlägt sich auch in den Übernachtungszahlen nieder. Der Kanton Genf verzeichnete 2023 3 553 303 Gästeübernachtungen, wovon alleine 2 252 671 auf die Stadt Genf entfallen (63,4 %). Damit ist Genf (nach Zürich) die zweitgrösste Tourismusgemeinde der Schweiz (zur saisonalen Verteilung vergleiche Karte 50.1).
Wichtiger Finanzplatz und bedeutender Standort der Uhrenindustrie
Neben dem auf internationale Organisationen, Tagungen und Messen (z. B. Genfer Autosalon) zurückgehenden Tourismus, ist auch die Rolle Genfs als internationaler Finanzplatz und herausragender Standort der hochwertigen Uhrenindustrie hervorzuheben (vgl. auch Wirtschaftskarte Seite 36.1). In Genf wird ungefähr ein Drittel des weltweit frei gehandelten Rohöls, Zuckers, Getreide und Ölsaaten gehandelt, etwa ein Fünftel der Baumwolle. Weitere bedeutende Handelsrohstoffe sind Stahl, Kaffee und Strom. In Genf hat die weltweit grösste Container-Reederei MSC (Mediterranean Shipping Company) ihren Sitz, ebenso wie zahlreichen Banken und Versicherungen. Genf ist ein bedeutender Finanzplatz für die Verwaltung privater Grossvermögen, was sie zu einem herausragenden Standort von Privatbanken und Finanzberatungen macht. Auch der bedeutende Zustrom an Reisenden aus den Golfstaaten ist in diesem Zusammenhang einzuordnen (2023: 226 000). Weiterhin sind namhafte Hersteller von Luxusuhren in Genf ansässig, deren individuelle Präzisionsfertigung in den westlichen (bei Meyrin) und südlichen Gewerbeparks erfolgt (bei Lancy). Allein der Finanzsektor und Uhrensektor sorgt für zwei Drittel des Gewerbesteueraufkommens im Kanton Genf.Flughafenausbau
Die grösseren Hotels und Grosshotels konzentrieren sich vor allem in der Genfer Innenstadt (Bahnhofsnähe) sowie im Bereich des Flughafens. Die Konferenzzentren liegen zum grossen Teil in unmittelbarer Nähe zu den internationalen Organisationen. Mehrere Zentren befinden sich zudem am Flughafen, was deren internationale Ausrichtung unterstreicht. Der Flughafen Cointrin ist ein wichtiger Standortfaktor für die Ansiedlung der internationalen Organisationen und für den Tagungstourismus. Mit gut 170 000 Flugbewegungen und 16,5 Mio. Passagieren 2023 ist er nach Zürich-Kloten der zweitgrösste Flughafen der Schweiz. Ab Genf werden 148 Destinationen direkt angeflogen (Stand 2023), davon über zwei Drittel in Europa. Der Flughafen ist ausserdem ein bedeutender Start- und Landeort für die VIP-Fliegerei. Wachstumsprognosen gehen davon aus, dass nach der Überwindung des Corona-Einschnitts (siehe Grafiken in der Karte) bis 2030 rund 235 000 Flugbewegungen und 25 Mio. Passagiere gezählt werden. Da die Kapazitätsgrenze bereits heute erreicht ist, wird der Flughafens bis 2030 ausgebaut. Aufgrund seiner Lage – in unmittelbarer Nähe zur Stadt und an der Grenze zu Frankreich – ist jedoch eine Ausdehnung der Fläche oder eine Erweiterung der Pisten fast unmöglich. Vorgesehen ist aber die Überdachung der Autobahn. Auch die Ausdehnung der Betriebszeiten am Morgen und am Abend wäre eine Variante, um die Kapazität des Flughafens zu steigern. Dies würde jedoch auf Widerstand der Bevölkerung stossen.Stadtentwicklung und Stadtkanton
Im Weiteren zeigt die Karte in der rechten unteren Ecke die hervorragende geografische Lage des Genfer Stadtzentrums am Austritt der Rhône aus dem Genfersee und dem unmittelbaren Zusammenfluss mit der Arve. Die ältesten Teile der Stadt liegen in einem von der Natur vorgezeichneten Dreieck. Von hier aus wuchs Genf linear an der Ausfallstrasse nach Frankreich sowie entlang des See- und Rhôneufers. Die Flächennutzung weist auch darauf hin, dass Genf nie eine klassische Industriestadt mit flächenintensiven Industrieanlagen war. In weiten Teilen des Stadtgebietes dominieren Wohngebiete und Klein- bis Mittelbetriebe. Die grossflächigen Gewerbe- und Industrieanlagen liegen heute ausserhalb des Stadtgebietes in Meyrin im Westen oder im Süden und Osten (Carouge, Chêne-Bourg, nicht mehr im Kartenausschnitt enthalten). Dies hat dazu geführt, dass die Stadt Genf mit fast 13 000 Personen pro km2 die höchste Wohndichte aller Schweizer Grossstädte aufweist. Die Landwirtschaft konzentriert sich ausserhalb der Stadt besonders im südlichen und nordöstlichen Bereich des Stadtkantons auf intensiv genutzten Rebbau (drittgrösster Rebkanton der Schweiz) und Gemüsekulturen (relativ mildes Klima).Historische Entwicklung und internationale Ausrichtung
Genf, die zweitgrösste Stadt der Schweiz, verdankt ihre besondere Bedeutung der günstigen geografischen Lage am unteren Ende eines Genfersees, an der verschiedene Landwege konvergieren und Güter für den land- oder wasserseitigen Transport umgeladen werden mussten. Ein weiterer, im Altertum wichtiger Standortfaktor war die südlich des Seeufers gelegene Schotterplatte der Arve, auf der die Altstadt heute steht. Mit einem früheren Mündungsarm hat die aus den savoyischen Alpen stammende gletschertrübe Arve einen 30 m hohen Geländesporn herausmodelliert. Dieser Hügel trug ein keltisches Oppidum. Aus der keltischen Siedlung wurde das römische Vicus Genava, später eine Stadt mit Tempel, Forum und Markt. Nach der Völkerwanderung geriet Genf unter burgundische Herrschaft, war aber zeitweise auch Hauptstadt. Im 12. Jahrhundert erlangte der Bischof die Souveränität über die Stadt Genf, während eine unternehmerfreudige Bürgerschaft weitreichende Handelsbeziehungen zu knüpfen begann. Bereits damals erlangte Genf Berühmtheit als Messestadt. Unstimmigkeiten mit dem geistlichen Herrscher und der stete Druck der savoyischen Herzöge veranlassten Genf um 1519, sich an die Eidgenossenschaft anzulehnen. Kurz darauf (1536) wurde durch Jean Calvin die Reformation eingeführt. Unter seiner Führung wurde Genf zu einem Mittelpunkt der Reformation und zu einem internationalen geistigen Zentrum. Die Hugenottenverfolgung in Frankreich bereicherte das wirtschaftliche Leben, denn die aufgenommenen Flüchtlinge brachten neue Impulse nach Genf. Doch es war nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das geistige Leben, das hier eine grosse Vormachtstellung einzunehmen begann. Weltweite Wirkung ging in den folgenden Jahren vom grossen Philosophen Jean-Jaques Rousseau aus, vom französischen Dichter Voltaire, von Madame de Staël und anderen, die sich hier niederliessen.
1815 trat Genf der Eidgenossenschaft bei und fand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts endgültig zu seiner internationalen Stellung. Die Vielfalt und Intensität seiner weltweiten Beziehungen ist ein besonderes Merkmal der Stadt Genf. Der Genfer Menschenfreund Henri Dunant gründete 1863 das Rote Kreuz (IKRK), dessen Hauptsitz sich noch heute in Genf befindet. Genf beherbergte auch den Völkerbund, die Vorläuferorganisation der Vereinten Nationen, gegründet nach dem Ersten Weltkrieg. Der Völkerbund-Palast im Arianapark ist denn auch heute ein Hauptsitz der Vereinten Nationen. Es folgten weitere internationale Organisationen und UN-Sonderorganisationen, die alle zusammen zu einem wichtigen Arbeitgeber wurden.
Die Attraktivität Genfs als Arbeits-, Aufnahme- und Zufluchtsort in der Vergangenheit wirkt sich auch heute noch aus. Mit 41 % (2023) weist der Kanton Genf den weitaus höchsten Ausländeranteil aller Kantone aus, in der Stadt Genf beträgt er sogar fast 50 %.