Überblick
Die drei Karten zeigen die Entwicklung und die Zugbahn des Hurrikans „Ian“ an drei aufeinanderfolgenden Tagen vom 27. bis 29. September 2022. Er gilt als einer der stärksten und verheerendsten Wirbelstürme, die die USA je heimgesucht haben. Aufgrund der außergewöhnlich hohen Meeresoberflächentemperaturen im Karibischen Meer und im Golf von Mexiko war ein solcher tropischer Wirbelsturm in der Hurrikansaison bereits erwartet worden.
Genese
Am 27.9. überquerte Ian den Westen Kubas, noch als Kategorie-2-Hurrikan. Er zog über den Golf von Mexiko, wo er erneut durch das warme Wasser viel Energie gewann und rasch an Stärke zulegte. Ian erreichte mittlere Windgeschwindigkeiten um 200 km/h, begleitet von heftigem Starkregen und erreichte als Hurrikan der vierten Kategorie am 28.9. vor der Südwestküste Floridas seinen Höhepunkt mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 250 km/h. Mit einem Kerndruck von 940 hPa und mittleren Windgeschwindigkeiten von bis zu 240 km/h stieß er dann in der Nähe von Fort Myers auf die Küste Floridas.
Kritisch war seine vergleichsweise langsame Geschwindigkeit. Der Wind drückte zudem gewaltige Wassermassen vom Meer an die Küste, Sturmfluten von bis zu 5 m Höhe waren die Folge.
Im Landesinneren schwächte sich Ian am 29.9. zwar ab, der Starkregen hielt jedoch weiter an. Dabei fielen in manchen Regionen über 300 l/m2 in einem Zeitraum von zwölf bis 24 Stunden. Bis zum 30.9. schwächte sich der Hurrikan zur Kategorie 1 ab mit mittleren Windgeschwindigkeiten von rund 140 km/h.
Zur Entstehung tropischer Wirbelstürme
Jedes Jahr gibt es weltweit etwa 30 bis 100 tropische Wirbelstürme. Sie werden in der Karibik als Hurrikane, im indonesischen Raum als Taifune und im Bereich von Australien als Willy Willies bezeichnet. Hurrikane entstehen vor allem zwischen Juni und November.
Tropische Wirbelstürme können sich nur über Meeren mit Wassertemperaturen von mindestens 26 bis 28 Grad Celsius entwickeln (s. 268.3). Die über diesen Wasserflächen lagernden feuchtwarmen und damit labilen Luftmassen steigen im Einflussbereich der Innertropischen Konvergenzzone (ITCZ) auf und bilden mächtige Wolkentürme, sogenannte Cloud Clusters. Gealterte Kaltluftmassen, die von Norden her über die warmen tropischen Meeresflächen vorstoßen, können diesen Prozess verstärken. Die bei der Kondensation der aufsteigenden Luftpakete freiwerdende Energie verleiht der Luft einen zusätzlichen Auftrieb und stellt die eigentliche Antriebsquelle der charakteristischen Wirbelbildung dar.
Erst die einsetzende Drehbewegung der Luftmassen lässt einen tropischen Wirbelsturm entstehen. Easterly Waves, kleine Tiefdruckwirbel, die sich unter der östlichen tropischen Höhenströmung des African Easterly Jet bilden, versetzen hierbei die aufsteigenden Wolkenmassen in eine Zirkulationsbewegung.
Die Corioliskraft hält diesen Prozess aufrecht. Da die ablenkende Kraft durch die Erdrotation erst ab etwa dem sechsten bis achten Breitengrad polwärts groß genug ist, um eine Wirbelbildung zu initiieren, erstreckt sich beiderseits des Äquators eine wirbelsturmfreie Zone (s. 268.2).
Windzirkulation und Wanderung
Tropische Wirbelstürme können einen Durchmesser von mehreren hundert Kilometern aufweisen. Die Winde zirkulieren entgegengesetzt zum Uhrzeigersinn um das Zentrum des Hurrikans und transportieren auf seiner Ostseite feuchtwarme tropische Luftmassen nach Norden. Auf seiner Westseite wird Kaltluft nach Süden verfrachtet.
Die Isobaren liegen zum Zentrum des Hurrikans hin immer dichter. Durch das starke Druckgefälle treten sehr hohe Windgeschwindigkeiten von teilweise mehr als 300 Kilometern pro Stunde auf. In einer etwa 10 bis 30 Kilometer breiten Zone im Kern des Wirbelsturms, dem „Auge des Orkans“, herrscht hingegen fast Windstille. Durch absteigende Luftmassen ist dieser Bereich weitgehend wolkenfrei. Rings um das Auge des Orkans werden die Luftmassen teilweise bis in die Stratosphäre emporgerissen. Dabei bilden sich mächtige Wolkentürme (Cumulonimbus), sogenannte Hot Towers, aus denen sintflutartige Niederschläge und Gewitter niedergehen.
Hurrikane aus der Karibik wandern meist an der Westflanke des Nordatlantischen Subtropenhochs im Uhrzeigersinn nach Norden. Durch die sinkenden Wassertemperaturen schwächen sich die Wirbelstürme dabei ab; dies gilt auch dann, wenn sie das Festland erreichen. Dennoch richten sie dort erhebliche Verwüstungen an. Oft erreichen gealterte und zunehmend schwächer werdende Hurrikane als Orkan- oder Sturmtiefs Europa; ihre Zugbahn ist dabei in die Westwinddrift eingelagert.