Training mündliche Abiturprüfung:
„Eine Welt“ – unterschiedliche Wirtschaftsräume?
Schülerbuch, Seite 125
Lösungen der Aufgaben
(125.1) Die Produktion einer Jeans (M1) zu charakterisieren und eine derartige Produktionsweise zu begründen, erfordert den Produktionsprozess zu beschreiben, als globale Produktionsweise zu bestimmen und diese zu begründen.
Die Produktion einer Jeans erfolgt entlang einer textilen Kette in der Regel in sieben Produktionsstufen. Die hintereinandergeschalteten Produktions- und Handelsstufen sind dabei teilweise viele Tausend Kilometer voneinander entfernt. Der Weg von der Rohbaumwolle bis zum Endprodukt beträgt bis über 60000km. Somit ist die Jeans ein echt globales Produkt. Am Beispiel der Jeans wird deutlich, dass die globale Produktionsweise ein Ergebnis der Globalisierung ist, ein Prozess, welcher die ganze Welt verknüpft und die verschiedenen Arbeitsschritte eines Produktes weltweit auf mehrere Stationen aufteilt. Ursache des Global Sourcing ist das Lohnkostengefälle zwischen den Ländern des Globalen Nordens und Globalen Südens. Die Transportkosten spielen dabei keine wesentliche Rolle.
(125.2a) Die Karte M2 hinsichtlich ihrer Aussagekraft zu analysieren, um den Entwicklungsstand der Staaten bestimmen zu können, verlangt die anamorphe Karte gezielt zu untersuchen und auszuwerten.
Worldmapperkarten sind verzerrte Weltkarten. Durch die Form eines besonderen Kartogramms bilden sie genau ein Merkmal ab. Die Größe eines Zahlenwerts (z.B. BNE) entspricht dabei einer Fläche und verdeutlicht die Zustände demzufolge sehr eindringlich.
Das Bruttonationaleinkommen (BNE) ist der Indikator der Weltbank zur Klassifikation der Länder nach ihrem Entwicklungsstand. Die Weltbank unterscheidet Länder nach vier Einkommenskategorien (Basis 2021):
- geringes Einkommen (Low Income): 1085 US-$ oder weniger;
- mittleres Einkommen, unterer Teil (Lower Middle Income): 1086 bis 4255 US-$;
- mittleres Einkommen, oberer Teil (Upper Middle Income): 4256 bis 13205 US-$;
- hohes Einkommen (High Income): mehr als 13205 US-$.
Die Farbgebung der Karte M2 ist regional und nicht an den BNE-Einkommenskategorien orientiert. Die Länder mit höherem Entwicklungsstand als die Länder des Globalen Nordens und die Länder mit niedrigerem Entwicklungsstand als Länder des Globalen Südens, vor allem Südamerika und Afrika, können klar herausgearbeitet werden. Eine detaillierte Analyse des Entwicklungsstandes aufgrund der Einkommenskategorien gelingt nur beispielhaft, aber nicht flächendeckend, da manche Länder aufgrund ihrer dargestellten Größe nicht gezielt einer Kategorie zugeordnet werden können. Beispiele sind
- für Low Income Countries z.B. D.R. Kongo, Zentralafrika,
- für Lower Middle Income Countries z.B. Ghana, Ägypten, Indien
- für Upper Middle Income Countries China, Brasilien, Mexiko und
- für High Income Countries z.B. Deutschland, USA, Kanada, Australien.
Für eine detaillierte Bestimmung des Entwicklungsstands jedes Staates nach den Einkommenskategorien der Weltbank anhand des Indikators BNE reicht die Aussagekraft der Karte M2 nicht aus, eine thematische Karte nach den Einkommenskategorien wäre besser geeignet.
(125.2b) Die Aussagekraft der Analysespinne (M3) für den Entwicklungsstand Deutschlands und Bangladeshs zu überprüfen, bedeutet die Aussagekraft der gewählten Indikatoren an konkreten Sachverhalten und im Vergleich beider Staaten zu messen.
Die Anzahl der Indikatoren ist aufgrund der Auswahl überwiegend aussagekräftig, denn es sind differenzierte Indikatoren aus den Bereichen Lebensstandard, Bildung und Gesundheit gewählt, wenngleich der Human Development Index (HDI) statt BNE das BIP (Bruttoinlandsprodukt) berücksichtigt und im Bereich Bildung auch die erwartete Schulbesuchsdauer hinzuzieht. Dafür verzichtet er auf die Fertilitätsrate sowie den Zugang zu Sanitäranlagen. Der Bereich Gesundheit ergibt demnach in M3 ein recht differenziertes Bild. Der Indikator des sekundären Sektors am BIP ist weniger aussagekräftig, da nicht auf die Werte des primären bzw. tertiären Sektors geschlossen werden kann und die Gesellschaft demnach nicht eindeutig als Agrar-, Industrie- oder Dienstleistungsgesellschaft herausgearbeitet werden kann.
Der Vergleich der fünf aussagekräftigen Indikatoren hin-sichtlich des Entwicklungsstands gemäß der Analyse- spinne M3 zeigt große Unterschiede bei den Indikatoren- werten.
- BNE: Deutschlands Wert von über 54000 US-$/pro Kopf (2021 genau: 54534US-US-$/pro Kopf) ist mehr als zwanzigmal höher als der Wert Bangladeshs mit über 2600 US-$/pro Kopf (2021 genau: 2620), d.h. der ökonomische Entwicklungsstand Deutschlands ist sehr viel höher.
- tatsächliche Schulbesuchsdauer: Deutschlands Wert mit über 14 Schuljahren (2021 genau: 14,1 Jahre) gegenüber Bangladeshs Wert mit über 5 Jahren (2021 genau: 5,2 Jahre) zeigt einen deutlichen Vorsprung im Bildungsniveau Deutschlands.
- Zugang zu Sanitäranlagen: Deutschlands Wert mit nahezu 100% (2021 genau: 99,2%) gegenüber Bangladeshs Wert mit mehr als 50% (2021 genau: 54,2%) ist nahezu doppelt so hoch und somit die hygienischen Verhältnisse nahezu doppelt so gut, d.h. in Deutschland sehr gut.
- Fertilitätsrate: Die Unterschiede zwischen beiden Staaten sind relativ gering, da der Wert Deutschlands bei 1,5 Kindern/pro Frau und der Bangladeshs bei 2,0 Kindern/ pro Frau liegt.
- Lebenserwartung: Die Unterschiede zwischen beiden Staaten sind deutlich, dem Wert Deutschlands mit über 80 Jahren (2021 genau: 80,6 Jahre), stehen in Bangladesh über 72 Jahre (2021 genau: 72,4Jahre) gegenüber.
- Anteil sekundärer Sektor am BIP: Die Unterschiede beider Staaten mit knapp 30% bei Deutschland (2021 genau: 29,4%) und knapp 35% bei Bangladesh (2021 genau: 34,6%) weisen auf einen höheren Stellenwert des sekundären Sektors in der Wirtschaft Bangladeshs hin im Vergleich zu Deutschland.
Wesentliche Indikatoren der Analysespinne in den Bereichen Lebensstandard, Bildung und Gesundheit zeigen deutliche Unterschiede beider Staaten auf und haben demnach eine hohe Aussagekraft Deutschland einen sehr hohen Entwicklungsstand (2022: HDI-Rang 9/ 0,942) bzw. Bangladesh einen deutlich niedrigeren, mittleren Entwicklungsstand (2022: HDR-Rang 129/ 0,661) zuzuweisen.
(125.2c) Deutschland und Bangladesh gemäß M3 einer Länderkategorie begründet zuordnen, erfordert die Staaten aufgrund der Indikatorenwerte und ihres Entwicklungsstandes einer Länderkategorie zuzuordnen.
Deutschland kann 2021 aufgrund des sehr hohen Entwicklungsstandes und dem sehr hohen BNE mit mehr als 54000 US-$/pro Kopf der Länderkategorie der High Income Countries bzw. den Industrieländern zugeordnet werden; ein typisches Land des Globalen Nordens.
Bangladesh kann 2021 aufgrund eines nur mittleren Entwicklungsstandes und einem nur geringen BNE mit über 2600 US-$/pro Kopf der Länderkategorie der Lower Middle Income Countries bzw. einem Entwicklungsland mit bereits dynamischer Wirtschaft zugeordnet werden; einem typischen Land des Globalen Südens.
(125.3a) Die Außenhandelsstrukturen von Deutschland und Bangladesh gemäß M4 zu vergleichen, verlangt Gemeinsamkeiten und Unterschiede gewichtend einander gegenüber zu stellen und ein Ergebnis zu formulieren.
Sehr große Unterschiede zeigen beide Staaten hinsichtlich des Import- und Exportvolumens. Mit 1420,1 Mrd. US-$ ist der Import von Deutschland mehr als das 21mal größer als der Import von Bangladesh mit 67,3 Mrd. US-$. Mit 1631,9 Mrd. US-$ ist der Export Deutschlands sogar nahezu 42mal größer als der Export von Bangladesh mit 39,2 Mrd. US-$. Deutschland hat einen Exportüberschuss von 211,8 Mrd. US-$ und somit eine positive Handelsbilanz, während Bangladesh ein Exportdefizit von 28,1 Mrd. US-$ und somit eine negative Handelsbilanz hat.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen beiden Staaten gibt es hinsichtlich der Top-Importprodukte. Deutschland importiert wie Bangladesh an erster Stelle Maschinen und als Top 3 mineralische Brennstoffe. Im Gegensatz zu Bangladesh, wo der Rohstoff Baumwolle und Eisen und Stahl als Industriegrundstoffe importiert werden, importiert Deutschland veredelte Fertigprodukte wie Zugmaschinen/Kfz und pharmazeutische Produkte.
Bei den Top-Exportprodukten weisen beide Staaten große Unterschiede im Hinblick auf die Produktpalette auf. Deutschland exportiert ausschließlich hochveredelte Produkte aus dem Maschinenbau, der Automobilindustrie, der Pharmazie, der Fotowirtschaft sowie der Prüftechnik. Bangladesh hingegen exportiert zum überwiegenden Teil Textilien, nur zu einem sehr kleinen Teil Stoffe, Schuhe und deren Teile. Damit weist Bangladesh eine nahezu monostrukturierte, krisenanfällige Branchenstruktur relativ kostengünstiger Produkte auf, die für die relativ geringen Exporterlöse verantwortlich sind. Deutschland erzielt dagegen aufgrund seiner diversifizierten, krisenfesteren Branchenstruktur hochwertiger Produkte sehr hohe Exporterlöse.
Insgesamt zeigt der Außenhandel von Deutschland und Bangladesh einerseits die charakteristischen Strukturen eines Industrielandes mit hoher Wirtschaftskraft gegenüber andererseits denen eines Entwicklungslandes mit eher geringer Wirtschaftskraft.
(125.3b) Zu beurteilen, ob gemäß M5 in Bangladesh Ansätze einer nachhaltigen Entwicklung gegeben sind, erfordert den Text auf die Kriterien der ökologischen, ökonomischen, sozialen bzw. politischen Nachhaltigkeit hin zu prüfen.
Die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie in Bangladesh haben durch den Mindestlohn im Sinne der ökonomischen Nachhaltigkeit verbessert. Hingegen ist die soziale Nachhaltigkeit noch keineswegs gegeben, da meist weder die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation erreicht werden, z.B. die Absicherung der ArbeitnehmerInnen bei berufsbedingten Erkrankungen oder Arbeitsunfällen, noch grundlegende Menschenrechtsstandards eingehalten werden. Auch die ökologische Nachhaltigkeit hinsichtlich der Einsparung von Wasser, Chemikalien und Energie bei ressourcenschonender Produktion der Textilien besteht erst in Ansätzen.
Deutschland handelt durch das Lieferkettengesetz und durch seine Entwicklungszusammenarbeit politisch nachhaltig und stärkt in kooperierenden Unternehmen in Bangladesh die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Demzufolge gibt es exemplarisch, jedoch keineswegs landesweit Ansätze einer nachhaltigen Entwicklung.