Die Kartenserie (32.3; 32.4, 33.5 und 33.6) veranschaulicht auf beeindruckende Weise die städtebauliche Entwicklung von Aarau im Zeitraum von 1835 bis zur Gegenwart. Im Mittelpunkt stehen dabei insbesondere die Veränderungen und Fortschritte im Gewerbe- und Industriebereich, die massgeblich das urbane Erscheinungsbild geprägt haben. Die vielfältigen Kartenansichten bieten eine anschauliche Darstellung dieser historischen Transformationen und verdeutlichen somit die prägenden Entwicklungen der letzten zwei Jahrhunderte.
Entwicklung von Aarau bis 1835
Archäologische Funde aus der Bronze- und Römerzeit zeigen, dass das Gebiet bereits vor der mittelalterlichen Stadtgründung bewohnt war. Die Grafen von Kyburg gründeten in den 1240er Jahren auf einem Felsen am Südufer der Aare die Stadt Aarau. Die strategische Lage als Brückenstandort und die erste Stadtmauer, die die Siedlung in vier Bereiche unterteilte, waren entscheidend. Frischwasser wurde über den Stadtbach aus südlich gelegenen Quellen zugeführt und auch für das Gewerbe genutzt. Die soziale Topografie der Stadt wurde dabei durch die Fliessrichtung des Wassers beeinflusst, was die Standorte von Färbereien, Gerbereien und Schlachthaus im unteren Stadtteil erklärt. Bereits ab dem 13. Jahrhundert wurde die Stadt vergrössert, mit Erweiterungen wie der Vorstadt südlich des Obertors, und wuchs bis zum 14. Jahrhundert auf eine Grösse, die erst im 19. Jahrhundert wieder überschritten wurde. Die Eroberung des Aargaus durch Bern 1415 führte zu keinen wesentlichen Stadterweiterungen. Im Mittelalter war Aarau wirtschaftlich vor allem in der Metallverarbeitung und später im Textilgewerbe bedeutend. Nach 1798 wurde Aarau kurzzeitig Hauptstadt der Helvetischen Republik und ab 1803 Hauptstadt des Kantons Aargau, was den Bau eines Regierungs- und Parlamentsgebäudes in der Vorstadt mit sich brachte.
Textilgewerbe um 1835
Ab 1803 erlebte die Textilindustrie in Aarau einen grossen Aufschwung. Unternehmertum, Politik und der republikanische Zeitgeist gingen Hand in Hand, sie trieben die städtebauliche Entwicklung an. Die Heimarbeit wurde von den durch Wasserkraft angetriebenen Maschinen verdrängt. Energielieferant war dabei noch nicht die wild fliessende Aare, sondern wie bereits im Mittelalter der Stadtbach. Am oberen Stadtbach, zwischen Suhrfeld und Altstadt, entstand 1810 eine Baumwollspinnerei. Die grösste Bautätigkeit im Zusammenhang mit der Textilindustrie erfolgte jedoch am unteren Stadtbach, im Gebiet Hammer nahe der Aare. Dort entstanden grosse Fabrikgebäude zur Indiennedruckerei, Spulerei und Zwirnerei, welche fortan das Stadtbild Aaraus prägten. Mit den Fabriken entstanden auch zahlreiche Nebengebäude, unter anderem die Fabrikantenvillen. Ein Musterbeispiel ist die Villa Herzog am oberen Stadtbach. Nicht direkt am Stadtbach, aber durch dessen Wasser angetrieben, entstand in der Laurenzenvorstadt die Meyersche Seidenbandfabrik. Der Unternehmer Johann Rudolf Meyer-Sohn liess ab 1810 ein aufwändiges, weit verzweigtes Stollensystem anlegen, um das Stadtbachwasser in seine Fabrik zu leiten. Teile dieser eindrücklichen Meyerschen Stollen sind noch heute erhalten und können im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Sie sind Zeugen des Unternehmergeistes und der Dynamik, welche die Textilindustrie in Aarau ausgelöst hatte. Dazu gehörte auch der Ausbruch aus dem mittelalterlichen Korsett, das die Stadt noch umgab: 1812 wurde mit dem Abbruch des Laurenzentors, etwas später auch der Stadtmauer, begonnen.