Überblick
Vor dem Ersten Weltkrieg wurde fast jedes Land in Afrika von einer europäischen Kolonialmacht verwaltet. Die europäischen Mächte hatten diese Gebiete erobert, gekauft oder gepachtet. Dies geschah hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen. Die Kolonialverwaltung festigte sich rasch, wobei die Briten dem System der indirekten Herrschaft Vorrang gaben. Diese ließ den einheimischen Fürsten eine begrenzte Macht. Sie gründeten Schulen und erschlossen das Land wirtschaftlich. Dies erzeugte eine neue Bildungselite. Sie meldete bald unter Verwendung europäischer Ideen Ansprüche auf die politische Macht an.
Entlassung in die Unabhängigkeit
Die rasche Entkolonialisierung Afrikas seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs überließ die koloniale Verwaltung der neuen Elite des jeweiligen Landes. Sie stellte fast überall die Führer der nationalen Befreiungsbewegungen. Diese Führer verhandelten erfolgreich über den Abzug der jeweiligen Kolonialmacht. Nur Algerien musste die Franzosen 1954–1962 durch Partisanenkrieg zum Nachgeben zwingen. Andere Aufstände scheiterten, so in Kenia (Mau-Mau 1952–1954) und Kamerun. Die beiden großen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien verfolgten bei der Entkolonialisierung unterschiedliche Konzepte und Ziele.
Großbritanniens Strategie sah eine schrittweise Annäherung an die staatliche Autonomie durch Verfassungsreformen und die Gründung von Parteien und Parlamenten vor. Frankreich dagegen verfolgte die Idee einer „Union Francaise“ freier und gleichberechtigter Bürger, die dieselbe Sprache sprechen und dieselben Rechte genießen sollten. Beide Kolonialreiche lösten sich im Lauf der 1960er-Jahre auf.
Konflikte in den jungen Staaten
Belgien entließ seine Kongokolonie 1960 überstürzt in die Freiheit. Die Folge waren chaotische Wirren und Spaltungstendenzen, die erst nach 1965 abflauten. Portugal hingegen versuchte, seine Kolonien als Überseeprovinzen noch enger an das Mutterland zu binden. Erst nach der Revolution von 1974 verzichtete es ebenso überstürzt auf seine kolonialen Ansprüche. In Angola entwickelte sich in der Folge ein Bürgerkrieg.
Südafrika geriet aufgrund seiner Apartheidpolitik, mit der die weiße Minderheit die schwarze Majorität jahrzehntelang unterdrückte, unter Druck der Weltöffentlichkeit. Dem Entzug des Mandats über Südwest-Afrika (Namibia) leistete es lange Zeit keine Folge. Nach blutigen Unruhen in den 1980er-Jahren wurde 1990 die Aufhebung der Apartheid verkündet und Namibia in die Unabhängigkeit entlassen. 1994 wurde Nelson Mandela nach den ersten freien Wahlen zum ersten schwarzen Staatspräsidenten.
Äthiopien musste 1993 die Abspaltung Eritreas akzeptieren, was in der Folge zu auf- und abflauenden kriegerischen Auseinandersetzungen führte.
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion endeten auch die blutigen Stellvertreterkonflikte, die zwischen 1960 und 1989 seitens der USA und UdSSR in Afrika geführt worden waren. Dadurch konnte es in den 1990er-Jahren zu Demokratisierungstendenzen in einigen afrikanischen Ländern kommen.
Der jüngste Staat ist die Republik Südsudan, die 2011 nach einem jahrzehntelangen Sezessionskrieg die Unabhängigkeit vom Sudan erlangte. Ungeklärt ist derzeit der politische Status des Territoriums Westsahara. Die UNO drängt auf ein Referendum, bei dem über Unabhängigkeit oder Zugehörigkeit zu Marokko entschieden werden soll. Relikte der Kolonialzeit sind die spanischen Städte Ceuta und Melilla in Nordafrika.
In Afrika gibt es heute noch über 3000 indigene Völker. Dies sind Bevölkerungsgruppen, die am Rande der Gesellschaft leben und sich selbst als eigenständige Völker verstehen. Sie behalten ihre eigenen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebensweisen und Traditionen bei.