Überblick
Der Alpenraum ist eine nahezu ganzjährige touristische Top-Destination mit großem natur- und kulturbedingtem Potenzial, das vielerorts schon lange intensiv in Wert gesetzt wird. Von Monaco über Frankreich, Italien, die Schweiz, Liechtenstein, Deutschland und Österreich bis hin nach Slowenien haben acht Staaten Anteil am Alpenbogen. Die touristische Angebotsvielfalt ist enorm und differenziert sich immer stärker aus. Sie reicht vom oft dominanten Wintersport bis zum sommerlichen Erholungs- oder Aktivurlaub. Hinzu kommen traditionelle Kurorte und Heilbäder und auch Städte mit klassischem Besichtigungstourismus. In weiten Teilen der Alpen wurde der Tourismus seit der Mitte des 20. Jahrhunderts stark ausgeweitet, vielerorts ist er zur Leitbranche der wirtschaftlichen Entwicklung geworden. In Teilregionen bzw. während bestimmter Saisonabschnitte ist aber die Grenze der Belastbarkeit des alpinen Lebensraumes inzwischen erreicht.
Räumliche Schwerpunkte
In den französischen Alpen dominieren Orte für den Wintersport, die überwiegend in den letzten Jahrzehnten und insbesondere architektonisch oft ohne Rücksicht auf die historische Siedlungsentwicklung errichtet wurden. Auch in der Schweiz spielt der Wintertourismus in vielen Orten eine Rolle. Diese sind aber meist kleiner und deshalb nicht alle in der Karte dargestellt. Auch finden sich dort besonders auf deutlich hochwertigere Angebote ausgerichtete Destinationen wie das Engadin (mit St. Moritz), das Oberland (mit Gstaad) oder das Wallis (mit Zermatt). Orte dieser Art erleben gegenwärtig eine Übernachfrage nach Ferienimmobilien, was zu einer Explosion der Preise auf das höchste Niveau des Landes geführt hat. Teilweise werden die Chalets und Wohnungen nur als Investition („Betongold“) angesehen und kaum genutzt, was zum ungeliebten Phänomen der „Kalten Betten“ führt. Wie in der Schweiz hat sich der Sommertourismus in Bayern, Österreich und Südtirol ursprünglich vornehmlich auf der Grundlage alter, oft sehr armer bergbäuerlicher Dörfer entwickelt. Ein Gegensatz hinsichtlich der Art und Intensität des Tourismus besteht auch zwischen den äußeren und den inneren Gebirgsketten der Alpen, besonders in Österreich. Im Inneren der Alpen hat dort der Wintertourismus einen höheren Stellenwert, an den Alpenrändern der Sommertourismus. In den Südalpen konzentriert sich der Tourismus auf den Bereich der alpinen Seen (z. B. Gardasee) sowie auf Südtirol und die Dolomiten. Daneben gibt es im Alpenraum viele kunst- und kulturhistorisch bedeutsame Ortschaften, die eine wichtige Rolle im Kultur- und Städtetourismus spielen. Im inneralpinen Bereich sind dies etwa Innsbruck, Brixen oder Meran. Im Süden sind es besonders die Städte von Turin über Mailand und Verona bis Padua. Am Nordrand der Alpen ragen in dieser Hinsicht z. B. Salzburg, Luzern, Bern und die Städte am Genfer See hervor.
Sommertourismus
Traditionell war der Alpenraum eine Sommerdestination. Die Pioniere waren dabei ab der Mitte des 19. Jahrhunderts britische Alpinistinnen und Alpinisten. Ab der Mitte der 1950er-Jahre setzte dann der sommerliche Massentourismus ein. Weite Teile der Alpen wurden für große Gästezahlen erschlossen. Es entstanden Privatzimmer, Pensionen und kleinere Hotels, gerade für deutsche Gäste. Außerdem wurden zahlreiche auf Aussichtsgipfel führende Luftseilbahnen gebaut. Die Boomphase lag zwischen 1955 und 1975, danach stagnierten vielerorts die Übernachtungszahlen. Ab Anfang der 1980er-Jahre verzeichneten viele Orte mit einem Schwerpunkt beim Sommertourismus sogar Rückgänge der Gästezahlen. Heute ist die Nachfrage aus ganz Europa und auch aus anderen Quellmärkten, wie Asien, vielerorts wieder so groß, dass es Belastungsspitzen gibt, die die lokale Aufnahmekapazität übersteigen. Diese Overtourism-Effekte zeigen sich in manchen Ortskernen (wie in Luzern, Interlaken oder Garmisch), auf den Verkehrswegen, in nationalen Naturlandschaften und auf den Berggipfeln. Der stark angestiegene Tagesausflugstourismus während der Coronazeit von zirkumalpinen Quellmärkten (z. B. München) in die Alpen hinein hat dies noch verstärkt.
Wintertourismus
Ab Mitte der 1960-er Jahre setzte der winterliche Massentourismus in den Alpen ein. Er wies bis Mitte der 1980er-Jahre starke Zuwächse auf. Zahlreiche vom Tourismus geprägte Gemeinden entwickelten sich zu Zwei-Saison-Orten mit touristischer Monostruktur. Typisch waren mittelgroße Hotels für gehobene Ansprüche und zahllose Skilifte, die gerade in Österreich über Täler hinweg mit „Skischaukeln“ zu Großskigebieten, den „Skizirkussen“, verbunden wurden. Diese Entwicklung vollzog sich vor allem in den mittelgroßen und großen Touristenzentren, da kleine Gemeinden die teure Infrastruktur nicht finanzieren konnten. Eine Besonderheit dieser Expansionsphase sind die zahlreichen, von großen Beherbergungsbetrieben geprägten Skistationen, die das Bild in den französischen Alpen, insbesondere in Savoyen, prägen. Mitte der 1980er-Jahre war der Boom zunächst vorbei. Weil die touristischen Einrichtungen dennoch weiter ausgebaut wurden, entstanden bedeutende Überkapazitäten. Die zunehmende Schneearmut, besonders in den Wintern 1987 bis 1990, verschärfte die Konkurrenz. Zunehmend wurden hochgelegene Gletscherskigebiete erschlossen und die ersten Regionen gingen dazu über, mit großflächigen Beschneiungsanlagen ihr Angebot auch in niedrigeren Lagen attraktiver und unabhängiger vom Wetter zu machen. Mit der künstlichen Beschneiung verbunden war auch eine Verlängerung der Wintersaison. Die Nachfrage zog wieder an und die Quellmärkte diversifizierten sich. Ein typisches Phänomen sind Incoming-Flüge von Wintersportreisenden aus dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden, Skandinavien oder Deutschland und zeitweise auch aus Russland. Die vielen Starts und Landungen sorgen aber an den Flughäfen Salzburg und Innsbruck an den Winterwochenenden wegen des Fluglärms für Proteste.