Überblick
Nord- und Südamerika sind zwei ausgedehnte Landmassen, die große Ähnlichkeiten in ihrem geologischen Aufbau aufweisen. Im Vergleich zu den anderen Kontinenten fällt die große Nord-Süd-Ausdehnung auf, die von den Gebieten nördlich des 80. Breitengrades auf der Nordhalbkugel bis nach Feuerland südlich des 50. Breitengrades auf der Südhalbkugel reicht. Nord- und Südamerika haben dadurch Anteil an allen geographischen Zonen. Markant sind die Amerikanischen Kordilleren, ein 18 000 Kilometer langer Gebirgszug von Alaska im Norden bis nach Feuerland im Süden. Die bedeutensten Hochgebirge innerhalb der Kordilleren sind die Rocky Mountains in Nordamerika und die Anden in Südamerika – es gibt aber noch zahlreiche Neben- und Zwischengebirge, vor allem in Nord- und Mittelamerika. Die Kordilleren haben großen Einfluss auf die klimatischen Bedingungen in allen drei Teilen des Kontinents (Nord-, Mittel- bzw. Südamerika), da sie wie ein Riegel wirken. Zeugnisse ihres noch geologisch geringen Alters sind tektonische Erscheinungen wie aktive Vulkane und eine hohe Erdbebengefährdung (s. 168.1 und 170.1).
Großlandschaften Nordamerikas
Nordamerika, das mit knapp 24 Mio. Quadratkilometern ca. 56 % der Fläche Amerikas einnimmt, kann in drei Großlandschaften gegliedert werden. Zunächst der geologisch junge Faltengebirgsgürtel der Kordilleren, der sich von der breitenkreisparallelen Alaskakette (mit dem höchsten Berg Nordamerikas, dem Mount McKinley/Denali) und der gleichlaufenden, aber nördlicher gelegenen Brookskette aus in einen westlichen, küstennahen Kordilleren-Ast und einen südöstlich in das Landesinnere verlaufenden Kordilleren-Ast aufteilt (den oftmals für das Gesamtsystem namensgebenden Rocky Mountains). Beide kommen nahe Mexiko-Stadt als westliche bzw. östliche Sierra Madre wieder zusammen und laufen im Isthmus von Tehuantepec aus, der im südöstlichen Mexiko die Grenze zu Mittelamerika bildet. Zwischen den westlichen und östlichen Kordilleren sind u. a. das Colorado-Plateau und das Große Becken sowie die Sierra Nevada eingelagert, so dass beide Gebirgsäste am 40. Breitengrad ungefähr 1500 km voneinander entfernt liegen. Die Rocky Mountains sind dabei an den sich östlich anschließenden, geologisch alten und stabilen Amerikanischen Schild mit seinen weiten, offenen Landschaften (Great Plains) angefaltet worden. Sie bilden die zweite Großlandschaft Nordamerikas, deren Gewässer markante Leitlinien bilden: eine südlich um den Kanadischen Schild und die darin eingelagerte Hudson Bay verlaufende Seenkette zwischen Bärensee im Nordwesten und Ontariosee im Südosten, der sich daran anschließende St.-Lorenz-Strom, sowie das baumartige Stromsystem von Mississippi und Missouri, dessen östliche Zuflüsse aus den Appalachen kommen. Die Appalachen sind ein waldreicher Gebirgsriegel mit Mittelgebirgscharakter, der vom St.-Lorenz-Golf im Nordosten ca. 2500 km bis in die Küstenebene des Golfs von Mexiko im Südwesten reicht und die am Atlantik gelegene Küstenebene abschirmt. Die zahlreichen Inselgruppen im Nordpolarmeer und Grönland bilden gemeinsam noch die dritte Großlandschaft des Teilkontinents.
Großlandschaften Mittelamerikas
Mittelamerika umfasst mit knapp 800 000 km2 nur gut 2 % der Fläche Amerikas und bildet eine schmale, von Gebirgen geprägte Landbrücke, durch die Nord- und Südamerika miteinander verbunden sind. Im Norden wird sie vom Isthmus von Tehuantepec, der Landenge im Südosten Mexikos, begrenzt, im Osten reicht Mittelamerika bis zur Grenze zwischen Panama und Kolumbien. Auch Mittelamerika wird von den Faltengebirgszügen der Kordilleren durchzogen. Daneben existieren aber auch ausgedehnte Hochflächen und weite Becken. Im Osten vorgelagert sind die Inselbögen der Großen und der Kleinen Antillen, die vom Festland durch den Golf von Mexiko bzw. das Karibische Meer getrennt sind. Mittelamerika liegt bis auf einen nördlichen Bereich zwischen dem Isthmus von Tehuantepec im Westen und den Bahama-Inseln im Osten gänzlich auf der Karibischen Platte (s. 168.1), während Nordamerika auf der Nordamerikanischen und Südamerika auf der Südamerikanischen Platte liegen.
Großlandschaften Südamerikas
Mit den sehr hohen, geologisch jungen Kordilleren im Westen (Anden), den ausgedehnten Ebenen mit ihren riesigen Stromsystemen im Landesinneren wie dem Amazonas, dem Orinoco und dem Rio de la Plata, sowie den niedrigeren, geologisch alten Gebirgen im Osten (Amazonas-Schild, Guyana-Schild), bestehen im geologischen Bau und der Oberflächengestalt Südamerikas große Ähnlichkeiten zu Nordamerika. Klima und Vegetation sind aber durch die Lage in den Tropen (mit Ausnahme des südlichen Südamerikas) gänzlich verschieden. Die Anden sind trotz ihrer Höhenlage der älteste Siedlungsraum, an ihrer Bevorzugung hat sich in den Andenstaaten bis heute nichts geändert (s. Kolumbien oder Peru). Die Besiedlung in den anderen Staaten Südamerikas ist hingegen meist küstenorientiert (s. Brasilien oder Uruguay). Mit gut 17,8 Mio. km2 nimmt Südamerika knapp 42% der Fläche Amerikas ein.