Überblick
Ein überwiegender Teil der asiatischen Staaten hat seine heutigen Grenzen erst nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten, als viele Länder von den ehemaligen Kolonialmächten in die Unabhängigkeit entlassen wurden. Im vormaligen Britisch-Indien führten langjährige Konflikte zwischen Hindus und Muslimen 1947 zur Teilung in die Staaten Indien und Pakistan. Die von Japan im Zweiten Weltkrieg besetzten Länder Myanmar (Birma), Indonesien, Vietnam und die Philippinen erhielten ebenfalls Autonomiestatus. Das seit 1910 ebenfalls zu Japan gehörende Korea wurde 1948 in Nord- und Südkorea geteilt. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges kam es in Asien zu einer ganzen Reihe blutiger Konflikte wie dem Korea-, Indochina- und Vietnamkrieg. 1954 wurde Indochina in die souveränen Staaten Laos, Kambodscha sowie Nord- und Südvietnam aufgeteilt; 1976 erfolgte die vietnamesische Wiedervereinigung unter kommunistischer Herrschaft. Im chinesischen Bürgerkrieg errangen die Kommunisten nach 1945 den Sieg. Das Land wurde 1949 Volksrepublik und stieg zugleich zu einer Großmacht auf. Die Auflösung der Sowjetunion führt 1991 zur Entstehung zahlreicher neuer Staaten in Mittelasien, im Kaukasus und in Osteuropa.
Asien und Europa
Charakteristisch für den asiatischen Kontinent war im Altertum der Gegensatz zwischen den frühen Kulturen in Vorderasien, Indien und China einerseits und den zahlreichen, durch Sprache, Sitten und Bräuche unterschiedenen Nomadenvölkern der innerasiatischen Steppe und Arabiens. Durch Alexander den Großen, das Römische Imperium und das Byzantinische Reich stand Vorderasien in der Antike in einer engen kulturellen Beziehung zu Europa. Im 7. und 8. Jahrhundert drangen arabische Muslime bis Südasien vor und verbreiteten dort den Islam. Im 13. Jahrhundert eroberten Dschingis Khan und seine Nachfolger weite Teile des Kontinents und schufen mit dem Mongolenreich das größte Reich der Weltgeschichte.
Ein Schlüsselereignis für die Geschichte Asiens war die Entdeckung des Seewegs nach Indien durch Vasco da Gama 1498. Zunächst kamen die Portugiesen, gefolgt von den Niederländern, den Briten und Franzosen. Seit dieser Zeit, verstärkt ab dem 18. Jahrhundert, begannen die europäischen Kolonialmächte, Süd- und Südostasien unter sich aufzuteilen und Hegemonien auch in anderen asiatischen Räumen zu errichten. Spanien hielt bereits seit dem 16. Jahrhundert die Philippinen besetzt, Großbritannien unterwarf ab 1756 den indischen Subkontinent, Frankreich erwarb Indochina, die Niederlande besetzen die Sunda-Inseln als „Niederländisch-Indien“. Unterdessen entwickelte sich mit dem Niedergang des Osmanischen Reiches in der Nordhälfte Asiens Russland zur vorherrschenden Macht, vor allem auf Kosten des chinesischen Reiches. Um 1900 traten mit Japan und den USA weitere Kolonialmächte auf den Plan. Die USA entrissen Spanien 1898 die Philippinen, Japan besetzte Korea und die Mandschurei. Nur wenige Länder wie China, Afghanistan, Iran (Persien) oder Thailand konnten eine – allerdings oft eingeschränkte – Selbstständigkeit bewahren.
Zerfall der englischen Kolonialmacht
Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ sich die imperiale Herrschaft europäischer Mächte über asiatische Völker und Länder nicht mehr aufrechterhalten. Anführer der Unabhängigkeitsbewegung in Britisch-Indien war der 1869 geborene, 1948 ermordete Pazifist und Menschenrechtler Mahatma Gandhi. Seine Aufrufe zum zivilen Ungehorsam gegenüber der Kolonialmacht fanden einen breiteren Anklang in der Bevölkerung. Allerdings wurde seine zweite große antibritische Kampagne von den Muslimen des Landes schon nicht mehr mitgetragen; ab 1940 forderte die Muslim-Liga die Gründung eines unabhängigen Staates Pakistan.
Als Britisch-Indien 1947 in die Unabhängigkeit entlassen wurde, bemühte sich Gandhi vergeblich, die Einheit des Landes zu wahren; geteilt wurde es schließlich in die Staaten Pakistan, in dem der Islam zur Staatsreligion erhoben wurde, und das hinduistisch dominierte Indien. Ostpakistan wiederum spaltete sich aufgrund sprachlicher und kultureller Gegensätze 1971 als Bangladesch von Westpakistan ab. Die Grenzstreitigkeiten zwischen Indien und Pakistan um die überwiegend muslimische, aber dennoch zu Indien gehörende Kaschmirregion führten zu einem Dauerkonflikt, der auch durch die Teilung Kaschmirs 1966 nicht beigelegt werden konnte.
Sri Lanka, das frühere Ceylon, war 1505 an die Portugiesen gefallen, 1658 von den Holländern übernommen worden und 1796 in britischen Besitz gelangt. 1948 wurde die ehemalige Kronkolonie in die Unabhängigkeit entlassen. Ab den 1950er-Jahren kam es immer wieder zu blutigen Konflikten zwischen den singhalesischen und tamilischen Bevölkerungsgruppen. 1972 wurde Ceylon unter dem Namen Sri Lanka zur Republik. Die langjährigen ethnischen Konflikte zwischen Tamilen und Singhalesen mündeten 1983 in einen Bürgerkrieg, der erst 2009 endete. Wie auch Pakistan, Indien, Bangladesch und Malaysia ist Sri Lanka Mitglied des Commonwealth of Nations, einer losen Gemeinschaft souveräner Staaten aus dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland sowie ehemaliger Kolonien.
Myanmar, das vormalige Birma, war 1886 an Britisch-Indien und 1942 an Japan gefallen, bevor es 1948 die Unabhängigkeit erlangte. Offiziell eine sozialistische Republik, wurde Myanmar seit dem Staatsstreich von 1962 von einer Militärdiktatur regiert. Die von buddhistischen Mönchen und Nonnen angeführten Protestkundgebungen 2007 wurden von der Regierung niedergeschlagen. Erst seit 2011 hat das Land eine Verfassung und ein ziviles Staatsoberhaupt.
Die Teilung Koreas
Korea, seit 1905 japanisches Protektorat und seit 1910 japanische Kolonie, erhielt 1945 offiziell die Unabhängigkeit, war aber de facto im Norden von der Sowjetunion und im Süden von den USA besetzt. Auf Höhe des 38. Breitengrades wurde das Land 1948 in zwei Staaten gespalten. Der Einmarsch nordkoreanischer Truppen in den Südteil löste 1950 den Korea-Krieg aus, in dem der Süden im Auftrag der UNO von den USA Unterstützung erhielt, während der Norden chinesische Waffenhilfe bezog.
Das Waffenstillstandsabkommen von 1951 stellte die alten Grenzen wieder her, führte aber auch zu einer hermetischen Abgrenzung beider Staaten. Der Norden wurde kommunistisch, der Süden entwickelte sich zu einer westlich orientierten Republik.
Neue Wirtschaftsmacht VR China
In China kam es 1949 nach einem langjährigen Guerillakrieg zum Sturz der Regierung Chiang Kai-sheks. Mit rund zwei Millionen seiner Anhänger floh dieser auf die Insel Taiwan, auf der er 1950 die Nationale Republik China proklamierte. Bis 1971 hatte diese in der UNO den chinesischen Alleinvertretungsanspruch, der jedoch im Zuge der Annäherung der USA an die Volksrepublik China an die Volksrepublik verloren ging. Bis heute wird Taiwan von China als abtrünnige Provinz betrachtet und auch von den meisten Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen nicht als souveräner Staat anerkannt (vgl. 282.1).
In der Sozialistischen Volksrepublik China kam es unter Mao Tse-tung, dem Vorsitzenden der Zentralen Volksregierung, ab 1949 zu einer Verstaatlichung von Industrie und Handel und einer Kollektivierung der agrarischen Produktion. Während der „Kulturrevolution“ (1966–1969) ging die „Rote Garde“ rücksichtslos gegen vermeintliche politische Gegner vor, dennoch etablierte sich die VR China sukzessive als „dritte Weltmacht“. 1971 erfolgte die Anerkennung durch die UNO, 1972 markierte der Besuch des US-Präsidenten den Beginn einer vorsichtigen Öffnung nach Westen. Nach Maos Tod 1976 verfolgte China einen gemäßigt sozialistischen Kurs, die Demokratiebewegung von 1989 wurde jedoch niedergeschlagen. Der teils noch immer undemokratischen Innenpolitik steht in der Gegenwart die weitgehende Öffnung zur Marktwirtschaft gegenüber. Seit sich China Anfang der 1990er-Jahre verstärkt dem Außenhandel öffnete, erlebt das Land einen enormen Wirtschaftsboom.
Für die größten ethnischen Minderheiten im bevölkerungsreichsten Land der Erde wurden fünf autonome Gebiete eingerichtet: das Autonome Gebiet Innere Mongolei, das Uiguren-Gebiet Xinjiang im äußersten Westen, das Autonome Gebiet Xizang der Tibeter, das Autonome Gebiet Ningxia der muslimischen Hui und im äußersten Süden das Autonome Gebiet Guangxi der Zhuang. Die urbanen Ballungsräume Peking, Tianjin und Chongqing gehören mit Shanghai zu den vier regierungsunmittelbaren Städten, die direkt der Zentralregierung unterstellt sind und damit den gleichen Rang wie Provinzen und Autonome Gebiete haben.
Nachfolgestaaten der Sowjetunion
1985 führte die Wahl Michail Gorbatschows zum Generalsekretär der KPdSU zu tiefgreifenden politischen Veränderungen in der Sowjetunion, durch die sich in der Folge die asiatische Staatenwelt stark veränderte. Die demokratischen Reformen im Inneren wurden zum Auslöser für die Abspaltung vieler nichtrussischer Völker, die schließlich zum Zerfall der UdSSR führte. Am 26. Dezember 1991 wurde die einstige Weltmacht formell für aufgelöst erklärt. Auf ihrem Territorium entstanden neben der Russischen Föderation die Nachfolgestaaten Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan, Kirgisistan, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Ukraine, Weißrussland, Moldawien, Estland, Lettland und Litauen. Für unabhängig erklärt hat sich im Zuge des Zerfalls der UdSSR auch die zwischen Armenien und Aserbaidschan gelegene Region Bergkarabach, sie wird aber international nicht anerkannt (vgl. 282.1). Jüngste Konfliktherde sind die Krim, ukrainisches Staatsgebiet, das seit 2014 unter russischer Verwaltung steht, und die Ostukraine.
Zu den Gebieten, die einseitig ihre Unabhängigkeit erklärt haben, aber keine internationale Anerkennung besitzen, gehören Bergkarabach (zwischen Armenien und Aserbaidschan) sowie Südossetien und Abchasien (völkerrechtlich jeweils Teile Georgiens).