Überblick
Unter Bioklima wird der Einfluss von Witterung und Klima auf Lebewesen verstanden. Ein Aspekt dabei ist, wie sich Witterung und Klima auf das Wohlbefinden von Menschen auswirken („Human-Bioklimatologie“, „Human-Biometeorologie“). Der Mensch ist grundsätzlich in der Lage, mithilfe verschiedener Regulationsmechanismen seine Körperinnentemperatur auch bei variierenden Umgebungsbedingungen nahezu konstant zu halten. Je nachdem, wie stark das menschliche Thermoregulationssystem dabei gefordert ist, kann Klima und Witterung entweder als behaglich (0 °C bis 20 °C) oder als belastend (<0 °C oder >20 °C) empfunden werden.
Wärmebelastung und Kältereiz
Die Karte zeigt die Häufigkeit des Auftretens von sommerlicher Wärmebelastung und winterlichem Kältereiz in Deutschland, in den drei Kategorien „wenig“, „häufig“ und „oft“. Wärmebelastung tritt hauptsächlich bei strahlungsreichen Hochdruckwetterlagen mit hohen Lufttemperaturen, gegebenenfalls auch hoher Luftfeuchte (Schwüle) und geringer Luftbewegung auf. Kältereiz ist dagegen an niedrige Lufttemperatur, Wind („wind chill factor“) und/oder starke Bewölkung gebunden.
Kontinentalitätsgradienten
Der Fall, dass sommerliche Wärmebelastung und winterliche Kältereize zugleich oft oder zumindest häufig und oft auftreten, ist in Deutschland nicht repräsentiert. Dafür ist Deutschland nicht kontinental genug. Dennoch liegt Deutschland im Übergangsbereich zwischen einem maritimen und einem kontinentalen Klima. Dies drückt sich auch in der Karte in einer Zweiteilung Deutschlands aus, in eine westliche (überwiegend rosa gefärbte) und eine östliche (überwiegend grün gefärbte) Hälfte. Diese Gliederung folgt einem Kontinentalitätsgradienten. Im maritimen Westen treten zwar häufig Wärmebelastungen im Sommer auf, Kältereize im Winter fehlen aber weitgehend. Im etwas kontinentaleren Osten mit ausgeprägteren Jahresamplituden der Temperatur (s. 54.1) treten sowohl sommerliche Wärmebelastung als auch winterlicher Kältereiz zumindest häufig auf. Diese West-Ost-Unterschiede zeigen sich auch an den Küsten, wo die Wärmebelastung insgesamt gering ist, der Nordosten (von Rostock ostwärts) aber häufiger von Kältereizen betroffen ist als die Regionen weiter westlich.
Schon- und Reizklima
Darüber hinaus spiegelt die Karte die Reliefbedingungen Deutschlands wider: die oberrheinische Tiefebene ist oft von Wärmebelastung im Sommer gekennzeichnet. Hier ist die Wärmeabgabe behindert und thermische Belastungsfaktoren prägen das Bioklima, was das Anpassungsvermögen empfindlicher Personen, insbesondere bei Herz-Kreislauf-Schwäche oder Atemwegserkrankungen schnell überfordert. In den höheren Mittelgebirgslagen und den Alpen treten häufig bis oft Kältereize im Winter auf, weshalb man hier von einem Reizklima spricht. Die kühlen Bedingungen fordern den menschlichen Organismus und trainieren seine Regulationsfähigkeit. Wenn dadurch das Immunsystem gestärkt und Krankheiten positiv beeinflusst werden, können solche Orte zu Erholungsorten, Luftkurorten oder heilklimatischen Kurorten ernannt werden.
In den niedrigeren Mittelgebirgslagen etwa zwischen 400 und 600 Metern Meereshöhe spielen dagegen weder Kälte noch Wärme eine bedeutende Rolle für das Bioklima. Wärmebelastung und Kältereiz treten hier nur manchmal auf, weshalb man in diesen Fällen von einem Schonklima mit ausgeglichenen Wind- und Strahlungsbedingungen spricht. Ein solches Bioklima stellt minimale Ansprüche an die Thermoregulation des menschlichen Körpers und ist besonders für ältere Menschen und Personen in Rekonvaleszenz geeignet.
Urbane Wärmeinseln
In der Karte sind zudem ausgewählte Ballungszentren ausgewiesen, die sich als Wärmeinseln gegenüber ihrem Umland auszeichnen. Hier kann es durch Emissionen und Stadtklimaeffekte zu negativen Veränderungen des lokalen Bioklimas kommen. Aufgrund eines hohen Verkehrsaufkommens ist dort zudem mit einer hohen Luftverschmutzung zu rechnen.