Erde - Tourismus

Erde - Erde - Tourismus
978-3-14-100870-8 | Seite 48 | Abb. 1| Maßstab 1 : 90000000

Überblick

Der Massentourismus ist eine historisch junge Erscheinung, die sich in den wenigen Jahrzehnten ihres Bestehens zu einem mächtigen Wirtschaftszweig entwickelt hat. Nach Angaben der Welttourismusorganisation (UNWTO) wurden 2015 weltweit knapp 1,2 Mrd. Touristen gezählt. In der Branche werden inzwischen mehrere Billiarden Euro pro Jahr umgesetzt. Als Touristen definiert werden Personen, die zu Erholungs-, Geschäfts- oder sonstigen Zwecken an einen Ort außerhalb ihres gewöhnlichen Lebensumfelds reisen und sich dort für einen Zeitraum von mindestens 24 Stunden, maximal aber ein Jahr aufhalten. Das Wachstum im Tourismus soll nach Prognosen der UNWTO anhalten. Für das Jahr 2020 wird mit 1,4 Mrd. internationalen Touristen gerechnet, für das Jahr 2030 mit 1,8 Mrd.

Tourismusformen

Im Tourismus lassen sich verschiedene Formen unterscheiden. Die grundsätzlichste Differenzierung ist diejenige zwischen dem Privaturlaubs- und dem Geschäftsreiseverkehr. Beide Formen sind stark von wirtschaftlichen und konjunkturellen Entwicklungen abhängig. So hat der Geschäftsreiseverkehr durch die Öffnung der internationalen Warenmärkte seit den 1990er-Jahren stark zugenommen, er unterliegt aber konjunkturell bedingten Schwankungen. Auch im Privattourismus machen sich die ökonomischen Entwicklungen stark bemerkbar, da sich ein wirtschaftlicher Abwärtstrend immer in rückläufigen Ausgaben für das Reisen niederschlägt.

Der Vorläufer des Tourismus im frühen 19. Jahrhundert war die Sommerfrische, der verlängerte Erholungsaufenthalt auf dem Lande oder an der See (dort verbreitet als Badeurlaub), bald gefolgt vom beginnenden Wintertourismus (orientiert an Sportangeboten). Diese beiden klassischen Formen gibt es in modifizierter Form noch immer, allerdings haben sie durch eine konsequente Ausdifferenzierung des touristischen Angebots an Bedeutung verloren. Rückläufig ist der klassische Jahresfamilienurlaub, der Trend geht eher zu kürzeren, aber häufigeren Reisen. Stark zugelegt hat der Städte- und Kulturtourismus, auch dank gezielter Vermarktung. Kreuzfahrten, jahrzehntelang ein Statussymbol, werden inzwischen auch in erschwinglichen Preislagen angeboten. Dass sie inzwischen auch abgelegene Destinationen wie die Antarktis ansteuern, ist Ausdruck des allgemeinen Trends zum Abenteuer- oder Erlebnistourismus, von dem auch der Safaritourismus und viele "exotische" Ziele profitieren - seien es mondäne Luxushotels an abgelegenen Traumstränden oder der neueste Trend, das Slumhotel in einer Favela. Massiv zugenommen hat in den letzten Jahren auch der Pilgertourismus. Jährlich machen sich viele Millionen Menschen aller Religionen auf, um heilige Orte zu besichtigen oder um auf Pilgerrouten zur spirituellen Kontemplation zu finden.

Reiseziele weltweit

Die Übersicht über die Reisegebiete belegt, dass Europa im Hinblick auf den Tourismus der mit Abstand am stärksten erschlossene und am meisten besuchte Kontinent ist (s. a. Karten 120.1 - 121.3).

Zu den touristischen Verdichtungsgebieten weltweit zählen überdies weite Teile der nordamerikanischen Pazifik- und Atlantikküste, die Karibischen Inseln einschließlich der Halbinsel Yucatán, einige Küstengebiete und Metropolregionen in Ost- und Südostasien, die Malediven sowie Teile Australiens und Neuseelands. Von den mehr als 50 afrikanischen Ländern sind nur einige touristisch erschlossen, mit Schwerpunkten an der Mittelmeerküste sowie im Osten und Süden des Kontinents, während weite Teile vom Tourismus ebenso unberührt sind wie weite Gebiete Asiens und Südamerikas.

Zentren des Städtetourismus sind außer den europäischen und nordamerikanischen Metropolen vor allem Städte, die entweder eine lange Geschichte haben oder - wie Dubai oder Hongkong - erst in jüngster Zeit in den Rang von Weltstädten aufgestiegen sind. Angebote für den Erlebnis- und Abenteuerurlaub finden sich bevorzugt in Regionen, die wirtschaftlich schwach und touristisch wenig erschlossen sind, wodurch sich Relikte ihres einstigen Naturreichtums erhalten konnten. In einigen dieser Gebiete, etwa in Afrika, wird in jüngster Zeit verstärkt der Versuch unternommen, einen nachhaltigen, naturorientierten Tourismus aufzubauen zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen und zugleich der ansässigen Bevölkerung eine neue Einnahmequelle beschert.

Der Massentourismus ist in seinen Wirkungen ambivalent. Er hat einerseits neue Arbeitsplätze in besonders strukturschwachen Regionen und Ländern geschaffen, auf der anderen Seite ist er aus ökologischer Sicht nicht unbedenklich. Der Luftverkehr ist durch die Einführung von "Billigfliegern" in einem erheblichem Maße ausgeweitet worden, viele der einstmals schönsten Küsten haben durch unkontrollierte Bebauung ihren landschaftlichen Reiz verloren. In trockenen Regionen verschlingen Luxushotels und Golfplätze den Wasserbedarf mittelgroßer Städte, zum Nachteil der heimischen Bevölkerung.

Die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus kann anhand der Flächensignaturen erschlossen werden. So unterschiedliche Länder wie Kroatien, Griechenland, Marokko, Georgien, Kambodscha, Kenia, Panama, die Dominikanische Republik und Fidschi erzielen zwischen 20 und 50 Prozent ihrer Staatseinnahmen aus dem Tourismus und weisen damit eine sehr hohe Abhängigkeit von dieser Branche auf, eine Art Monostruktur. Dagegen weisen Länder wie die USA, Mexiko oder Frankreich zwar absolut hohe Besucherzahlen auf, erzielen andererseits aber nur vergleichsweise geringe Anteile ihrer Staatseinnahmen aus dem Tourismus. Dies ist ein Anzeichen für eine stark diversifizierte Wirtschaftsstruktur ohne einseitige Abhängigkeiten. Eine Zwischenstellung nehmen Länder wie Ägypten, Thailand, die Türkei oder Spanien ein. Dort ist der Anteil des Tourismus an den Staatseinnahmen mit Werten zwischen 10 und 20 Prozent zwar nicht extrem hoch, aber dennoch zeigt sich eine hohe Abhängigkeit, zumal vom Tourismus immer auch indirekte ökonomische Impulse für die Bauindustrie, die Gastronomie, den Verkehr und den Einzelhandel ausgehen.

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