EU/EWR - Bevölkerungsentwicklung

Europa - Zusammenschlüsse und Kooperationen
978-3-14-100919-4 | Seite 76 | Abb. 4| Massstab 1 : 36000000

Überblick

Die regionale Bevölkerungsdichte wird im Wesentlichen durch zwei Faktoren bestimmt: durch die natürliche Bevölkerungsentwicklung infolge von Geburten und Sterbefällen und durch interregionale Wanderungen. Während die natürliche Bevölkerungsentwicklung vom generativen Verhalten, der Lebenserwartung und der Altersstruktur abhängt, sind für die interregionalen Migrationsbewegungen vor allem wirtschaftliche und politische Faktoren wie die Beschäftigungssituation und die allgemeinen Lebensbedingungen in den jeweiligen Regionen der Europäischen Union (EU) bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) ausschlaggebend.

Zwischenstaatliche Migrationsbewegungen

In der EU und im EWR hat sich das natürliche Bevölkerungswachstum seit den kulturell-gesellschaftlichen Veränderungen und medizinischen Neuerungen vor allem der 1960er Jahre generell verlangsamt. Zwar sind die Sterberaten weitgehend konstant geblieben, die Geburtenraten sind jedoch stetig zurückgegangen. Dagegen verlaufen die Wanderungsströme – ganz besonders in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung in den potenziellen Abwanderungs- bzw. Zuwanderungsregionen – zeitlich instabil. So gab es über lange Zeit grossräumige Migrationsbewegungen von den strukturschwachen Agrarregionen an der südlichen und westlichen Peripherie Europas, die zum Teil ein besonders hohes natürliches Bevölkerungswachstum aufwiesen, in die zentral gelegenen Industrie- und Dienstleistungsregionen mit überdurchschnittlicher Wirtschaftskraft. Solche Migrationsmuster können sich allerdings rasch ändern. Portugal beispielsweise zählte Anfang der 2000er-Jahre noch zu den Zuwanderungsländern, vor allem für Arbeitsmigranten aus aussereuropäischen Staaten und den Transformationsländern Osteuropas; heute gehört es zu den Ländern mit starken Wanderungsverlusten. Aufgrund der Diskontinuität dieser Wanderungsbewegungen sind die Darstellungen regionaler Wanderungssalden immer nur Momentaufnahmen.
Neben dauerhaften Wanderungen sind auch starke Ströme von Arbeitspendlern zu beobachten. Dabei wird der Wohnort nicht zwangsläufig verlagert, sondern Pendler leben saisonal oder zeitlich befristet am Arbeitsort bzw. bewegen sich täglich zwischen ihrem Wohn- und Arbeitsort, was insbesondere durch den Wegfall der Personengrenzkontrollen im Schengen-Raum und den Angleichungen im gemeinsamen Binnenmarkt befördert wird.

Binnenmigration

Neben der zwischenstaatlichen Migration gibt es Wanderungsbeziehungen innerhalb der einzelnen Länder. Abwanderungsverluste verzeichnen oftmals ehemalige Industriestandorte und besonders strukturschwache Regionen – in der Schweiz vor allem Hochgebirgstäler der Alpen (vgl. Karte 43.5), die entweder verkehrstechnisch ungünstig an Städte angebunden sind (z. B. das Engadin) oder aber eine hohe verkehrstechnische Belastung aufweisen (z. B. die Leventina). Attraktive Zielgebiete sind in fast allen Ländern Europas die jeweiligen Hauptstädte und die Metropolregionen mit hoher Wirtschaftskraft.

Natürlicher Bevölkerungssaldo

Im Unterschied zu den Wanderungsbewegungen gibt es bei der natürlichen Bevölkerungsentwicklung zwischen vielen EU/EWR-Regionen nur geringe Unterschiede (siehe die drei mittleren Klassen von -4 bis +2 Promille). Allerdings finden sich ebenso viele Regionen, die starke natürliche Bevölkerungsrückgänge aufweisen und dabei ganze Länder umfassen, wie z.B. in Portugal, Kroatien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland und Litauen. Besonders betroffen sind auch die ostdeutschen Bundesländer sowie Zentral- und Nordwestspanien und Nord- und Mittelitalien. In einigen nördlichen Regionen der EU / des EWR zeigt sich hingegen ein besonders positives natürliches Bevölkerungswachstum, wie z. B. in Irland, Island oder Lettland.

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