Europäischer Wirtschaftsraum - Wirtschaftskraft der Regionen

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978-3-14-100870-8 | Seite 109 | Abb. 4| Maßstab 1 : 30000000

Überblick

Das Wohlstandsgefälle in der Europäischen Union hat sich seit 2004 stark vergrößert. Ursächlich dafür war zum einen die Aufnahme neuer Mitgliedsländer aus Osteuropa, zum anderen die wirtschaftlichen Folgen der Finanz- und Eurokrise ab 2007.

Abgesehen von wenigen Ausnahmen, etwa Teilregionen in Finnland, Schweden und Irland, lässt sich ein deutliches Einkommensgefälle zwischen den reichen Regionen Zentraleuropas - dem wirtschaftlichen Kernraum der EU - und den weit ärmeren Regionen in den Randlagen erkennen. Die niedrigste Wirtschaftskraft weisen die Länder Osteuropas auf, insbesondere Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Kroatien und Lettland, aber auch große Teile Polens und der Slowakei. An dem starken Reichtumsgefälle im Vergleich zu Mitteleuropa hat sich durch den EU-Beitritt dieser Staaten wenig geändert.

Griechenland dagegen, vor wenigen Jahren noch auf ähnlichem Niveau wie Frankreich, ist im Zuge der internationalen Finanzkrise in eine Staatsschuldenkrise geraten. Wie groß die Disparitäten innerhalb der Gemeinschaft sind, lässt der Vergleich der nationalen Kaufkraft erkennen, der beim Spitzenreiter Luxemburg ungefähr um das 20-fache größer ist als beispielsweise in Bulgarien. Deutschland liegt im EU-Vergleich im oberen Drittel.

Die Disparitäten innerhalb der Länder sind in der Regel geringer als zwischen Staaten, doch auch hier gibt es Ausnahmen. In Irland und Italien beispielsweise gibt es ausgeprägte Unterschiede zwischen Süden und Norden. Auch haben Hauptstadtregionen oft ein deutlich höheres Produktivitäts- und Kaufkraftniveau als andere Landesteile, wie in Spanien und Frankreich, der Slowakei und Ungarn zu sehen ist. In Deutschland existieren Disparitäten vor allem zwischen den westlichen und östlichen Bundesländern, die noch immer auf die unterschiedliche politische und wirtschaftliche Entwicklung in den Jahrzehnten vor der Wiedervereinigung 1990 zurückgehen.

Der Vergleich des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner mit der Bedeutung einzelner Wirtschaftssektoren lässt erkennen, dass ein hoher Anteil von Beschäftigten in der Landwirtschaft in der Regel mit einer geringen Wirtschafts- und Kaufkraft einhergeht, während in stark dienstleistungsbetonten Regionen oft ein deutlich höheres Produktions- und Einkommensniveau herrscht. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. In den Niederlanden beispielsweise hat die produktive Landwirtschaft einen hohen Stellenwert, was die Exporte, die Beschäftigten und den Anteil an der Wirtschaftsleistung des Landes betrifft, dennoch zählen die Niederlanden zu den am höchsten entwickelten Mitgliedsstaaten der EU.

Wirtschaftskraft und regionales Wohlstandsgefälle werden - ungeachtet einiger Schwierigkeiten im Hinblick auf Aussagefähigkeit und Vergleichbarkeit - durch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ermittelt. Letzteres bestimmt sich durch den Wert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb einer Zeitspanne in einer Region produziert wurden. Die Umrechnung des BIP in Kaufkraft-Euro bezieht auch die regionalen Preisunterschiede ein und ermittelt auf diese Weise den regionalen Wohlstand etwas präziser.

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