Heiliges Römisches Reich um 1000
Deutschland - Deutschland - Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation
978-3-14-100770-1 |
Seite 58 |
Abb. 1|
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Informationen
Das ostfränkische Königreich hatte sich zu Beginn des 10. Jahrhunderts zu einer Föderation der neueren Stammesherzogtümer Sachsen, Lothringen, Franken, Schwaben und Bayern entwickelt, die die östlichen Marken einschloss und auch die Oberhoheit über Böhmen hielt. Doch obwohl es einen König gab, fehlte dem Land ein politischer Mittelpunkt und eine politische Struktur, auf die die Krone ihre Autorität hätte gründen können.Das Reich unter Otto I.
Die Wiederherstellung dieser Königsmacht und einer vorübergehenden Einheit des Reichs war das Werk Ottos I., des Großen, des ehemaligen Herzogs von Sachsen. Gestützt auf eine starke Heeresmacht, errichtete er im Osten zwei Marken gegen die Slawen, dann besiegte er 955 auf dem Lechfeld die Ungarn. Nachdem er 962 die Langobarden unterworfen hatte, ließ er sich in Rom vom Papst zum Römischen Kaiser krönen und begründete damit nicht nur die Anwartschaft des ostfränkischen bzw. deutschen Königs auf die Kaiserwürde, sondern auch eine 300-jährige deutsche Oberhoheit über Nord- und Mittelitalien mit Ausnahme des päpstlichen Herrschaftsgebiets.
Gestützt auf die gewonnene Autorität gegenüber den Herzogtümern, begann Otto I. eine politische Neustrukturierung des Landes. Während er freie Herzogsämter mit den Mitgliedern seines Hauses besetzte, stärkte er zugleich die Macht der Bischofsämter, über deren Besetzung er ebenfalls entschied. Um die karolingische Tradition in Lothringen zu brechen, wurde das Land in Nieder- und Oberlothringen geteilt. Das von den Ungarn eroberte Kärnten wurde von Bayern abgetrennt und zum Herzogtum erhoben. Unter ihm und seinen Nachfolgern begann die deutsche Ausdehnung nach Osten, Böhmen wurde als Herzogtum ins Reich integriert. Um die Jahrtausendwende, zur Regierungszeit Ottos III., einem Enkel Ottos des Großen, vereinigte das Römische Reich slawische, romanische und germanische Völker. Unter der Herrschaft des salischen Königs Heinrich III. (10171056, regierte ab 1039) blieb die Königsmacht immer noch stark, doch führte der Investiturstreit zu einer Stärkung der Fürsten und einer nachhaltigen Schwächung des Königs.
Territoriale Gliederung
Wenn man das Deutschland des 10. und 11. Jahrhunderts auf der Karte betrachtet, stellt es sich als ein Gebilde mit einer übersichtlichen, großräumigen Herrschaftsverfassung dar. Der Eindruck trügt insofern, als die Bevölkerung eines mittelalterlichen Stammesherzogtums durchaus nicht in der Weise politisch gleichförmig organisiert war, wie es die Bürger eines modernen Staates sind. Auch war die Sammelbezeichnung Deutsche den damaligen Sachsen, Franken, Bayern und anderen noch unbekannt. Sie wurde ihnen erst während des Investiturstreits von den Italienern gegeben.
Die Stammesherzogtümer des Hochmittelalters hatten kaum staatliche Organe, kein stehendes Heer, weder Polizei noch einen Beamtenapparat. Die Herzöge waren mit den Einwohnern des von ihnen beherrschten Gebiets durch keinerlei Institutionen verbunden. Ihr Machtanspruch gründete sich zunächst auf den Grundbesitz ihrer Familien. Ausüben konnten sie diese Macht aber nur, wenn andere Grundherren und Adlige bereit waren, sie als Lehnsherren anzuerkennen und sich ihnen politisch und militärisch unterzuordnen. Es waren Personenverbandsstaaten, die anders als der Flächenstaat primär nicht auf der Herrschaft über ein Gebiet und die dort lebenden Menschen, sondern auf der Herrschaft über Vasallen, Abhängige (Hörige), persönliche Freie oder Unfreie, beruhten, die dem Grund- und/oder Lehnsherrn zu Diensten (Fron) und Abgaben (vorwiegend Naturalien und seit dem Spätmittelalter Geld) als Gegenleistung für dessen Schutz verpflichtet waren. So konnten in einem Dorf sehr unterschiedliche rechtliche und wirtschaftliche Abhängigkeiten bestehen. Die Machtverhältnisse waren auch in anderer Hinsicht unübersichtlich: Die adligen Herrn bestimmten nur selten über geschlossene Gebiete und die politische Herrschaft deckte sich häufig weder mit der Grundherrschaft noch notwendigerweise mit der Gerichtsbarkeit.
K. Lückemeier