Überblick
Zwischen dem Rheinfall und dem Neeracher Ried südwestlich des Höribergs sind fast sämtliche Erscheinungsformen aus den Kaltzeiten, die man im Mittelland sehen kann, vorzufinden. Der Kartenausschnitt umfasst den Grossteil des Zürcher Unterlandes, dessen Morphologie durch das Wechselspiel von fluvialer Erosion und Sedimentation einerseits und von riss- und würmkaltzeitlichen Vergletscherungen andererseits geprägt ist.Landschaftsformen im Kartenbild
Im Norden des Kartenausschnitts, im Kanton Schaffhausen bzw. auf deutschem Gebiet, sind mesozoische Sedimente als Ausläufer des Tafeljuras zu erkennen. Bei den meisten Erhebungen im dargestellten Gebiet (zum Beispiel Rhinsberg, Dättenberg und Irchel) handelt es sich dagegen um Molasseberge, die teilweise von risskaltzeitlichen Moränen und von älteren Deckenschottern bedeckt sind. Ihre Süd- und Südwesthänge werden bei Bülach, Eglisau, Buchberg und Freienstein für den Weinanbau genutzt. Sie heben sich im Kartenbild durch die mehrheitlich geschlossene Bewaldung gut vom tiefer liegenden Gelände ab. Bei diesem handelt es sich um Grund- und Endmoränen des würmkaltzeitlichen Linthgletschers (zwischen Bülach, Hochfelden und Niederglatt) und des Rheingletschers (im Nordosten des Kartenausschnittes). Innerhalb des Moränenwalls des Linthgletschers zurückgebliebene Zungenbecken- bzw. Toteisseen sind mit Ausnahme kleiner Reste (z. B. Stadler See nordwestlich des Höribergs, ausserhalb der Karte) bis heute fast völlig verlandet und bilden teilweise Sumpfgebiete. Ausserhalb der Moränenwälle liegen ehemalige Sanderebenen, in die sich die Flüsse Rhein und Glatt hineinerodiert haben und so markante Terrassenhänge bildeten.
Ganz im Norden liegt der Rheinfall, eine exklusive epigenetische Form. Während der Würmkaltzeit wurde der Rhein in weitem Bogen gegen Süden abgedrängt und erreichte oberhalb des Falles sein heutiges Bett auf hartem Malmkalk. Beim Übergang von den harten Malmkalken zur leicht abtragbaren risszeitlichen Schotterrinne entstand der Rheinfall vor rund 15 000 Jahren. Die Rheinfallfelsen bilden die Überreste der ursprünglich steil abfallenden Kalksteinflanke.
Die Kieslagerstätten im Zürcher Unterland sind zum einen ein bedeutendes Trinkwasserreservoir, zum anderen aber auch ein Bereich mit wirtschaftlich bedeutendem Rohstoff. Aus der Verflechtung von Siedlungsgebieten und Industriezonen an bester Verkehrslage (Pendler nach Zürich, Flughafen Kloten südlich von Bachenbülach, ausserhalb der Karte), der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung der fruchtbaren Böden und des Kiesabbaus sind Nutzungskonflikte geradezu vorprogrammiert. Zudem verursacht der Abtransport des Kieses durch Lastwagen für die Bevölkerung mancherorts kaum mehr zumutbare Lärmimmissionen.
Geologische Entwicklung
Die durch Sedimentgesteine dokumentierte Erdgeschichte des Zürcher Unterlandes beginnt im Triaszeitalter. Nach einer lange dauernden Festlandphase im Paläozoikum senkte sich die Geländeoberfläche in der Trias zunächst sehr langsam und im Jurazeitalter etwas schneller. In der Trias entstanden in einem tropischen Flachmeer unter anderem Evaporite (Gips, heute an der Nordseite der Lägern aufgeschlossen), im Jurazeitalter marine Mergel und Kalke. Kreidezeitliche Sedimentgesteine fehlen, da das Gebiet des östlichen Mittellandes während dieser Zeit wieder über dem Meeresspiegel lag und keine bleibende Ablagerung mehr stattfand (Schichtlücke). Im Zürcher Unterland wurden die mesozoischen Sedimentgesteine nur an einem Ort durch die Auffaltung der Lägern (östlichster Ausläufer des Faltenjuras) zugänglich. Der erosionsresistente Malmkalk bildet den markanten Gipfelgrat dieses Höhenzuges.
Etwa in der Mitte des Tertiärzeitalters beschleunigten sich die geologischen Vorgänge: Während im Süden die Überschiebungsphase, Verfaltung und bedeutendste Hebung der Alpen stattfanden, senkte sich gleichzeitig die Erdkruste im Mittelland. So entstand ein Trog, der wie geschaffen war, um den aus den werdenden Alpen durch Urflüsse transportierten Erosionsschutt, die Molasse, aufzunehmen.
Die tektonische Absenkung des Molassebeckens hielt zunächst in etwa mit der Sedimentationsrate Schritt. So konnte ein über 2 000 m mächtiges Schichtpaket aus vielfältigen Sandsteinen und Mergeln sedimentiert werden, ohne dass die Gesteinsoberfläche des Molassetrogs je sehr viel höher oder sehr viel tiefer als der aktuelle Meeresspiegel lag. Zeitweise fanden die Ablagerungen in einem Süsswassermilieu statt (Untere und Obere Süsswassermolasse), dann gab es aber auch eine Zeit lang eine Verbindung zum Meer (Obere Meeresmolasse; die Untere Meeresmolasse gibt es nur im südlichen Mittelland). Die Sedimente der Oberen Süsswassermolasse wurden übrigens nicht nur aus den Alpen, sondern zeitweise auch aus Nordosten, zum Teil auch aus dem Gebiet der Hegauvulkane ins Zürcher Unterland eingeschwemmt.
Durch eine rasche Hebung des Gebietes vor etwa 5 Mio. Jahren entstand eine Hochebene. Während des Quartärs erreichten mindestens zwölf Mal grosse Vorland- oder Piedmontgletscher das Gebiet. Die ältesten Gletschervorstösse sind aus der Deckenschotter-Zeit bekannt. Erst viel später erfolgte die Ablagerung der Moränen der Risskaltzeit und der letzten, der Würmkaltzeit. Auf den Höhenzügen des Rhinsberges und des Irchels liegen konglomeratartig verfestigte Schotter (ältere Deckenschotter oder „löchrige Nagelfluh“). Sie zeigen frühere Sanderebenen an. Man kann die flachen Gipfelterrassen des Irchels oder Stadlerbergs als Reste davon ansehen.
Flüsse bahnen sich ihren Weg
Aus Südosten einfliessende Flüsse sowie der Rhein erodierten in diese Landschaft Täler, an deren Seiten wir heute Einblick in die Stratigrafie der Molasse gewinnen sowie Fossilfundstellen entdecken können, z. B. marine Muscheln aus der Meeresmolasse oder Weiden- und Buchenblätter aus der Süsswassermolasse.
Den bereits zuvor angelegten Talrinnen folgten in der Würmkaltzeit der aus Südosten über das Zürcher Oberland vordringende Linthgletscher sowie der über den Bodenseeraum und Schaffhausen einfliessende Rheingletscher. Insbesondere der Linthgletscher hinterliess im Raum Steinmaur-Neerach-Stadel-Hochfelden-Bülach einen reichen Schatz glazialer Sedimentationsformen. Eine prächtige Endmoräne des „Killwangen-Stadiums“ befindet sich zum Beispiel bei Schöfflisdorf/Sünikon. Im Raum Bülach befinden sich einige typische Drumlins. Markantes Leitgestein des Linthgletschers sind rötliche Verrucano-Findlinge, lokal bekannt als „Rote Ackersteine“, deren Ursprungsgebiet in den Glarner Alpen liegt. Im Vorfeld der Endmoränen des Linthgletschers bildeten die abfliessenden Gletscherbäche markante Schmelzwasserrinnen, so zum Beispiel an der Nordseite des Strassberges, der so niedrig ist, dass ihn die Zunge des Linthgletschers gerade noch überfahren konnte. Die spektakulärste Schmelzwasserrinne bildet aber zweifellos das kerbförmig eingeschnittene Tal des Rheins zwischen dem Buchberg und dem Irchel. Man muss sich vorstellen, dass die glazialen Schmelzwasser nicht regelmässig anfielen, sondern dass immer wieder katastrophal verlaufende Ausbrüche gewaltiger Wassermengen erfolgten (Auslaufen randglazialer Seen oder von innerhalb des Eises gespeicherten Wassertaschen). Solche Gletscherhochwasser entwickelten, wenn auch nur vorübergehend, ein gewaltiges Erosionspotenzial. Vergleichbare Prozesse lassen sich heute in der Arktis, aber auch im Alpenraum beobachten.
Im Vorland der Endmoränen der würmkaltzeitlichen Gletscherzungen wurden Sanderflächen beträchtlichen Ausmasses aufgeschottert. Je nach Erosionskraft und momentanem Niveau des Rheins und seiner Nebenflüsse (wie Töss oder Glatt) wurden in diese Schotterfluren wiederum Flusstäler eingeschnitten. Das geringe Gefälle der Flüsse Rhein, Töss und Glatt begünstigte die Mäanderbildung. Im Zuge der Gewässerkorrektionen im Mittelland wurden einige Flussabschnitte begradigt und die meisten durch Hochwasserdämme gesichert. Künstlich abgetrennte Altwasser sind im Kartenausschnitt bei Rüdlingen (Kanton Schaffhausen) zu erkennen. Sie haben heute als Schutzgebiete für Wasservögel eine grosse Bedeutung.
Kiesvorkommen und -abbau
Dieses Wechselspiel von Sedimentation und Erosion spiegelt sich in den auffälligen Terrassenhängen (Niederterrassenschotter) wider, beispielsweise bei Glattfelden, Eglisau oder Rüdlingen (Kanton Schaffhausen). Alluviale Kiese sind als Rohstoff wertvoller als beispielsweise Moränenschotter. Während des Transportes durch die Flüsse wurden die weicheren Komponenten ausgewaschen und fortgeschwemmt. Angereichert im Kies sind gut gerundete, widerstandsfähige Komponenten, die die Alluvialkiese des Zürcher Unterlandes zu einem wichtigen Rohstoff machen. Von den rund 3 Millionen Kubikmeter Kies, die im Jahr 1990 im Kanton Zürich gewonnen wurden, stammten 2,5 Millionen aus dem Zürcher Unterland. Die Nähe der Agglomeration Zürich und eine gute Verkehrserschliessung bilden weitere, günstige Standortfaktoren für die Kiesgruben, von denen einige gewaltige Dimensionen haben. Da bei weitem zu wenig geeignetes Material zum Wiederauffüllen ausgebeuteter Gruben vorhanden ist, müssen diese auf teilweise tieferem Niveau als die ursprüngliche Geländeoberfläche rekultiviert werden. Bekannt geworden ist unter anderem das Kieswerk Hüntwangen, auf dessen Rekultivierungsflächen sich bereits wieder landwirtschaftliche Betriebe und sogar Rebberge (sogenannter „Grubenwein“) befinden.
Zwar werden die grössten Kiesmengen mit der Bahn abtransportiert. Spürbar für die Bevölkerung sind jedoch die Strassentransporte des Kieses, der dem lokalen und regionalen Baugewerbe zugeführt wird. Massive Verkehrsbelastungen durch solchen Schwerverkehr entstehen zum Beispiel in Eglisau, wo eine einzige Strassenbrücke das Rafzerfeld (nördlichster Teil des Kantons Zürich) mit dem restlichen Zürcher Unterland verbindet. Grosse Lagerstätten von Alluvialkies bleiben allerdings unantastbar, da sie unter Siedlungen oder Wald (Schutz durch die Forstgesetzgebung) oder in Grundwasserschutzgebieten liegen.