Überblick
Als Huerta werden gartenbaulich intensiv genutzte, vorzugsweise in Flussauen gelegene Flächen bezeichnet. Die Huerta von Murcia beginnt westlich von Murcia, nachdem der Fluss Río Segura, von Norden kommend, die Gebirgsausläufer der Betischen Kordillere durchbrochen hat und bei Alcantarilla rechtwinkligin eine tektonische Längssenke abbiegt. Sie liegt unweit des Mittelmeers, etwa 80 Kilometer von Alicante entfernt (s. 132.1).
Die bewässerten Flächen lassen sich unterschiedlichen Enwicklungsphasen zuordnen. Gegenüber der traditionell bewirtschafteten Fläche in der Flussaue fand eine Ausweitung der Anbauflächen zunächst auf der Grundlage von Brunnenbewässerung, später mit Wasser aus Fernleitungen statt. Dadurch wurden Flächenverluste in der Flussaue infolge von Siedlungswachstum mehr als kompensiert.
Naturräumliche Gegebenheiten
Die Huerta hat eine mehr als tausendjährige Kulturtradition und gehört zu den ältesten Bewässerungsgebieten am Río Segura. Sie ist sowohl nach Nordwesten als auch nach Südosten gegen Starkwinde und Kälteeinbrüche geschützt. Januartemperaturen mit einem mittleren Minimum von 6 °C und einem mittleren Maximum von 16 °C zeigen die thermische Begünstigung der Region; es werden mehr als 2900 Sonnenstunden pro Jahr gemessen. Diese Rahmenbedingungenermöglichen zwei bis drei Ernten pro Jahr auf der gleichen Parzelle. Zugleich profitiert die Landwirtschaft im Südosten Spaniens von einem zeitlichen Erntevorsprung von bis zu zwei Monaten im Vergleich zu konkurrierenden Gartenbaugebieten.
Die Kehrseite der thermischen Begünstigung ist die prekäre Wasserverfügbarkeit im Sommerhalbjahr. Die durchschnittlichen Jahresniederschläge erreichen in Murcia nicht einmal 300 Millimeter, die sommerliche Verdunstung ist sehr hoch. Obstbaumkulturen benötigen im Jahresdurchschnitt jedoch rund 7000 Kubikmeter Wasser pro Hektar. Dies machte eine Bewässerung landwirtschaftlicher Intensivkulturen zwingend erforderlich. Da das Wasser dafür überwiegend dem Río Segura entnommen wird, hat die Huerta von Murcia den Charakter einer Flussoase.
Die Huerta von Murcia sieht sich mit natürlichen Risiken konfrontiert. Das geringe Gefälle der Flussaue führt bei außergewöhnlichen Starkniederschlägen zu episodischen Überflutungen, die im Einzelfall katastrophale Ausmaße annehmen können.
Niedergang der traditionellen Landwirtschaft
Die traditionelle „Huerta-Wirtschaft“ basiert auf der Bewässerung mit Flusswasser (s. Karte: gelbe Flächen). Die randlichen Hauptbewässerungskanäle, die das Frischwasser heranführen, zweigen bereits an der Engtalstelle nördlich von Alcantarilla an einem Stauwehr ab (s. Karte). Die in der Karte rot markierten Entwässerungskanäle, die das überschüssige Bewässerungswasser ableiten, münden weiter talabwärts wieder in den Fluss, sofern sie nicht Reliktwasser in andere Bewässerungskanäle einspeisen.
Auf der Basis dieses uralten Kanalbewässerungssystems und eines nicht minder alten Wasserrechts hatten sich in der Huerta von Murcia vorwiegend Kleinstgartenbaubetriebe ausgebildet. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Anteil des Wintergetreides an der bewässerten Nutzfläche zunehmend reduziert, zugunsten von Obst und Gemüse, die bis zu drei Ernten pro Jahr ermöglichten. Parallel dazu wurde die Gartenbaufläche in den Randlagen, die außerhalb der Reichweite des Kanalbewässerungssystems lagen, durch Brunnenbewässerung immer weiter ausgedehnt (s. Karte: hellgrüne Flächen).
Etwa ab den 1950er- und 1960er-Jahren setzte ein schleichender Entwertungsprozess ein, der vor allem durch eine selektive Abwanderung von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft in die aufstrebende spanische Industrie ausgelöst wurde.
Neue Bewässerungs- und Anbauverfahren
Der allgemein steigende Wasserbedarf und konkurrierende Nutzungsansprüche durch die urbane Wohnbevölkerung, den Tourismus und andere Gewerbe setzten dieLandwirtschaft als größten Wasserverbraucher in der Folgezeit zunehmend unter Druck. Zum Kennzeichen einer neuen Form der Bewässerungslandwirtschaft wurden moderne, Wasser sparende Bewässerungstechniken. Vor allem die Tröpfchenbewässerung ersetzte zunehmend nicht nur die traditionelle Furchenbewässerung, sondern auch die Beregnung im Gartenbau.
Seit 1980 wird Wasser aus dem Quellgebiet des Tajo (Luftlinie 320 Kilometer entfernt) über den Fluss Júcar in den Río Segura eingeleitet (s. 132.1; Tajo-Segura-Überleitungskanal). Auch die Provinz Murcia wird so mit Wasser versorgt. Dank flexibel verlegbarer Druckrohrleitungssysteme kann das Wasser nun auch in Hanglagen geführt werden, wo es in dezentrale Wasserspeicher gepumpt wird. Von dort aus wurden die Hanglagen am Fuß der Gebirgsketten für Bewässerungskulturen erschlossen (s. Karte: dunkelgrüne Flächen).
Die verstärkte Nachfrage nach Winter- und Frühgemüse (vgl. Fruchtfolgeleiste) führte in der Huerta von Murcia zu einer wichtigen Innovation, der Wachstumsbeschleunigung durch Plastiküberdeckungen. Die technischen Varianten reichen inzwischen von aufliegenden Plastikplanen, die lediglich „Fenster“ für einzelne Pflanzen offen lassen, über sogenannte Mikrotunnel bis hin zu begehbaren, in der Regel unbeheizten Plastiktreibhäusern.
Strukturwandel in der Huerta
In der Huerta von Murcia ist der Wandel der Bewässerungslandwirtschaft mit einem tief greifenden sozioökonomischen und ökologischen Strukturwandel verbunden. Die Ausweitung der Bewässerungsflächen auf Hangpartien hat deren flächenhafte Rodung erzwungen. Die neu entstandenen Parzellen sind etwa neun Hektar groß. An den Hängen werden Erosionsprozesse verstärkt, in deren Folge die Ablagerung von Sedimenten in der Flussaue zunimmt.
Die kapitalintensiven technischen Modernisierungen waren für die traditionellen Kleinstbetriebe im Regelfall unerschwinglich. Deshalb herrschen inzwischen Mittelbetriebe mit zwei bis drei Hektar Landfläche vor, die ihre Produkte überwiegend genossenschaftlich vermarkten. Trotz eines erhöhten Mechanisierungsgrads ist der Arbeitskräftebedarf in der Huerta-Wirtschaft weiterhin beträchtlich. Als Arbeitskräfte werden zunehmend Migranten aus Nordafrika, Lateinamerika und Osteuropa eingesetzt, die nicht selten illegal beschäftigt werden.
Physiognomisch dominantes Merkmal für den aktuellen Strukturwandel ist die Suburbanisierung. Sie äußert sich in Neubauflächen im Anschluss an traditionelle Ortskerne und in einer ungeordneten Ausweitung der Streusiedlungen innerhalb der Flussaue. Inzwischen sind mehr als 50 Prozent der einstigen Huerta-Fläche versiegelt.