Kilimandscharo/Meru (Tansania) - Natur- und Kulturlandschaft

Afrika - Afrika - Ökozonale Landnutzung
978-3-14-100800-5 | Seite 151 | Abb. 6| Maßstab 1 : 500000

Überblick

Die Karte zeigt die Höhenstufen der Naturlandschaft und der Landnutzung im Gebiet des Kilimandscharos im Norden Tansanias. Die historische Raumentwicklung schlägt sich in den unterschiedlichen landwirtschaftlichen Betriebsformen nieder. In den Ebenen dominiert die (halb-)nomadische Weidewirtschaft, an den Gebirgshängen überwiegen hingegen die Kleinbauern, die Kaffeeplantagen und die Staatsfarmen.

Gegensätze zeigen sich auch im Siedlungsbild (etwa in der Verteilung von Dörfern und Städten), in der Besiedlungsdichte und der Verkehrsinfrastruktur (Wege, Pfade, Allwetterstraßen, Bahnlinien, Flugplätze). Die auch für die Trockengebiete vergleichsweise hohe Siedlungsdichte führt zu Umweltbelastungen.

Geologie und Klima

Beherrschende Landschaftselemente in der Region sind die beiden großen Vulkanmassive des Kilimandscharo (5895 Meter, höchster Berg Afrikas) und des Meru (4565 Meter, vierthöchster Berg des Kontinents). Sie ragen von den Trockensavannen der Rumpfflächen (Höhen um 800 bis 1000 Meter) bis in die nivale Stufe auf. Der Ngurdoto-Krater und die Caldera an der Ostflanke des Meru, der kleine Krater des Kibo in der Gipfelregion des Kilimandscharo und die Kegelform beider Bergriesen sind Belege ihrer vulkanischen Herkunft. Die drei Ausbruchszentren des Kilimandscharo (Shira, Kibo, Mawenzi) sind wegen ihrer linearen West-Ost-Anordnung verantwortlich für dessen ovale Grundform.

Die Teilkarte der mittleren Jahresniederschläge zeigt, dass die Bergmassive von Kilimandscharo und Meru „Feuchtinseln“ im ostafrikanischen Trockengebiet sind. Die umgebenden Gebiete haben Jahresniederschläge von weniger als 800 Millimetern. Sie liegen unterhalb der Grenze eines rentablen Regenfeldbaus in Ostafrika und weisen eine hohe Dürregefährdung auf. Dominierende natürliche Vegetationsformationen sind dort Trockensavanne, trockene Grasländer und zum Teil auch Dornstrauchsavanne. Im Nordwesten der Region (< 400 mm Jahresniederschlag) bildet sich allenfalls eine schüttere Pflanzendecke aus. Zu den Ursachen dieser Vegetationsarmut zählen neben dem Niederschlagsmangel die Salz- und Salztonkrusten des abflusslosen Amboseli-Beckens, in das Wasserläufe vom Westhang des Kilimandscharo und vom Nordhang des Meru münden.

Demgegenüber steigen die Niederschläge an den Bergmassiven rasch auf bis zu 2500 Millimeter pro Jahr an. Es zeigt sich aber ein deutlicher Luv-Lee-Gegensatz. Außerdem ist eine vertikale Differenzierung der Niederschläge zu beobachten, ein typisches Kennzeichen tropischer Gebirge. Ganzjährig liegt ein Nebelgürtel in der Höhenstufe maximaler Feuchteadvektion; darüber herrschen trockene Luftmassen vor. Die Niederschlagssumme sinkt dort auf weniger als 500 Millimeter pro Jahr (s. Karte, Kibo).

Höhenstufung der Vegetation

Die Höhe und Verteilung der Niederschläge, die Exposition der Gebirgshänge und die Unterschiede hinsichtlich der Temperatur und der Zusammensetzung des Bodens sind ausschlaggebend für die ausgeprägte Höhenstufung der Vegetation und Bodennutzung. Die flächenmäßig dominierenden Trockengebiete mit weniger als 800 Millimetern Jahresniederschlag bestehen je nach lokalem Regenaufkommen und Bodenbedingungen aus anthropogen überprägter Trocken-, Dornstrauch- und schütterer Grassavanne. Sie werden von den Massai überwiegend weidewirtschaftlich für die Haltung von Rindern und Ziegen genutzt. Aufgrund des starken Bevölkerungswachstums dringt am Süd- und Ostfuß des Kilimandscharo die ackerbauliche Nutzung immer weiter in Gebiete mit weniger als 800 Millimetern jährlichem Niederschlag vor.

An die trockenen Fußflächen schließt sich am Süd- und Osthang des Kilimandscharo sowie am Südhang von Meru und Ngurdoto-Krater in einer Höhenlage von 1000 bis 1200 Metern eine überwiegend kleinbäuerlich strukturierte, teilweise von Kaffeepflanzungen durchsetzte intensiv genutzte Ackerbaustufe an. Im Gegensatz zu den weitgehend natürlich geprägten Höhenstufen und den dünn besiedelten oder gar unbewohnten Trockengebieten der Gebirgsfußzone weisen die Ackerbaustufe und die feuchten Teile der Trockensavanne eine dichte kleinbäuerliche Besiedlung in Form von Einzelhöfen auf.

Oberhalb dieser Ackerbaustufe ragt die Stufe des tropischen Berg- und Nebelwaldes empor, die an den Luvseiten der Bergmassive wesentlich breiter ausgebildet ist als an der nördlichen Leeseite. Aufgrund der ganzjährig feuchten Witterung und der Niederschlagsmaxima existiert dort ein üppiger „Nebelwald“.

Oberhalb der vielfach von Baumheiden gebildeten Waldgrenze folgt die Stufe des afroalpinen Graslandes. Zwischen 3600 und 4100 Metern Höhe beginnt die aus Lavagestein gebildete Fels- und Frostschutt-Stufe. Sie geht je nach Exposition zwischen 4800 und 5400 Metern Höhe in die nivale Stufe, die Schnee- und Eisregion des Kibo, über. Die Gletscherflächen am Kibo gingen von zwölf Quadratkilometern (1912) auf heute weniger als zwei Quadratkilometer (2011) zurück.

Zur Landnutzung

Dank der großen naturräumlichen Vielfalt auf engem Raum, der fruchtbaren vulkanischen Böden, der abgestuften Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse und nicht zuletzt auch der reichen Pflanzen- und Tierwelt hat die Region um den Kilimandscharo und den benachbarten Meru ein hohes agrar-, forst- und wasserwirtschaftliches und touristisches Potenzial. Zum Schutz der einmaligen Flora und Fauna wurden die Bergregionen des Kilimandscharo oberhalb von 2000 Metern sowie der Ngurdoto-Krater und Teile seines Umlandes zu Schutzzonen erklärt. Der Arusha-Nationalpark existiert seit 1960, der Kilimandscharo-Nationalpark seit 1973.

Die Schnee- und Eisregion des Kibo und der Gürtel des tropischen Berg- und Nebelwaldes haben infolge der ganzjährig relativ gleichmäßigen Abflussspende eine lebenswichtige Funktion als Trink- und Brauchwasserspeicher für die gesamte tiefere Hang- und Fußregion. Außerdem ist der Berg- und Nebelwald ein unentbehrliches Brenn-, Nutzholz- und Stallfutterreservoir. Große Teile des natürlichen unteren Bergwaldes sind in den letzten Jahrzehnten durch monotone Forste aus schnellwüchsigen Eukalypten und Nadelhölzern für Schnitt- und Bauholz und die Zündholzindustrie ersetzt worden. Auch die vermutlich edaphisch bedingten großen Waldlichtungen (Glades) im Berg- und Nebelwald, die bis vor zwei Jahrzehnten für den Anbau von Pyrethrum genutzt wurden, sind inzwischen aufgeforstet worden.

Schwerpunkte des Anbaus

Heute werden in den meist weniger als einen Hektar großen Betrieben Arabica-Kaffee (Weltmarktabsatz), Bananen (Ernährung, lokale Märkte, Bier und Viehfutter) sowie Mais und verschiedene Hackfrüchte (Süßkartoffeln, Kassava, Yams) als Unterkulturen auf dem hofnahen Innenfeld angebaut. Auf dem trockeneren, tiefer gelegenen Außenfeld werden Mais, Bohnen, Hirse und Baumwolle angebaut. Die Brachflächen und die nicht ackerbaulich nutzbaren Trocken- und Grassavannen dienen als Viehweiden.

Am dünn besiedelten West- und Südwestfuß des Kilimandscharo sowie am West- und Nordabfall des Meru dominieren mechanisierte staatliche Großbetriebe die landwirtschaftliche Bodennutzung. Seit der „Arusha-Deklaration“ des damaligen Staatspräsidenten Nyerere wurden bis 1973 sowohl die Sisal- und Kaffeeplantagen als auch die Farmen europäischstämmiger Besitzer ausnahmslos enteignet und verstaatlicht. Eine Aufteilung an afrikanische Bauern stand im Widerspruch zu den Absichten des tansanischen (Ujamaa-)Sozialismus.

Bevölkerungswachstum und Urbanisierung

Heute gehören die Siedlungsgebiete der Chagga und der Arusha mit mehr als 500 Einwohnern pro Quadratkilometer zu den am dichtesten bevölkerten Agrarlandschaften Afrikas. Der Landmangel, eine Folge des Bevölkerungswachstums und der Realerbteilung, zwingt immer mehr junge Menschen zur Abwanderung in die Städte oder in weniger bevölkerte Siedlungsgebiete in anderen Landesteilen.

Ein weiteres Vordringen der ackerbaulichen Nutzung und der Besiedlung in die Trockengebiete ist nicht möglich: Zum einen ist die Ackernutzung aufgrund der hohen ökologischen Sensibilität zu risikoreich (Dürrerisiko, Erosionsgefahr), zum anderen käme es zu gravierenden Nutzungskonflikten mit den Massai, die dort Viehzucht betreiben.

Die hohe Besiedlungsdichte und Übernutzung haben ohnehin schon in den landwirtschaftlich genutzten Stufen zu besorgniserregenden ökologischen Schäden geführt: Zu nennen sind Vegetationszerstörung, Wasser- und Winderosion besonders an Steilhängen und in Trockengebieten, Grundwasserabsenkung sowie Bodenvergiftung durch die Anwendung von Agrarchemikalien.

Die Städte Arusha und Moshi haben sich zu den bedeutendsten Regionalzentren in Nordtansania entwickelt

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