Nordpolargebiet (Arktis) - Naturraum

Polargebiete
978-3-14-100900-2 | Seite 252 | Abb. 1| Maßstab 1 : 48000000

Überblick

Der Bereich um den Nordpol wird von dem 12,3 Mio. km2 großen und bis 5 449 m tiefen Nordpolarmeer mit Barentssee und anderen Meeresgebieten, vielgestaltigen Inseln und den Nordküsten Nordamerikas und Eurasiens eingenommen. Das Nordpolargebiet lässt sich in zwei Teilräume untergliedern. Die Polarzone wird von den Beleuchtungsverhältnissen und dem Phänomen des Polartags bzw. der Polarnacht bestimmt und reicht bis zum nördlichen Polarkreis (66,5 Grad nördliche Breite). Die südlich daran anschließende arktische Zone wird durch die 10 °C-Isotherme der mittleren Julitemperatur begrenzt (in der Karte als rote Linie markiert), die der Baumgrenze entspricht. Die arktische Zone umfasst auch große Teile der Tundrengebiete im nördlichen Eurasien und in Nordamerika. Größere Siedlungen markieren die Grenze der Anökumene, des unbewohnbaren Teils der Erde.

Klima und Landschaft

Die Polargebiete bilden die Zonen der hohen Breiten. Die wechselnden Strahlungsverhältnisse führen zu Lichtjahreszeiten (Polartag im Nordsommer, Polarnacht im Nordwinter). Trotz des Polartags bleibt es auch in den Sommermonaten kalt oder kühl (vgl. Klimadiagramm Svalbard). Am Nordpol herrscht eine Jahresdurchschnittstemperatur von –18 °C.

Die vom kalten Klima bestimmten naturräumlichen Bedingungen und Landschaftsformen der Polargebiete –Gletscher, die bis zum Meeresniveau vorstoßen, Meereis, Permafrost, Tundra, Frostschutt und Eiswüste – reichen auf den umliegenden Kontinenten unterschiedlich weit nach Süden. Das Eis der Gletscher türmt sich im grönländischen Inland zu einem bis über 3 000 m hohen Plateau auf. Seine Basis liegt stellenweise unter dem Niveau des Meeresspiegels.

Die Arktis erhält in weiten Teilen nur geringe jährliche Niederschläge. Sie fallen hauptsächlich als Schnee, der über lange Zeit erhalten bleibt. An einem Eisbohrkern aus Camp Century auf dem Inlandeis in Nordwestgrönland konnte aber nachgewiesen werden, dass die Region im frühen Pleistozän sogar eisfrei war. Aus dem temperaturabhängigen Verhältnis der Sauerstoffisotope 16O/18O in diesem Bohrkern lässt sich die Klimaentwicklung der letzten 100 000 Jahre errechnen. Die großen Eismassen der Polargebiete sind Archive der langfristigen Klimaentwicklung auf der Erde.

Vegetation, Dauerfrostboden und wirtschaftliche Nutzung

Die Vegetationsperiode der Tundra ist bei Durchschnittstemperaturen von unter 10 °C im wärmsten Monat zu kurz und zu kühl für Baumwuchs. In kontinentalen Bereichen, etwa in Nordwestkanada und Sibirien, wird die Baumgrenze bereits bei der 12 °C-Juli-Isotherme erreicht.

Der geschlossene und inselartige Dauerfrostboden (Permafrost) reicht bis weit nach Süden in die Gebiete der Nadelwälder. An den Küsten der Beaufortsee und Sibiriens liegt der Dauerfrostboden im Bereich der nacheiszeitlichen Überflutungen im Schelfbereich unterhalb der Meeresoberfläche. Dies ist für die Offshoreexploration und -förderung von Erdgas und Erdöl von Bedeutung. An Land bildet sich über dem Permafrost im Sommer eine flache, meist nur wenige Dezimeter mächtige Auftauschicht. Sie bestimmt die geomorphologischen Prozesse und Formen, z. B. Frostmusterböden, beeinflusst aber auch die wirtschaftliche Nutzung, denn alle Bauten und Anlagen müssen besonders gesichert werden.

Im Nordpolargebiet sind sowohl auf den Kontinenten als auch im marinen Bereich viele Bodenschätze vorhanden, Metallerze besonders in den Formationen der alten Schildstrukturen und Erdöl und Erdgas in den geologisch jungen Sedimenttiefländern. Viele industriell bedeutsame Rohstoffe wie Steinkohle, Erdöl, Erdgas sowie Eisen-, Buntmetall- und Edelmetallerze werden in zunehmenden Mengen unter extremen naturräumlichen Bedingungen abgebaut. Daran wird grundsätzliche Kritik geäußert, etwa wenn in hochsensiblen marinen Ökosystemen der Arktis Ölplattformen errichtet werden sollen. Hier ist das Risiko einer Umweltkatastrophe besonders groß.

Als eine auch zukünftig nicht zu beherrschende Umweltkatastrophe ist die radioaktive Verseuchung von Nowaja Semlja einzuschätzen. Dort führte die Sowjetunion zwischen 1955 und 1990 auch unter Wasser Kernwaffentests durch. In den umliegenden Meeresbereichen wurde große Mengen radioaktiver Müll verklappt.

Heute leben mehr als vier Millionen Menschen dauerhaft in der Arktis nördlich des 60. Breitengrades. Man schätzt, dass etwa 800 000 von ihnen Nachfahren der Indigenen dieses Lebensraums sind, etwa der Inuit, Samen, Jakuten und zahlreicher anderer Volksgruppen in Nordostsibirien.

Strömungen und Eisausdehnung

Die Meereisverhältnisse wechseln stark von Jahr zu Jahr. Das Meereis wurde normalerweise bis zu drei Meter mächtig und schiebt sich als Packeis stellenweise bis zu 25 m Stärke zusammen. Packeis ist vergleichsweise ortsfest. Als Treibeis bezeichnet man dagegen frei auf den Meeren treibendes Eis in Form von Schollen oder geschlossenen Feldern.

Durch die breite Pforte des Nordatlantiks erzeugt der Golfstrom als warme Meeresströmung eine Wärmeanomalie weit im Norden. Während die mittleren Temperaturen auf Höhe des 70. Breitenkreises bei –10,7 °C liegen, herrschen in vergleichbarer Breitenlage an der norwegischen Westküste bei Tromsö Jahresdurchschnittstemperaturen von +2,9 °C. Die Grenzen der Verbreitung von Packeis werden durch den Golfstrom im September bis nördlich von Spitzbergen gedrängt. Die kalte Gegenströmung des Labradorstroms bringt dagegen Treibeis mit einer Maximalausdehnung von 11 bis 15 Mio. km2 weit nach Süden bis auf Höhe des 40. Breitengrads.

Die Ostküste Grönlands bleibt auch im Sommer meist von Treibeis umschlossen, die Nordostküste sogar von Packeis. An der Westküste Grönlands, wo die größten Siedlungen der Insel liegen, werden die Küstengewässer und die meisten Fjorde bis nördlich von Thule im Sommer eisfrei. Ein Strömungswirbel in der Beaufortsee vor der Küste der Mackenzie-Mündung in Alaska hält die Packeisbedeckung ganzjährig in driftender Bewegung. Hier und vor der Nordküste Sibiriens öffnen sich schmale Polynyas, Bereiche offenen Wassers im Meereis, und geben die Nordostpassage zu den sibirischen Häfen und die Nordwestpassage durch das Inselgewirr der kanadischen Arktis frei.

Die wechselnden Meereisbedingungen der Arktis werden heute durch Wettersatelliten registriert. Infolge der globalen Klimaerwärmung sinkt die minimale Meereisausdehnung gegenwärtig rasch und erreichte in den letzten Jahren neue Tiefstwerte. Dabei handelt es sich um einen langfristigen Trend. In den letzten 20 Jahren hat das arktische Meereis im Winter rund ein Drittel seines Volumens verloren.

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Diercke

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