Schweiz - Eiszeiten und Frühgeschichte

Schweiz - Vergletscherung
978-3-14-100919-4 | Seite 28 | Abb. 1| Massstab 1 : 2000000

Überblick

Die Frühgeschichte der Schweiz ist stark von den eiszeitlichen Vergletscherungen während der Kaltzeiten geprägt, die das geomorphologische Landschaftsbild nachhaltig formten und überprägten. Diese Ereignisse beeinflussten auch die Bedingungen für die nachfolgende Frühbesiedlung der Schweiz und die Entwicklung von Flora und Fauna in erheblichem Masse.
Die Karte zeigt die Vergletscherung der Schweiz vor ungefähr 200 000 Jahren (hell-violett + weiss + grau-blau) und 50 000 Jahren (weiss + grau-blau) sowie die aktuellen Gletscherflächen (grau-blau) in den Schweizer Alpen und im Mont-Blanc-Massiv. Ausserdem sind steinzeitliche Siedlungsfunde eingetragen.

Eiszeiten und Gletscherbildung in der Schweiz

Als Vergletscherung wird ein Eisvorstoss bis ins Mittelland bezeichnet. Die Begriffe „Riss“ und „Würm“ basieren auf dem traditionellen Eiszeitenmodell von Penck und Brückner, das die vier Perioden Günz, Mindel, Riss und Würm umfasste. Diese Einteilung war seit 1900 gebräuchlich, gilt jedoch nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen als überholt. Dennoch sind die Begriffe Riss und insbesondere Würm noch immer gebräuchlich.
In der zweitletzten Kaltzeit (der klassischen „Riss-Eiszeit“) war ein grosser Teil der heutigen Schweiz von Eis bedeckt. Die Eismassen des Rhonegletschers bedeckten weite Teile des Juras und des westlichen Mittellandes, während der Rheingletscher über den Bodensee hinaus ins süddeutsche Alpenvorland stiess. Es wird angenommen, dass im Mittelland eine grosse zusammenhängende Eisdecke zwischen Jura und Bodensee existierte. In den Vogesen und im Schwarzwald bildeten sich ebenfalls eigene Vergletscherungen. In der letzten Kaltzeit kam es erneut zu grossflächigen Vergletscherungen im Gebiet der heutigen Schweiz. Die durchschnittlichen Jahrestemperaturen waren rund 12 bis 15 °C tiefer als heute, und ein Kältemaximum wurde um 22 000 bis 21 000 v. Chr. verzeichnet.

Gletscherbewegungen und deren Spuren

Der Rhonegletscher teilte sich vermutlich beim Genfersee, wobei der rechte Arm bis westlich von Solothurn floss und bei Bern den Aaregletscher aufnahm. Der Reussgletscher stiess bei Zürich mit dem Linthgletscher zusammen, und der Rheingletscher hobelte das Becken des Bodensees aus. Dies führte zur Entstehung einer umfangreichen Eisfläche, die sich von der West- bis in die Ostschweiz erstreckte. Auch im Westen des Juras sowie auf dem Napf und dem Hörnli bildeten sich eigene Eisflächen, während Teile des Juras wie der Tafeljura eisfrei blieben. Die Gletscher hinterliessen deutliche Spuren, darunter Endmoränen und tiefe Becken, in denen bei einem raschen Rückzug der Eismassen grosse Talseen entstanden. Auffallend ist, dass sich hinter Endmoränenwällen Seen bildeten, wie beim Zürichsee und den Insubrischen Seen beim Übergang in die Po-Ebene.

Steinzeitliche Besiedlung und Klimaerwärmung

In der Schweiz sind Siedlungsplätze aus der Zeit zwischen 60 000 und 30 000 Jahren bekannt. Zeugen davon sind Funde an Orten, die später nicht mehr vergletschert waren, wie in der Region Basel. Im grössten Teil der Schweiz wurden die ältesten Spuren der frühen Menschen durch das vorstossende Eis gelöscht. Mit der Klimaerwärmung veränderten sich Flora und Fauna, und dichte Wälder breiteten sich im Mittelland und im Voralpenraum aus. Ab 6 000 v. Chr. war das Mittelland mit Eichenmischwäldern bewachsen, und um 5 000 v. Chr. setzte ein Wandel in der Siedlungs- und Wirtschaftsweise ein. Die Menschen wurden sesshaft und betrieben verstärkt Ackerbau und Viehzucht. Ab 4 300 v. Chr. besiedelten sie vermehrt See- und Moorufer, da diese Standorte bessere Bedingungen für Siedlung und Verkehr boten.

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