Überblick
Die Vielfalt der Familienmodelle in der Schweiz spiegelt die komplexen sozialen und kulturellen Dynamiken des Landes wider. Unterschiedliche Erwerbsmodelle innerhalb der Familien zeigen sowohl traditionelle als auch modernisierte Formen des Zusammenlebens. Familienmodelle stehen unter dem Einfluss gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und kultureller Rahmenbedingungen, die von Kanton zu Kanton variieren. Diese Unterschiede spiegeln sich auch in der Verteilung der verschiedenen Familienmodelle wider. In der vorliegenden Untersuchung wird der Anteil der Familien hinsichtlich des Erwerbstätigkeitsmodells über den Zeitraum 2018 – 2022 beleuchtet. Im Fokus stehen dabei das modernisiert-bürgerliche Modell, das traditionell-bürgerliche Modell sowie das egalitär-erwerbsorientierte Modell.Familienmodelle in der Schweiz 2018 – 2022
Die Karte zeigt auf kantonaler Ebene den Anteil der Familien, die verschiedenen Erwerbstätigkeitsmodellen angehören. Untersucht wurde, wie hoch der Anteil der Familien ist, die dem modernisiert-bürgerlichen Modell (Vater Vollzeit, Mutter Teilzeit) folgen. Am stärksten vertreten ist dieses Modell in der Zentralschweiz, insbesondere im Kanton Obwalden, wo über 60 % der Familien dieser Kategorie angehören. Eine absolute Mehrheit (mindestens 55 %) dieses Modells findet sich auch in den Kantonen Jura, Nidwalden und Glarus. In den restlichen Deutschschweizer Kantonen sind 50 bis 55 % der Familien dem modernisiert-bürgerlichen Modell zuzuordnen, mit Ausnahme von Solothurn, Basel-Stadt, Schaffhausen, Zug, Uri und Zürich. Am wenigsten verbreitet ist dieses Modell in Basel-Stadt und im Kanton Genf, wo der Anteil unter 40 % liegt. Bemerkenswert ist, dass in der Romandie und im Tessin, mit Ausnahme des Kantons Jura, vergleichsweise niedrigere Werte vorliegen. Eine kulturelle und mentalitätsbezogene Abgrenzung ist erkennbar, obwohl auch deutschschweizerische Wirtschaftszentren wie Basel und Zürich diesem Modell folgen.
Der Anteil der traditionell-bürgerlichen Familienmodelle (Vater Vollzeit, Mutter nicht erwerbstätig) erreicht mindestens 25 % ausschliesslich im Tessin und in bestimmten Teilen der Deutschschweiz, überwiegend im Osten und Nordosten. In urbanen Agglomerationsräumen wie Basel, Bern und Zürich fällt der Anteil unter 25 %.
Beim egalitär-erwerbsorientierten Modell (beide Elternteile arbeiten Vollzeit) zeigt sich eine klare Sprach- und Kulturgrenze entlang des Röstigrabens, der die Romandie von der restlichen Schweiz trennt. Allerdings weichen der Kanton Jura und der zweisprachige Kanton Fribourg von dieser Tendenz ab.
Diese Ergebnisse illustrieren die Vielgestaltigkeit der Familienmodelle in der Schweiz und betonen die regionalen Unterschiede, die von kulturellen und wirtschaftlichen Faktoren beeinflusst werden. Die Choroplethenkarte stellt somit ein wertvolles Instrument dar, um die Verteilung und Prävalenz verschiedener Familienmodelle im Land zu analysieren und zu verstehen.
Stadtbezogene Untersuchung der Familienmodelle
Untersucht wurden die Städte Zürich, Bern, Luzern, Basel, St. Gallen, Lugano und Lausanne, welche die drei hauptsächlichen Sprachregionen der Schweiz repräsentieren. Mit Ausnahme von Lugano ist die absolute Zahl der Paarhaushalte mit Kindern unter sieben Jahren über den Zeitraum von 40 Jahren nahezu überall gestiegen oder blieb auf einem leicht schwankenden, aber ähnlichen Niveau.
In allen sieben Städten ist der Anteil der traditionell-bürgerlichen Familien (Vater Vollzeit, Mutter nicht erwerbstätig) gesunken. 1980 lag dieser Anteil noch in allen Städten bei über 5 %. Im Gegensatz dazu hat der Anteil der modernisiert-bürgerlichen Familien (Vater Vollzeit, Mutter Teilzeit) deutlich zugenommen. Dies trifft auch auf Lugano zu, wo der Anteil der traditionell bürgerlichen Familien am höchsten war.
Neuere Familienmodelle haben sich weitgehend durchgesetzt. Das egalitär-erwerbsorientierte Familienmodell (beide Elternteile Vollzeit) hat insbesondere in Lausanne sowie den grössten deutschsprachigen Städten Basel und Bern erheblich an Zuwachs gewonnen. Weniger stark verbreitet und kaum wachsend war dieses Modell in Lugano sowie Bern, Luzern und St. Gallen.
Das egalitär-familienorientierte Modell (beide Elternteile in Teilzeit) hat prozentual überall ausser in Lugano signifikant zugenommen. Besonders deutlich ist dieser Anstieg in Zürich, Basel und Bern zu beobachten. Auch in Lausanne ist ein spürbarer Zuwachs festzustellen.
Familienbild im Wandel
Generell ist das traditionelle bürgerliche Familienmodell in der italienisch- und deutschsprachigen Schweiz stärker verankert als in der französischsprachigen Schweiz. Gleichzeitig strebt in der Schweiz – wie auch in vielen anderen europäischen Ländern – eine wachsende Zahl von Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Familienarbeit an. Diese Veränderung in den familiären Leitbildern hat mehrere Ursachen. Ein wesentlicher Aspekt ist die annähernde Gleichstellung der Frauen in Bezug auf Berufs- und Ausbildungsqualifikationen, die sie im Erwerbsleben umsetzen möchten. Für Frauen hat die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit weitreichendere Konsequenzen als für Männer, da sie meistens die Hauptverantwortung für Kindererziehung und -betreuung übernehmen. Die Ergebnisse der Säulendiagramme belegen, dass diese Veränderungen hauptsächlich auf Verhaltensänderungen der Mütter zurückzuführen sind, während die Mehrheit der Väter weiterhin Vollzeit erwerbstätig bleibt.
Eine zufriedenstellende Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist daher in der Schweiz für viele Menschen noch nicht erreicht.