Schweiz - Religion

Schweiz - Politik und Gesellschaft
978-3-14-100919-4 | Seite 41 | Abb. 4| Massstab 1 : 2500000

Überblick

Die Religionslandschaft der Schweiz in ihrer heutigen Ausprägung kann als Ergebnis verschiedener Faktoren gesehen werden. Dazu zählen vor allem die historische Entwicklung (insbesondere während der Reformation im 16. Jahrhundert), die Migrationsbewegungen und die rechtlichen Rahmenbedingungen für religiöse Gemeinschaften. Insbesondere in den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Religionslandschaft stark verändert. Der Anteil der Personen, die der römisch-katholischen Kirche angehören, hat zwischen 1980 und 2022 um rund 13 % abgenommen. Bei der evangelisch-reformierten Kirche hat sich die Zahl im gleichen Zeitraum sogar mehr als halbiert. Dagegen ist der Anteil der Konfessionslosen stark gewachsen, von 3,9 % im Jahr 1980 auf 33,5 % im Jahr 2022.

Historischer Wandel der Religionslandschaft

Die kleinräumige Differenzierung der Konfessionen ist eine Folge der Reformation, die ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts von verschiedenen Zentren und von verschiedenen Reformatoren ausging. Dies ist nicht zuletzt bedingt durch den Charakter der Alten Eidgenossenschaft als Staatenbund. Noch heute lässt sich diese historisch gewachsene Verteilung der Konfessionen im Kartenbild teilweise ablesen. Auffallend ist, dass in den traditionell katholischen Kantonen die konfessionelle Vorherrschaft bis heute tendenziell stärker ausgeprägt bleibt als in den traditionell reformierten Kantonen. So ist beispielsweise im Wallis, im Tessin, in den Zentralschweizer Kantonen sowie in den Kantonen Freiburg und Appenzell-Innerrhoden die katholische Konfession noch heute vorherrschend, während in vielen traditionell reformierten Kantonen wie Zürich, Waadt oder Genf keine oder höchstens noch eine regional ausgeprägte Vorherrschaft der evangelisch-reformierten Konfession festgestellt werden kann. In Genf, wo die Reformation mit Calvin ein bedeutendes Zentrum hatte, ist heute die evangelisch-reformierte Kirche zahlenmässig sogar deutlich hinter der römisch-katholischen Kirche, den Konfessionslosen und den anderen Religionsgemeinschaften zu finden (siehe Säulendiagramm).

Einfluss der Migration

Einer der Gründe für diese Veränderung ist die Migration in den vergangenen Jahrzehnten. Sie hat auch Einfluss auf die demografische Zusammensetzung der verschiedenen Religionsgemeinschaften, denn es sind mehrheitlich junge Menschen, die in die Schweiz einwandern. Durch die Zuwanderung von Personen aus den stark katholisch geprägten Ländern Italien, Spanien und Portugal wurde der Rückgang des Anteils der katholischen Kirche in der Schweiz gebremst. Heute sind 30 % der Mitglieder der römisch-katholischen Kirche Personen mit Migrationshintergrund. Ebenso konnte die Alterung der Mitglieder der katholischen Kirche etwas gebremst werden. So sind 12 % zwischen 15 und 24 Jahre alt, 26 % sind 65 Jahre und älter. Im Gegensatz dazu konnte die evangelisch-reformierte Kirche nicht von der Zuwanderung profitieren. Mit 89 % weist sie einen viel höheren Anteil von Personen ohne Migrationshintergrund auf. Entsprechend sind ihre Mitglieder tendenziell älter als diejenigen der katholischen Kirche: 10 % sind zwischen 15 und 24 Jahre alt, 34 % sind 65 Jahre und älter. Der höchste Anteil an Personen mit Migrationshintergrund ist bei den muslimischen Gemeinschaften feststellbar (rund 35 % mit Migrationshintergrund). Die Zuwanderung fand vor allem in den frühen 1980er Jahren aus der Türkei und in den 1990er Jahren aus dem Balkan (Kosovo) statt. Die muslimischen Gemeinschaften sind die jüngste Religionsgemeinschaft der Schweiz: 19 % sind zwischen 15 und 24 Jahre alt, 7 % sind 65 Jahre und älter.

Konfessionelle Mehrheiten und Konfessionslose

In der Karte sind die Bezirke der Schweiz nach der zahlenmässig stärksten Konfession eingefärbt (unterschieden werden römisch-katholisch, evangelisch-reformiert und konfessionslos). Regionen, in denen der Anteil der Muslime die 10 %-Marke erreicht, wurden ebenfalls hervorgehoben. Untersucht wurde, inwieweit die einzelnen Konfessionen jeweils in den Bezirken der Kantone eine relative oder absolute Mehrheit einnehmen. Es gibt deutlich mehr katholische Bezirke, die noch einen Mindestanteil von 50 % Katholiken (absolute Mehrheit) erreichen, als reformierte Bezirke. Eine absolute Mehrheit an Katholiken findet sich vor allem im Jura, im Wallis, im Tessin, im Kanton Freiburg und in weiten Teilen der Zentralschweiz sowie im traditionell katholischen Appenzell-Innerrhoden. Eine absolute Mehrheit bilden die Reformierten lediglich in Teilen des Kantons Bern und im äussersten Norden der Schweiz (Kanton Schaffhausen). Auffällig ist der relativ hohe Anteil an Konfessionslosen in den Bezirken der Nordschweiz (Agglomeration Zürich, Basel und im Aargau) sowie in besonders ausgeprägter Weise in weiten Teilen der Romandie. Im Kanton Neuenburg bilden die Konfessionslosen sogar die absolute Mehrheit. Auffällig ist der relativ hohe Anteil an Muslimen (> 10 %) im äussersten Osten des Kantons St. Gallen entlang der Grenze zu Liechtenstein im Rheintal sowie im Westen des Kantons Zürich, in Richtung Dietikon.

Die Religionslandschaft in ausgewählten Kantonen

Das Schaubild mit den Säulendiagrammen illustriert eindrucksvoll die vielseitige Religionslandschaft in acht ausgewählten Kantonen der Schweiz.
In Kantonen wie Zürich und Genf wird besonders sichtbar, wie sich der Anteil der konfessionslosen Einwohner in den letzten Jahrzehnten erheblich erhöht hat. Diese Veränderungen spiegeln eine zunehmend säkularisierte Gesellschaft wider, die sich von traditionellen religiösen Bindungen löst. Zürich, als bevölkerungsreichster Kanton im Schaubild, zeigt auch eine vielfältige Mischung verschiedener religiöser Zugehörigkeiten.
Kantone wie Luzern und Tessin hingegen behalten eine starke römisch-katholische Prägung bei, die auf historische Traditionen und eine fest verwurzelte katholische Identität zurückzuführen ist. Dies unterstreicht die bleibende Bedeutung religiöser Traditionen in bestimmten Regionen, trotz allgemeiner Trends hin zu Säkularisierung und religiöser Pluralisierung.
Ein Blick auf Bern und Basel-Stadt offenbart eine bemerkenswerte Pluralität. Im Kanton Bern wird die historische Bedeutung der evangelisch-reformierten Kirche greifbar, während Basel-Stadt einen hohen Anteil an Personen ohne religiöse Zugehörigkeit sowie eine diverse religiöse Landschaft aufweist.
St. Gallen und Aargau zeichnen sich durch einen ausgewogenen Mix an katholischen und reformierten Bevölkerungsteilen aus, ergänzt durch beachtliche Anteile konfessionsloser Menschen. Diese Kantone stehen exemplarisch für eine gewisse Ausgeglichenheit und Vielfalt innerhalb der schweizerischen Religionslandschaft.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Schaubild nicht nur die gegenwärtige Verteilung der Religionszugehörigkeiten darstellt, sondern auch die dynamischen sozialen und kulturellen Wandlungsprozesse widerspiegelt, die die Schweiz in den letzten Jahrzehnten durchlaufen hat.

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