Schweiz - Seismische Gefährdung und Erdbeben

Schweiz - Tektonik und Erdbeben
978-3-14-100919-4 | Seite 21 | Abb. 4| Massstab 1 : 2000000

Überblick

Die seismische Aktivität und ihre Auswirkungen sind ein wichtiger Teil des Verständnisses von Naturgefahren. In der Schweiz sind Erdbeben, obwohl sie im Vergleich zu globalen Hotspots als weniger intensiv gelten, eine nicht zu vernachlässigende Realität. Die Bestimmung der seismischen Gefährdung in dieser Region erfordert eine detaillierte Betrachtung geologischer und historischer Daten. Die seismische Gefährdung in der Schweiz ist eher gering, wenn man sie derjenigen in anderen Regionen Europas oder der Welt gegenüberstellt. Dennoch gelten in der Schweiz die Erdbeben zusammen mit dem Hochwasser als grösste Naturgefahren.

Seismische Gefährdung in der Schweiz

Die Karte 21.3 zeigt die seismische Gefährdung in der Schweiz. Sie macht Aussagen zur Wahrscheinlichkeit, welche Bodenbewegungen auf einem felsigen Untergrund erwartet werden müssen. Die effektive seismische Gefährdung wird jedoch durch weitere, lokal unterschiedliche Faktoren bestimmt. Dazu gehören etwa die Zusammensetzung der Sedimente, ihre Geometrie und Mächtigkeit sowie ihre spezifischen Eigenschaften wie beispielsweise die Dichte oder die Wassersättigung. Um die seismische Gefährdung abschätzen zu können, müssen Informationen unterschiedlicher Herkunft miteinander verknüpft werden. Als Grundlage dienen Erkenntnisse aus der Geologie und der Tektonik. Sie geben unter anderem Aufschlüsse über die Lage von Verwerfungen, Aufschiebungen oder Überschiebungen. Die Zone höchster Erdbebengefährdung ist das Wallis. Die dort festgestellten Bodenbewegungen sind die Folge des Aufeinanderprallens der europäischen und der adriatischen Lithosphärenplatten (Profil s. 20.1). Eine mittlere Gefährdung ist in der dem Wallis nördlich anschliessenden Zone der Berner Alpen sowie in der Region Basel festzustellen. Letztere liegt am südlichen Rand des Oberrheingrabens, einer Grabenbruchzone mit erhöhter seismischer Aktivität. Die meisten der heute gemessenen Erdbeben in der Schweiz und im angrenzenden Ausland sind zu schwach, um von der Bevölkerung wahrgenommen zu werden. Der Schweizerische Erdbebendienst erfasst mit seinem digitalen Messnetz durchschnittlich zwischen 500 und 800 Bewegungen pro Jahr. Nur etwa 10 bis 15 davon haben eine Magnitude von 2,5 oder mehr und sind somit stark genug, um vom Menschen verspürt zu werden.

Historische Erdbebenforschung in der Schweiz

Von grosser Bedeutung sind auch Informationen über vergangene Erdbebenereignisse. In der Schweiz werden seit 1975 grossräumige Messungen mit Seismografen durchgeführt. Für die Zeit vor 1975 ist die Wissenschaft grösstenteils auf historische Überlieferungen angewiesen. Auf diese Weise konnte der Erdbeben-Katalog der Schweiz erstellt werden, der aufgezeichnete Ereignisse von 250 n.Chr. bis heute enthält. Die Zahl der effektiv eingetretenen Erdbebenereignisse dürfte jedoch wesentlich grösser sein. Denn historische Überlieferungen in Form von Augenzeugenberichten oder bildlichen Darstellungen sind in der Regel nur vorhanden, wenn ein Ereignis zu wahrnehmbaren Schäden geführt hatte. In der relativ dünn besiedelten vormodernen Schweiz dürften zahlreiche Beben nicht bemerkt oder festgehalten worden sein. Dennoch war auch die Schweiz in der Vergangenheit nicht von schweren Erdbeben mit teils beträchtlichen Schäden verschont. Das Erdbeben von Basel im Jahre 1356 gilt gar als das stärkste Beben nördlich der Alpen seit Menschengedenken. Um die Magnitude der Ereignisse zu ermitteln, wertet die Forschung historische Berichte aus und skaliert diese mittels der europäischen makroseismischen Intensitätsskala. Daraus kann sie anhand statistischer Verfahren Parameter wie den Ort, die Stärke oder die Tiefe der Erdbeben abschätzen.

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