Schweiz - Wirtschaft im 16. Jahrhundert

Schweiz - Siedlungsgeschichte
978-3-14-100919-4 | Seite 31 | Abb. 4| Massstab 1 : 2000000

Überblick

Diese Geschichtskarte vermittelt ein Bild von der standortgebundenen Wirtschaft am Ende des 16. Jahrhunderts auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. Ausserdem enthält sie Hinweise auf die frühere Landwirtschaft und die damaligen Verkehrswege dieses Wirtschaftsraums.

Bevölkerung um 1600

Am Ende des 16.  Jahrhunderts lebten im Gebiet der heutigen Schweiz schätzungsweise etwa 900 000 Personen. Dies entspricht einer Bevölkerungsdichte von wenig mehr als 20 Einw./km2 (Vergleich 2023: 224 Einw./km2). Die Gewichte zwischen den einzelnen Teilräumen der Schweiz verschoben sich nach 1500. Betrug der Anteil der Berggebiete an der Gesamtbevölkerung der Eidgenossenschaft um 1500 noch rund 50 %, ging er um 1600 auf 43 % und bis 1700 auf 34 % zurück. Das Bevölkerungswachstum war also in den Städten und in den Regionen des Mittellands, wo Gewerbe, Handel und frühe Protoindustrie von grösserer Bedeutung waren, ausgeprägter als in den Berggebieten.
Das 16. Jahrhundert war auch das Zeitalter der Reformation, die sich nicht zuletzt auf das wirtschaftliche Umfeld und die Bevölkerungsstruktur auswirkte. Ein Beispiel sind die Einflüsse der protestantischen Glaubensflüchtlinge, die sich vor allem in Genf, Basel und Zürich ansiedelten.

Landwirtschaft

Die Landwirtschaft war im 16. Jahrhundert, trotz des aufkommenden Gewerbes und der Protoindustrie, der mit Abstand wichtigste Teil der schweizerischen Wirtschaft. Aufgrund der klimatisch und topografisch kleinräumigen Gliederung der Schweiz sowie der rechtlichen Normen und institutionellen Rahmenbedingungen (Agrarverfassung) war die Landwirtschaft unterschiedlich ausgestaltet. Auffällig ist die Zweiteilung des Mittellands in einen Bereich mit überwiegendem Ackerbau („Kornland“ im tieferen Mittelland) und einen Bereich mit überwiegender Viehzucht und Milchwirtschaft („Hirtenland“ im höheren Mittelland und im Voralpenraum). Die Landwirtschaft konzentrierte sich vor allem auf die Selbstversorgung. Sie richtete sich nur sekundär auf regionale oder überregionale Märkte aus. Eine Ausnahme bildeten Teile des Hirtenlandes, wo eine nicht unbedeutende Exportwirtschaft betrieben wurde (z. B. mit Hartkäse). Mit dem grossen Bevölkerungswachstum, das zu Beginn der Frühen Neuzeit einsetzte – zwischen 1500 und 1700 verdoppelte sich die Bevölkerungszahl –, war die Landwirtschaft gezwungen, effizienter zu produzieren. Trotz Intensivierungen waren vor allem die durch die Viehwirtschaft geprägten Gebiete von Getreideimporten abhängig.

Gewerbe

Die Textilherstellung konzentrierte sich hauptsächlich im östlichen Jura, in der Region Zürich und in der Ostschweiz. Sie nahm im 16. Jahrhundert unter allen Gewerben eine führende Rolle ein. Vor allem im Bodenseeraum waren der Anbau von Flachs und Hanf sowie die Herstellung von Leinwand verbreitet. Die St. Galler Textilproduktion gründete auf der Arbeitsteilung im Verlagssystem (jeder Arbeitsschritt erfolgte durch spezialisierte Handwerker) und dem Fernhandel durch Grosskaufleute. In anderen Städten erfolgte die Produktion in erster Linie für den lokalen Absatzmarkt.
Die Uhrenherstellung war im 16. Jahrhundert nur in Genf von Bedeutung. Sie geht auf die hugenottischen Glaubensflüchtlinge zurück, die ab 1550 nach Genf kamen und ihr Fachwissen im Bereich der Uhrmacherei mit der Gold- und Silberschmiedekunst verbanden. Erst rund 100 Jahre später verbreiteten sich die tragbaren Uhren und damit auch deren Herstellung in anderen Regionen der Schweiz.
Das Buch- und Papiergewerbe war in mehreren Städten, vor allem jedoch in Basel vertreten. Die Branche florierte unter anderem dank der Universität, die 1459 als erste im Gebiet der heutigen Schweiz gegründet wurde.

Dienstleistungen

Die Karte weist für die Schweiz zwei Finanzzentren aus, Basel und Genf. Die beiden Städte waren im 16. Jahrhundert auch die bevölkerungsreichsten Orte im Gebiet der heutigen Schweiz. In Basel entstand aus dem sogenannten Stadtwechsel, einer aus der Einbindung der Stadt in den Fernhandel entstandenen Einrichtung für öffentliche Anleihen und Zahlungsverkehr, die bedeutendste öffentliche Bank der frühen Eidgenossenschaft.
Eine nicht typisch eidgenössische, jedoch in weiten Teilen der Eidgenossenschaft verbreitete Form der Dienstleistungen war das Söldnerwesen. Eidgenossen zogen gegen Geld für ausländische Mächte in den Krieg. Ab 1477 war es für Private verboten, auf eigene Rechnung in fremde militärische Dienste zu treten. Die Anwerbung hatte fortan über die Eidgenössischen Orte bzw. die Tagsatzung zu erfolgen. Die schlechten Lebensbedingungen der unteren Schichten und die vermeintliche Aussicht auf Erfolg und Anerkennung in fremden Diensten trieben viele junge Männer in den Solddienst. Aber auch in den Städten und in der ländlichen Oberschicht, vorab in der Zentralschweiz, war der Solddienst verbreitet. Schätzungen zufolge zogen allein im 15. Jahrhundert rund 100 000 Männer in fremde Dienste. Mit der Gründung des Bundesstaates 1848 wurde der Abschluss von Söldnerverträgen verboten, und 1859 folgte ein Gesetz, welches das Anwerben von Söldnern in der Schweiz verbot. Eine Ausnahme bildet auch heute noch die päpstliche Schweizergarde, die auf eine 1506 in den Dienst des Papstes eingetretene eidgenössische Söldnertruppe zurückgeht.

Verkehrswege

Das heute bestehende Fernstrassennetz war bereits im 16. Jahrhundert in weiten Teilen vorhanden. Allerdings darf man sich darunter keine ausgebauten Trassen im heutigen Stil vorstellen. Selten waren die Handelsverbindungen im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit befestigte Routen. Meist handelte es sich um einfache Wege, deren Verlauf je nach äusseren Einflüssen (z. B. Änderung der Bodenbeschaffenheit nach Unwettern) häufig wechseln konnte. Für lokale Verbindungen wurden vor allem Karren und Wagen als Transportmittel benutzt, während für längere Distanzen und die Gebirgspassagen Saumtiere zum Einsatz kamen. Da die Landverbindungen oft keinen hohen Ausbaustandard aufwiesen, kam den Wasserwegen eine grosse Bedeutung zu. Neben den Seen dienten auch die Flüsse als Transportwege. Während flussabwärts der Verkehr durch die Strömung getrieben wurde, mussten die Waren flussaufwärts gezogen werden. Dieses sogenannte Treideln erfolgte mit Zugtieren oder auch durch Menschenhand.

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