Tenochtitlán und Umgebung um 1500

Amerika - Mittel- und Südamerika (Lateinamerika)
978-3-14-100770-1 | Seite 210 | Abb. 1| Maßstab 1 : 500000

Informationen

Tenochtitlán, die 1345 gegründete Hauptstadt des Aztekenreiches, lag gemäß einer mythischen Verheißung der von Norden einwandernden Azteken auf einer Insel. Von dort aus wurde ein ausgeklügeltes Nutzungssystem in Hinblick auf Süßwasserkonservierung, Fischzucht und intensiven Pflanzenbau betrieben (Chinampas = schwimmende Gärten, z. B. von Xochimilco, die heute noch dem Blumen- und Gemüseanbau dienen). In frühen spanischen Beschreibungen wurde Tenochtitlán mit Venedig verglichen. In der Blütezeit betrug die Einwohnerzahl einige Hunderttausend.

Texcoco-See
Der Texcoco-See, dessen Ausdehnung seit der letzten Eiszeit (Pleistozän) kontinuierlich zurückging, war in aztekischer Zeit bereits in einzelne Seebecken untergliedert, die durch flache Wasserscheiden voneinander getrennt waren. Durch die stark schwankenden Niederschläge kam es jedoch zu entsprechend großen Schwankungen der Seefläche. Die Comisión del Valle kam 1861 auf Schätzungen, wonach die Seefläche in ihren Extremen zwischen 417 km² und 535 km² geschwankt haben muss, was eine Schwankung von mehr als 20 % bedeutet. Zur Zeit von Höchstständen mag noch eine zusammenhängende Wasserfläche existiert haben. Sonst lagen zwischen den einzelnen Seen Sümpfe und Verlandungen. Büsche und Bäume breiteten sich aus, sogar kleine Auenwälder, die mit Erlen, Weiden, Eschen und Sumpfzypressen besetzt waren.
Von großer Bedeutung war die Erhaltung und Pflege der Wasserqualität, dabei besonders die Trennung der unterschiedlichen Salzgehalte. Die im Norden gelegenen Flachseen neigten infolge der intensiven Verdunstung zu einem höheren Salzgehalt. Die südlichen Seen waren tiefer und wurden aus frischem Quellwasser gespeist, das aus porösem Vulkangestein stammte.
Durch Dammbauten förderten die Azteken diese von Natur aus vorgegebene Gliederung und legten darauf ihre Nutzungssysteme an: In den Süßwasserzonen im Süden war dies ein intensiver Gemüseanbau, in den austrocknenden nördlichen Seebereichen die Salzgewinnung. Dazwischen gab es alle Formen von Fischfang, Jagd, Ernte, Sammelwirtschaft, Hege und Zucht (Fische, Amphibien, Wasservögel und Eier, Binsen und Weiden als Rohmaterial für Flechtwerke, Matten, Körbe und Fanggeräte).
Die Wasserversorgung der aztekischen Hauptstadt war durch eine Wasserleitung aus dem Süßwasser-Bereich organisiert. 1521 wurde mit der Kappung dieser Wasserversorgung durch die Eroberungstruppen von Cortés die Endphase des Kampfes markiert.

Politische Organisation
In der Karte sind deutlich die drei Zentren der aztekischen Dreierallianz erkennbar: Tenochtitlán auf der Insel, Tlacopán am westlichen Seeufer und Texcoco am Ostufer. Die Verbindung nach Tlacopán war durch einen Damm hergestellt, Texcoco war nur zu Schiff oder auf einem beschwerlichen Landweg zu erreichen.
Auf der Karte ist noch im Einzugsbereich von Tenochtitlán die Lage des Ortes Tlaltelolco zu erkennen. Damals war er das Handelszentrum gegenüber dem geistlichen Zentrum Tenochtitlán, wo die wichtigsten Tempel und Pyramiden standen. In der letzten Phase der Eroberung durch Cortés wurden die sakralen Anlagen der Azteken zerstört und dem Erdboden gleichgemacht. Die Schwesterstadt Tlaltelolco macht heute durch den bekannten "Platz der drei Kulturen" auf sich aufmerksam, wo in einer geschlossenen Anlage die Ruinen des dortigen Haupttempels, die koloniale Kirche Santiago Tlaltelolco sowie Gebäude des sozialen Wohnungsbaus aus den 1960er-Jahren nebeneinander versammelt sind. In der Nähe steht die touristisch wirksame Gedenkplatte zur Erinnerung an den 13. August 1521, die Geburtsstunde des mestizischen Volkes.
H.-J. Sander

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